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Zahlungsmoral von Politikern, die zur Kasse gebeten werden

Foto: H.S.

25.06.2019 - von Horst Gehring

Von Juristen bzw. Spitzenpolitikern sollte man eigentlich erwarten, dass sie eingegangene Verträge auch einhalten. So ist auch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft kein rechtsfreier Raum, wenn es z.B. um den monatlichen Gewerkschaftsbeitrag geht. Auch wenn vorliegender Fall über zehn Jahre zurückliegt, ist er an Brisanz nicht zu überbieten.

Bei einem Kontrollcheck von Mitgliedbeiträgen fiel einer Kollegin auf, das besagter Spitzenpolitiker bei einem Monatsgehalt von damals ca. 8.600,-- Euro keinen satzungsgemäßen Beitrag zahlte. Sie erhöht daher laut vereinbarter Satzung den monatlichen Beitrag um 5,-- Euro. Das führte zu einer Konfrontation, wo mir die Worte fehlten. Als Begründung wurde angeführt, dass diese Beitragserhöhung seinen finanziellen Rahmen sprengen würde und er diese Erhöhung nicht zahlen kann.

Aus Datenschutzrechtlichen Gründen darf ich natürlich keine Details benennen. Wenn ich aber sehe, das so ein Politiker, der heute sogar ein Ministeramt bekleidet, über die Halbierung der Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung mitentscheiden kann, verschlägt es mir die Sprache. Man muss allerdings auch klar und deutlich sagen, dieses ist ein Einzelfall der nicht der dazu dient, alle Politiker über einen Kamm zu scheren.

Als Vergleich führte ich damals an, das eine alleinstehende Raumpflegering und Mutter von zwei Kleinkindern bei einem Bruttolohn von ca. 1.3 26,-- Euro ebenfalls ohne zu murren 1 Prozent ihres Monatslohnes an ihre Gewerkschaft abführte. Dieser Frau fiel s wirklich schwer, einen satzungsgemäßen Beitrag zu zahlen, weil sie ihr Geld zusammenhalten musste.

Unter diesen Gesichtspunkten spreche ich solchen Politikern, die sich so verhalten, die soziale Komponente ab. Sie können sich nicht in die Situation der Betroffenen hineinversetzen, denen über Nacht fast 20 Prozent ihrer privat finanzierten Altersversorgung enteignet worden ist.
Kann man nun den Betroffenen vorwerfen, dass sie dem Ruf der Politik gefolgt sind und sich um eine zusätzliche Altersversorgung bemüht haben? Natürlich nicht.

Ihr Fehler war, das sie in den achtziger Jahren eine Kapitalversicherung in Form der Direktversicherung abgeschlossen haben. Dazu wurde seinerzeit seitens der Lebensversicherungen aber auch seitens der Arbeitgeber kommuniziert, dass es sich um eine sinnvolle zusätzliche Altersversorgung, die bewusst steuerrechtlich durch den Gesetzgeber gefördert wird, um nämlich eine zusätzliche Vorsorge im Alter zu erreichen. Mitte der achtziger stand definitiv fest, dass die Leistungen aus der Kapitallebensversicherung, die als betriebliche Alters-versorgung geführt wurde, im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht bei der Berechnung der KV- Beiträge bzw. der Beiträge zur Pflegeversicherung berücksichtigt werden. Mitte der achtziger existierte dazu eine eindeutige Gesetzeslage.

Im Vertrauen auf die Beständigkeit dieser Rechtslage haben die Betroffenen seinerzeit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages zugestimmt sowie dem Abzug der entsprechenden Prämien von ihrem Bruttoentgelt.

Es mag heute wie ein Hohn klingen, wenn sich Politiker hinstellen und erklären: „Unser Ziel ist es, dass die Bezieher von Betriebsrenten künftig – wie dies ja auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall ist - nicht den vollen, sondern nur den halben Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung tragen müssen“.

Was für ein Hohn, wenn man es mit den aktuellen Pensionsbezügen der Beamten vergleicht!

Wenn die SPD weiterhin für sich in Anspruch nehmen möchte, sich als Volkspartei zu bezeichnen, können die meisten Betroffenen nur müde lächeln. Der SPD kann ich nur empfehlen, sich zu ihrer historischen Schuld aus dem Jahr 2003 zu bekennen, wenn sie noch als Arbeiterpartei wahrgenommen werden möchte. Das wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Der zweite wäre, dass man die gefassten Parteitagsbeschlüsse noch vor der Sommerpause den Koalitionspartner präsentiert, um so eine Schadensbegrenzung vornehmen zu können. Aus meiner Sicht ist es die letzte Möglichkeit, Dr. Carsten Linnemann Zu unterstützen, um noch zu retten, was zu retten ist. Ansonsten dürfte der Zug aus meiner Sicht für lange Zeit abgefahren sein. Den Betroffenen ist es sicherlich egal, ob die jährlich anfallenden 2,5 Milliarden Euro nun von der GKV oder aus Steuermitteln finanziert werden. Sie erwarten nach 15 Jahren endlich eine Halbierung ihrer Beiträge.

Die Erstattung der verloren gegangenen Beiträge zum 1. Januar 2004 sollte man trotzdem weiter verfolgen. Bei realistischer Betrachtung sollte man aber jetzt auf seine Abgeordneten einwirken, so dass erst einmal ein Teilerfolg verbucht werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Quelle: Mail an die Redaktion