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Zypries ruft AGG zurück

03.08.2006 - von Ano + Hanne Schweitzer

Die Posse um das AGG geht weiter. Vorbildlich spiegelt sie die Art und Weise, wie in diesem Staat Politik gemacht wird.

Im Bundestag wurde das Gesetz, dessen Erarbeitung sechs Jahre gedauert hat, am 29. Juni verabschiedet. Acht Tage später winkte es der Bundesrat durch. Zu diesem Zeitpunkt waren die ersten Fehler des Gesetzes bereits bekannt.

Trotzdem ging`s ans Unterschreiben. Die Justizministerin mußte unterschreiben, der Innenminister, der Arbeitsminister, die Familienministerin und last but noch least setzte auch der Verteidigungsminister seinen Friedrich Wilhelm drunter. Nun ging`s ins Kanzleramt. Frau Merkel unterschrieb, oder auch nicht. Jedenfalls dauerte es drei Wochen, bis das Teil im Bundespräsidialamt ankam.

Bevor unser Bundesköhler zu Feder und Streusandbüchse griff, verkündete das Justizministerium, dass man an einem neuen Gesetz arbeite. "Kleinere, redaktionelle Ungenauigkeiten" gelte es zu überarbeiten. (Anschließend das ganze Prozedere nochmal?)

Kleine redaktionelle Ungenauigkeiten überarbeiten?? Liest man richtig? Soll man`s glauben? Hochbezahlte Beamte aus fünf Ministerien, einem Kanzleramt und dazu die bei der Ländervertretung und beim BDA, der Versicherungswirtschaft und den Banken haben diese "kleinen redaktionellen Ungenauigkeiten" nicht bemerkt? Die Bundestagsabgeordneten auch nicht? Sind nicht gerade Juristen im Hohen Haus reichlich vertreten?

Für Qualität sorgt das aber nicht, wie sich an der Historie des AGG genauso nachweisen läßt, wie am aktuellen Stand der Dinge. Roland Wolf, Arbeitsrechtsexperte vom BDA nannte das Gesetz eines, das von "ausgesprochen dürftiger Qualität" sei.

Das störte die Verantwortlichen nicht. Weder wurden die eklantanten Verstöße gegen das Europarecht, noch die "kleinen redaktionellen Ungenauigkeiten" von den Herrschaften zum Anlass genommen das Prozedere zu unterbrechen.

Unterschreiben diese Leute eigentlich alles was man ihnen vorlegt? Lesen sie keine Zeitung, keine Mails?

Seit dem 29. Juni haben diverse Juristen, das Büro gegen Altersdiskriminierung und andere Verbände unentwegt öffentlich darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz fehlerhaft und sogar an mindestens zwei Stellen nicht mal europarechtskonform ist. Das Büro gegen Altersdiskriminierung fordert vor allem die ersatzlose Streichung der im Gesetz enthaltenen Altersgrenzen für BeamtenbewerberInnen.

Belustigung und Heiterkeit hätte Einzug in den Arbeitsgerichten gehalten, wenn die laienhaften Formulierungen der bundesdeutschen AGG-Gesetzesbastler zur Rechtssprechung herangezogen werden. Beispiel dafür: Wer meint, er sei diskriminiert worden, soll “Indizien beweisen”, die eine Diskriminierung “vermuten lassen”.

Bleibt zu hoffen, dass nach dem Rückruf des Gesetzes nicht alles noch mehr verschlimmbessert wird!

Quelle: FAZ und diverse, 3.8.06

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