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EU-Parlament für neue Antidiskriminierungsrichtlinie

02.04.2009 - von EU-Parlament

Am 2. April 2009 hat das Europäische Parlament mit einfacher Mehrheit (363 zu 226 Stimmen) FÜR eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie (Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung) gestimmt. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass die Verweigerung der medizinischen Behandlung allein aus Altersgründen verboten wird.

Das Parlament hat auf der Basis eines entsprechenden Vorschlags der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2008 (KOM(2008)0426 – C6-0291/2008 – 2008/0140(CNS)), diverse Änderungsvorschläge bzw. "Erwägungen" abgestimmt. Von besonderem Interesse für das Diskriminierungsmerkmal Alter ist:

Erwägung 2 c
Gemäß Artikel 5 der Politischen Erklärung anlässlich des Abschlusses der Weltkonferenz der Vereinten Nationen zum Altern 2002 in Madrid wurde vereinbart, die Entschlossenheit zu bekräftigen, keine Mühe bei der Beseitigung aller Formen der Diskriminierung, namentlich der Altersdiskriminierung, zu scheuen, anzuerkennen, dass Menschen auch im Alter ein erfülltes, gesundes und sicheres Leben genießen und aktiv am wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Leben der Gesellschaft teilhaben sollten, der Würde älterer Menschen mehr Anerkennung zu verschaffen und alle Formen von Vernachlässigung, Misshandlung und Gewalt zu beseitigen.
Erwägung (4)
Das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003, das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle 2007 und das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs 2008 haben das Weiterbestehen von unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung, Mehrfachdiskriminierung und von Diskriminierung durch Assoziation, aber auch die Notwendigkeit der Förderung der Vorzüge der Vielfalt deutlich gemacht.
Erwägung (9)
Daher sollte unmittelbare und mittelbare Diskriminierung, Mehrfachdiskriminierung und Diskriminierung durch Assoziation aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung oder des Geschlechts in einer Reihe von Bereichen außerhalb des Arbeitsmarktes gesetzlich verboten werden, unter anderem in den Bereichen Sozialschutz, Bildung sowie Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, wie z.B. Wohnraum, Transport, Vereinigungen sowie Gesundheit. Gesetzlich vorgeschrieben werden sollten Maßnahmen zur Gewährleistung des gleichberechtigten Zugangs von Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder einer bestimmten sexuellen Ausrichtung oder mit einer Kombination dieser besonderen Merkmale und für Personen, die mit diesen Personen in Beziehung stehen, zu den erfassten Bereichen.
Erwägung (12c)
Unter Diskriminierung ist auch die Verweigerung der medizinischen Behandlung allein aus Altersgründen zu verstehen.
Erwägung (14a) Ungleichbehandlungen aus Gründen des Alters oder einer Behinderung können unter bestimmten Umständen zulässig sein, sofern sie durch ein legitimes Ziel objektiv und ausreichend gerechtfertigt sind und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Bei solchen Ungleichbehandlungen kann es sich beispielsweise um besondere Altersbedingungen für den Zugang zu bestimmten Gütern oder Dienstleistungen wie alkoholischen Getränken, Waffen oder zu einem Führerschein handeln. Die Förderung der wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Integration junger oder älterer Menschen oder von Menschen mit Behinderungen kann auch als legitimes Ziel angesehen werden. Daher gelten Maßnahmen im Zusammenhang mit Alter und Behinderung, die günstigere Bedingungen schaffen, wie beispielsweise Ermäßigungen für Verkehrsmittel, Museen oder Sportstätten bzw. der kostenlose Zugang zu diesen Einrichtungen, als mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar.
Erwägung (15)
Bei Versicherungs-, Bank- und anderen Finanzdienstleistungen werden behinderungs- und altersbezogene versicherungsmathematische Faktoren und Risikofaktoren angewandt. Sie sollten nicht als diskriminierend angesehen werden, wenn nachgewiesen wird, dass es sich um für die Risikobewertung maßgebliche Faktoren handelt, und wenn der Dienstleistungserbringer anhand versicherungsmathematischer Grundsätze oder statistischer oder medizinischer Daten bedeutend höhere Risiken belegen kann. Diese Daten sollten exakt, aktuell und relevant sein und auf Antrag zur Verfügung gestellt werden. Die versicherungsmathematischen Faktoren und Risikofaktoren sollten die positiven Veränderungen bei der Lebenserwartung und in Bezug auf ein aktives Altern sowie die verbesserte Mobilität und Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen widerspiegeln. Dabei ist davon auszugehen, dass sich der Begriff medizinische Daten auf objektive und überprüfte medizinische Fakten und gesichertes medizinisches Wissen beschränkt, was im Einklang mit den Standards bei der Sammlung medizinischer Daten steht.
Erwägung (19a)
Maßnahmen, durch die Menschen mit Behinderungen ein effektiver diskriminierungsfreier Zugang zu den von dieser Richtlinie erfassten Bereichen ermöglicht werden soll, spielen für die Gewährleistung der vollen Gleichstellung in der Praxis eine wichtige Rolle. Außerdem können in Einzelfällen individuelle angemessene Vorkehrungen erforderlich sein, um diesen Zugang zu gewährleisten. In keinem Fall sind Maßnahmen erforderlich, die eine unverhältnismäßige Belastung bedeuten würden. Bei der Bewertung der Frage, ob die Belastung unverhältnismäßig ist, sollte berücksichtigt werden, ob die betreffende Maßnahme undurchführbar ist oder die Sicherheit gefährdet und nicht durch eine angemessene Änderung der Vorschriften, Politikstrategien oder Praktiken, durch den Abbau baulicher, kommunikationsbedingter oder beförderungsbedingter Barrieren oder durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln oder Hilfsdiensten durchführbar und sicher gemacht werden kann. Angemessene Vorkehrungen erfordern nicht unbedingt umfassende bautechnische Änderungen an Gebäuden, deren Struktur aufgrund ihres historischen, kulturellen oder architektonischen Werts nach nationalem Recht besonders geschützt ist. Das Prinzip der angemessenen Vorkehrungen ist in der Richtlinie 2000/78/EG und im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen festgelegt.
Erwägung (21)
Das Diskriminierungsverbot sollte nicht der Beibehaltung oder Einführung von Maßnahmen der Mitgliedstaaten entgegenstehen, die Nachteile für Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, mit einer Behinderung, einer bestimmten Altersgruppe oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung oder mit einer Kombination von Merkmalen im Zusammenhang mit diesen Faktoren und für zu diesen Personen in Beziehung stehenden Personen verhindern oder ausgleichen sollen. Dieses Verbot kann flankiert werden durch Maßnahmen zur Förderung der Gleichbehandlung und Chancengleichheit, die dem Gleichstellungsaspekt und positiven Maßnahmen mit dem Ziel Rechnung tragen, den spezifischen Bedürfnissen von Personen oder Personengruppen gerecht zu werden, die aufgrund ihrer Merkmale Strukturen, Dienstleistungen und Hilfe benötigen, die für andere Personen nicht notwendig sind. Solche Maßnahmen werden begleitet von der Schaffung unabhängiger Organisationen von Personen einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, mit einer Behinderung, einer bestimmten Altersgruppe oder einer bestimmten sexuellen Ausrichtung, wenn ihr Hauptzweck die Förderung der besonderen Bedürfnisse dieser Personen ist.
Erwägung (26)
Der Rat hat in seiner Entschließung zu den Folgemaßnahmen zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle (2007) dazu aufgerufen, die Zivilgesellschaft, einschließlich Organisationen, die diskriminierungsgefährdete Personen vertreten, die Sozialpartner und andere interessierte Kreise in vollem Umfang in die Entwicklung von Strategien und Programmen zur Verhütung von Diskriminierung und zur Förderung der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene einzubinden. Zu diesem Zweck sorgen die Kommission und die Mitgliedstaaten dafür, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Bestimmungen und die bereits in diesem Bereich geltenden Bestimmungen der Öffentlichkeit und den betroffenen Personen – mit Informations- und Pressekampagnen, auch zur Beseitigung von Stereotypen – in geeigneter, angemessener und zugänglicher Form (wie z.B. Zeichensprache oder spezifische Webseiten für Sehbehinderte) zur Kenntnis gebracht werden.
Abänderung 38
Im Sinne des Absatzes 1
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person oder Personen, die mit einer derartigen Person in Verbindung stehen oder gebracht werden, wegen eines oder mehrerer der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt bzw. erfahren als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, einem bestimmten Alter oder einer bestimmten sexuellen Ausrichtung oder Personen, die mit derartigen Personen in Verbindung stehen oder gebracht werden, gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
Abänderung 41 4a. Diskriminierungen, die sich auf Annahmen über die Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter oder die sexuelle Ausrichtung einer Person oder ihre Assoziierung mit Personen einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder einer bestimmten sexuellen Ausrichtung stützen, gelten als Diskriminierung im Sinne des Absatzes 1.
Abänderung 43 6.
Diese Richtlinie schließt Ungleichbehandlung aufgrund des Alters nicht aus, sofern sie durch ein legitimes Ziel objektiv und ausreichend gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen, verhältnismäßig, erforderlich und wirksam sind.
Abänderungen 87 und 44 7. Unbeschadet des Absatzes 2 gilt es im Sinne dieser Richtlinie nicht als Diskriminierung, wenn bei der Bereitstellung von Finanzdienstleistungen verhältnismäßige Ungleichbehandlungen erfolgen, sofern für das fragliche Produkt die Berücksichtigung des Alters oder einer Behinderung ein maßgeblicher Faktor bei der Risikobewertung anhand relevanter versicherungsmathematischer Grundsätze, exakter statistischer Daten oder medizinischen Wissens ist. Diese Daten sollten exakt, aktuell und relevant sein und auf Antrag auf leicht zugängliche Weise zur Verfügung gestellt werden. Die versicherungsmathematischen Faktoren und Risikofaktoren sollten die positiven Veränderungen bei der Lebenserwartung und in Bezug auf ein aktives Altern sowie die verbesserte Mobilität und Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen widerspiegeln. Der Dienstleistungserbringer muss bedeutend höhere Risiken objektiv belegen können und gewährleisten, dass die Ungleichbehandlung objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels verhältnismäßig, erforderlich und wirksam sind. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission und überprüfen ihre Entscheidung fünf Jahre nach der Umsetzung der vorliegenden Richtlinie unter Berücksichtigung des in Artikel 16 erwähnten Berichts der Kommission und übermitteln die Ergebnisse dieser Überprüfung der Kommission.
Abänderung 47 d)
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum und Transport.
Abänderung 53 5.
Diese Richtlinie betrifft nicht die unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und berührt nicht die Vorschriften und Bedingungen für die Einreise von Drittstaatsangehörigen oder staatenlosen Personen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder ihren Aufenthalt in diesem Hoheitsgebiet sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen oder staatenlosen Personen ergibt. Diskriminierung aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, die als unterschiedliche Behandlung infolge der Staatsangehörigkeit zum Ausdruck kommt, wird als Diskriminierung im Sinne von Artikel 1 betrachtet.
Abänderung 91 5a.
Die Bereiche Werbung und Medien sind von dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen.
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A6-2009-0149&language=DE

Nach dieser Abstimmung fordert das Europäische Parlament die Kommission auf, ihren Vorschlag gemäß Artikel 250 Absatz 2 des EG-Vertrags entsprechend zu ändern; es fordert den Rat auf, das Parlament zu unterrichten, falls er beabsichtigt, von dem vom Parlament gebilligten Text abzuweichen; es fordert den Rat auf, das Parlament erneut zu konsultieren, falls er beabsichtigt, den Vorschlag der Kommission entscheidend zu ändern;
das Parlament beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

Die legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2. April 2009 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. ist zu finden unter: Link
Dort finden Sie auch links zu den eingereichten Texte, sowie Protokolle der Aussprachen, die Abstimmungsergebnisse und Erklärungen zur Abstimmung.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=3031
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung