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Direktversicherung: Drohen Wahlschlappen? Brief an Ziemiak!

Foto: H.S.

18.04.2019 - von Horst Gehring

Merkel mauert, AKK mauert. Als ob es den Beschluss des Hamburger Bundesparteitags der CDU am 7./8.Dezember 2018 in Sachen "Doppelverbeitragung" von Betriebsrenten (Direktversicherungen) nie gegeben hätte! Horst Gehring schreibt deshalb am 16. April an Paul Ziemiak. Der ist seit dem 8. Dezember 2018 Generalsekretär der CDU, er gehört dem Bundestag seit 2017 an, und war zuvor viereinhalb Jahre Bundesvorsitzender der Jungen Union.

- übersandt per E-Mail –
Herrn
Paul Ziemiak MdB
Platz der Republik 1
11011 Berlin
6. April 2019

Sehr geehrter Herr Ziemiak,

auf dem Bundesparteitag der CDU 7./ 8.12.2018 in Hamburg haben die Delegierten mehrheitlich sich zum Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge mit dem Ziel ausgesprochen, auf Betriebsrenten (u.a. die sog. Direktversicherungen) wird zukünftig nur noch der halbe Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung (Arbeitnehmeranteil) gezahlt.

Ferner wird die bisherige Freigrenze für beitragspflichtige Einnahmen Versicherungspflichtig Beschäftigter (derzeit 152,25 Euro) in einen Freibetrag umgewandelt.

Als neuer CDU-Generalsekretär erklärten Sie in einem Interview der „Rheinischen Post“ „Für mich als Generalsekretär sind Parteitagsbeschlüsse bindend und Leitlinie meines Handelns.“ Quelle: NOZ vom 24.12.2018.
Siehe auch eine Pressemitteilung der Senioren Union CDU vom 13.12.2018

Bereits mit einem Statement vom 05.12.2018 forderte der Koalitionspartner SPD angesichts hoher Rücklagen der Krankenkassen ein Ende der sogenannten Doppelverbeitragung bei Betriebsrentnern. Nun müsse Gesundheitsminister Spahn rasch handeln.

Als Nichtbetroffener erspare ich mir auch juristische Belehrungen, da wir beide mit der Materie vertraut sind. So hat das Bundessozialgericht mit Urteilen vom 26.02.2019 eine überzeugende Rechtslage verkündet, die aber von den Betroffenen nicht akzeptiert wird. So begleitete ich seit Januar 2004 viele Betroffene zum Thema GMG. Glücklicherweise konnte ich bereits Anfang 2004 zu Gunsten eines ver.di Mitgliedes dieses auch für uns neue Verfahren mit einer Bilanz von 55.000,-- EUR verbuchen. Insgesamt folgten noch vierhundert Widerspruchsverfahren gegen vierzig gesetzliche Krankenkassen, die ebenfalls mit einer Gesamtsumme in Hohe von ca. 2.400.000 € erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Mit der Beschlussvorlage des BVerfG im Herbst 2010 war es dann auch schlagartig vorbei.

Was aber nicht nur die Betroffenen irritiert hat, sondern auch viele Fachleute, war die Presseerklärung der stellvertretenden Regierungssprecherin Frau Demmer in der Regierungspressekonferenz vom 13.02.2019. So führte Frau Demmer aus, dass derzeit keine Veränderungen hinsichtlich der Beitragszahlungen von Betriebsrenten geplant ist. Die Bundesregierung konzentriert sich zunächst auf die Umsetzung des Koalitionsvertrages, bevor weitere Projekte diskutiert werden. Diese Aussage kam zu einem Zeitpunkt, wo das Bundesgesundheitsministerium bereits einen Gesetzesentwurf vorbereitet hat.

Die Antworten der Bundeskanzlerin zum Thema Doppelverbeitragung/Halbierung vom 10. April 2019 dürfte Ihnen hinreichend bekannt sein.

Ebenso hat sich der Bundesrat in seiner Sitzung am 12.d.M. mit der Thematik befasst. Auch hier wurde ein Ende der Doppelverbeitragung bei Betriebsrenten mehrheitlich beschlossen. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug. Auch wenn das Parlament seine eigenen Spielregel hat, so sollte man „Otto-Normalverbraucher“ nicht für dumm verkaufen. Zumindest hat Minister Spahn Vorschläge präsentiert, die nun zwischen den Ministerien abgestimmt werden und dann vom Kabinett verabschiedet ins parlamentarische Verfahren gehen müssen.

Für mich ist das ein ganz normaler Vorgang. So eine Aussage hätten die Betroffenen von Angela Merkel erwartet, aber keine so „großspurige ja ablehnende Haltung“. Natürlich muss der Finanzminister den gesamten Haushalt im Blick haben. Ich finde es nur gerecht, wenn die Finanzierung der Abschaffung der Doppelverbeitragung in der Hauptsache von den Krankenkassen bezahlt wird und nicht vom Steuerzahler.

Nichts anderes sagt Olaf Scholz. An keiner Stelle hat der Finanzminister dem Ziel der Abschaffung widersprochen.

In einer E-Mail vom 14.d.M. spricht sich Scholz als der einzige hochrangige Verantwortliche mit einer klaren Aussage sich für die Abschaffung der Doppelverbeitragung aus. Wörtlich heißt es:

Der Bundesfinanzminister teilt das Anliegen, die Doppelverbeitragung von Betriebsrenten abzuschaffen. Wie das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ja bereits ausgeführt hat, gibt es dazu erste Überlegungen im dafür zuständigen Ressort (BMG). Eine Ressort-abstimmung ist noch nicht eingeleitet worden. Zu Details kann sich das Bundesfinanzministerium (BMF) demgemäß hier nicht äußern.

Für nicht als prioritär hinterlegte Projekte sind keine zusätzlichen Mittel im Bundeshaushalt hinterlegt. Jedes neue Vorhaben muss gegenfinanziert und das jeweilige Fachressort hat die Aufgabe, einen entsprechenden Vorschlag für eine solide Gegenfinanzierung zu machen. Das ergibt sich klar aus dem Koalitionsvertrag.

Soweit die Antwort aus dem BMF.

So eine klare Aussage der Kanzlerin hätten die Betroffenen erwartet. Immerhin geht es in dieser Frage um ein Wählerpotenzial von gut über 6 Millionen Betroffenen, oder sagen wir lieber vierzehn Prozent. Was so eine Masse ausmachen kann, haben die Landtagswahlen in NRW bewiesen. In Bayern folgten die Freien Wähler mit 12 Prozent in der Wählergunst.

Frau Merkel muss endlich einmal erkennen, dass man sich auch unangenehmen Fragen stellen muss. „Merkelsche Politik“ wird nicht nur in Washington, Moskau, London und Paris gemacht. Auch hochbrisante Themen wie die „Doppelverbeitragung“ kann Politiker unangenehme Stunden und Wahlschlappen bescheren. Die SPD kann ein Lied davon singen, aber auch die Union. Diese Enttäuschten zurückzuholen ist außerordentlich schwer. Ich kann so eine Politik nicht nach vollziehen, wo parteiübergreifend im Deutschen Bundestag sich eine Tendenz breit macht, sich der Forderung der Gewerkschaften, Sozialverbänden sowie den (GKV) sowie dem (GDV) anzuschließen. Letztendlich geht es zurzeit nur noch um 2,5 Milliarden EUR. Banker würden diese Summe als Peanuts bezeichnen. Möchte Frau Merkel wirklich dieses Risiko eingehen und die wichtigen Landtagswahlen in den neuen Bundes-ländern verlieren? Sie ist auf dem besten Wege, wenn ihr nicht Einhalt geboten wird. Schon jetzt wird darüber diskutiert, ob man den französischen Beispiel der „Gelb – Westen folgen sollte. Noch können kluge „Köpfe“ diesen Weg blockieren, wenn sich Frau Merkel und Co. nicht überzeugen lässt.

Auch das Volk hat eine Macht, die man nicht unterschätzen sollte. Es reicht nur ein Blick in die jüngste deutsche Geschichte. Lassen wir es deshalb nicht so weit kommen.

In vielen E-Mails wurde mir z.B. mitgeteilt, dass man den Hamburger CDU-Parteitags-beschluss in die „Tonne kloppen kann “. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Ihrem Sinne verläuft. Die Betroffenen verlangen von der CDU eine klare Richtungsansage, wie es nun weitergehen soll. Es dürfte Ihnen auch nicht entgangen sein, dass einzelne Parlamentarier parteiübergreifend eine zeitnahe Gesetzesinitiative planen. Sie folgen richtigerweise auch den Druck der Basis. Man kann es den Betroffenen einfach nicht mehr vermitteln, dass sie noch länger an der Nase herumgeführt werden.

Ich persönlich kann die Wut und Enttäuschung der Betroffenen sehr gut nachvollziehen. Unabhängig von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 26.02.2019 setzen die Direktversicherungsgeschädigten aber auch auf das Urteil des LAG Hamm, 4 Sa 852/17. Die Revision ist anhängig beim BAG unter dem Aktenzeichen 3 AZR 206/18. Ich kann Ihnen nur empfehlen, die Urteilsbegründung des LAG Hamm einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Frage ist sicherlich erlaubt, wie glaubwürdig sind unsere Politiker noch, wenn sie sich einfach gegen das Volk stemmen? Das Urteil belegt aber auch, dass viele Juristen sich mit der ständigen Rechtsprechung ernsthaft auseinandersetzen, und zunehmend Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der vergangenen Verfahren äußern. Wie ich bereits ausgeführt habe, selbst die GKV und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungs-wirtschaft unterstützt die Betroffenen in ihren berechtigten Forderungen. Unter den derzeitigen Bedingungen leidet auch die Versicherungsbranche, weil ein deutlicher Rückgang beim Abschluss von bAV-Verträgen zu verzeichnen ist.

Ich sehe Ihrer geschätzten Antwort mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Horst Gehring

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Schon am 18.4.2019 kommt mit freundlichen Grüßen aus dem Konrad-Adenauer-Haus die Antwort. Darin wird der Parteitagsbeschluss der CDU vom 07./08.12.2019 in Hamburg bekräftigt.

Link: Bundesratsssitzung: Bayern fordert Ende der Doppelverbeitragung von Betriebsrenten
Quelle: Mail an die Redaktion