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Rentenversicherung: Der Staat bedient sich

Erfurt, Mai 2009 Foto:Hanne Schweitzer

22.12.2011 - von Immanuel Schaich

Die Gesetzgebung zur Rentenversicherung enthält zahlreiche Lücken. Insbesondere in Bezug auf die beitragsfremden Leistungen. Es werden Rentenansprüche ohne Beitragsleistungen gewährt, ohne zu bestimmen, wie diese Rentenzahlungen finanziert werden sollen. Man belastet einfach die Rentenkasse und regelt nicht, wie diese Rentenzahlungen abgerechnet werden sollen. Das bedeutet, dass man einfach auch Beiträge der anderen Versicherten für diese Renten verwendet. Der Bundeszuschuss soll alles abdecken. Eine Kontrolle findet nicht statt, auch keine genaue Erfassung. Der Staat behandelt die Rentenversicherung wie sein Eigentum und verfügt über Milliardenbeträge, die zum Vermögen der Rentenkasse gehören.

Die Rentengesetze mit einigen hundert Paragrafen enthalten keine präzisen und vollständigen Bestimmungen über die Erfassung, Behandlung und Verrechnung von beitragsfremden Leistungen. In den §§ 290 ff SBG VI sind zwar einige Fälle von erstattungspflichtigen Rentenleistungen aufgeführt. Diese sind aber nicht vollständig und die zu erstattenden Beträge werden gar nicht ermittelt. Statt dessen hat man in § 213 SBG VI einen Absatz 3 eingefügt, und dabei bestimmt, dass durch den zusätzlichen Zuschuss alle beitagsfremden Leistungen abgedeckt seien. Ein Nachweis wird aber nicht erbracht, schon deshalb nicht, weil ja diese Leistungen beitragsässig gar nicht ermittelt werden. Das ist ein grobes, nicht entschuldbares Versäumnis der Geschäftsführung der Rentenversicherung. Weder die etablierten Parteien, noch die zuständigen Minister haben sich in den letzten 40 Jahren darum gekümmert, ob die Rentenversicherung die ihr auferlegten Lasten korrekt ersetzt bekommt. Auf diese Weise wurde die Rentenkasse um einige hundert Milliarden "erleichtert" und die Bezeichnis "Bundeszuschuss" ist eine Vortäuschung falscher Tatsachen, ja geradezu eine Lüge. Es muss verlangt werden, dass in Zukunft die beitragsfremden Leistungen voll ersetzt werden. Sie sind als "Ersatzleistung des Bundes" zu bezeichnen und sind auch im Bundeshaushalt als solche auszuweisen. Darüber hinaus muss der Rentenversicherung ein Zuschuss von mindestens 10% der Rentenausgaben gewährt werden. Diese Zahlung wäre dann ein "Zuschuss", der aber gegenüber des früheren Reichszuschusses sehr viel geringer wäre. Der schon zur Gewohnheit gewordene "Griff in die Rentenkasse" ist so ziemlich das Schlimmste, was ein Staat seinen Bürgern antun kann. Es sollte unter Strafe gestellt werden.

Verwaltung der Rentenversicherung
Nach § 29 Sozialgesetzbuch IV ist für die Rentenversicherung die Selbstverwaltung bestimmt. Das bedeutet, dass die Rentenversicherung eine autonome Behörde ist, die ihre Innen-Organisation nach eigenen Bedürfnissen einrichten kann. Zu einer geordneten Selbstverwaltung gehört, dass die Ausgaben für Renten, die nicht auf Grund von Beiträgen gezahlt werden, genau erfasst werden. Dies ist überhaupt noch nie geschehen. Lediglich nachträgliche statistische Berechnungen wurden aufgestellt. Es ist ein grobe Unterlassungssünde, dass hier nicht genau abgerechnet wird. Die Rentenkasse hat auf diese Art schon hunderte von Milliarden verloren. Den Schaden haben die 50 Millionen Rentner und Beitragszahler in Form von höheren Beiträgen oder geringerer Rente.
Verantwortlich dafür sind die Organe der Rentenversicherung. Tatsächlich ist die Rentenkasse weitgehend fremdverwaltet durch Beamte, Minister und "Experten". Die Organe der Rentenversicherung - Vorstand und Geschäftsführer - sind weitgehend den Weisungen des Arbeitsministeriums unterworfen. Es ist ein grosses Versäumnis der Rentenversicherungs-Vorstände, dass sie die Ausgaben für Fremdleistungen usw. nicht genau erfassen und dem Bund in Rechnung stellen. Die Verwaltung der Rentenversicherung ist vergleichbar mit einem Handwerker, der keine Rechnungen schreibt und wartet, was die Kunden überweisen. Hier fehlt eine präzise gesetzliche Regelung.

In verschiedenen Broschüren hat die Rentenversicherung darauf hingewiesen, dass der Bundeszuschuss die beitragsfremden Leistungen nicht abdeckt, so z.B. in:

  • "Rund um die Rente", 1998, Seite 64ff; ("Da diese Anpassungsmechanismen des Bundeszuschusses von einem Festbetrag aus dem Jahr 1991 ausgehen, der trotz der pauschalen Anhebung für Kindererziehungszeiten nur knapp 20 Prozent der Rentenausgaben entspricht, werden damit keineswegs alle versicherungsfremden Leistungen der Rentenversicherung refinanziert.")

  • "Rente von A-Z", 1998, Seite 38;("Der Bundeszuschuss reicht aber nicht aus, um alle versicherungsfremden Leistungen auszugleichen.")

  • "Deutsche Rentenversicherung" 6-7/1989, Seite 324; ("Die Fremdlasten der Rentenversicherung betragen je nach Definition dieses Begriffes ein Viertel bis ein Drittel der Rentenausgaben. Sie würden durch einen Bundesanteil von 20 Prozent also noch nicht einmal voll abgedeckt.")

  • "Presse-Seminar vom 21./22.11.1994", Seite 62 ff. ("Mit insgesamt 33 Milliarden DM - das sind 12,7 Prozent des Rentengesamtleistungsvolumens - subventioniert die Rentenversicherung den Staat bei der Erfüllung seiner gesamtgesellschaftlichen Aufgaben.")

  • Beim letztgenannten Presse-Seminar wurde mitgeteilt, dass der Bundeszuschuss also um 33 Mrd. DM zu niedrig sei. Es genügt allerdings nicht, wenn die Rentenversicherung auf die Fehlbeträge hinweist. Vorstand und Geschäftsführung hätten den Anspruch der Rentenversicherung nach § 666 BGB geltend machen müssen. Das gehört auch zur Selbstverwaltung.

    In den Geschäftsberichten wird nicht über die Fremdleistungen und die Fehlbeträge beim Bundeszuschuss berichtet, lediglich über Transferzahlungen in die Neuen Bundesländer (bis 2004). Die Vertreter-Versammlung wird über die Fremdleistungen gar nicht informiert, sie hat die Probleme noch gar nicht erkannt und genehmigt die Geschäftsberichte ohne Beanstandung. Die Vertreter würden dem Geschäftsbericht bei richtiger Information wohl nicht zustimmen.
    Bei strenger Anwendung der im Grundgesetz verankerten Eigentumsgarantie ist schon die sofortige Verausgabung der vereinnahmten Beiträge für Renten (Umlageverfahren) einigermassen bedenklich. Wenn aber die Beiträge zu einem nicht geringen Teil für versicherungsfremde Leistungen verwendet werden, dürfte es sich um eine Veruntreuung von Beiträgen handeln, die eigentlich strafbar wäre. Verantwortlich dafür ist einmal das zuständige Ministerium wegen mangelhafter Gesetzgebung und wegen der Behauptung, dass der Bundeszuschuss die Fremdleistungen abdecke.
    Die Organe der Rentenversicherung leisten mindestens Beihilfe zur Veruntreuung, weil sie die Ausgaben nicht erfassen und nicht geltend machen.
    Vorstand und Geschäftsführung werden von der Rentenkasse bezahlt und haben deshalb auch die Interessen der Versicherten vorbehaltslos zu vertreten. Die Vertreter-Versammlung hat Anspruch auf vollständige Information über Fremdleistungen und deren Deckung. Alles andere ist Täuschung.

    Bundeszuschuss
    Der Bundeszuschuss ist wohl eine Fortsetzung des bei Gründung der Rentenversicherung eingeführten Reichszuschusses. Dieser "Reichszuschuss" war ein echter Zuschuss und belief sich auf rund 1/3 der Rentenausgaben. Die Rentenversicherung wurde damit subventioniert. Der Staat fühlte sich wohl verpflichtet, auch Arbeitern und Angestellten einen Zuschuss zur Rente zu gewähren. Dies wurde bis 1945 beibehalten. Auch nach dem 2. Weltkrieg wurden bis 1957 angemessene Zuschüsse gezaht. Allerdings hatte die Rentenkasse erhebliche Kriegsfolgelasten zu zahlen, die nach Meinung der Politiker durch den Zuschuss abgedeckt sein sollten. Nach 1957 wurden die Zuschüsse bis unter 20% gesenkt und deckten keineswegs die Kriegsfolgelasten ab.

    So lange die Rentenkasse noch ein Minimal-Vermögen besaß, mogelte sich die Rentenpolitik mit Beitragserhöhungen, Rentenkürzungen usw. durch. Von einer korrekten und verantwortungsbewussten Rentenpolitik konnte keine Rede sein. Ohne eine wesentliche Korrektur des Zuschusses mit genauer Erfassung der Fremdleistungen und ausreichender Ausstattung durch den Bund wird es keine gerechte und gute Rentenpolitik geben. Unsere Renten-Politiker haben es geschafft, den Bundeszuschuss von einer Subvention in eine Ausplünderungs-Funktion umzuwandeln.

    Bundesministerium für Arbeit und Soziales
    Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales behauptet einfach, dass die Beitragszahler durch den Bundeszuschuss entlastet seien, ohne Beweise zu liefern. Das ist falsch. (Am 21.5. 2008 schreibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales an den Autor: "Wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass die Beitragszahler der gesetzlichen Rentenversicherung heute durch die Beitragzuschüsse und Erstattungen des Bundes von der Finanzierung der nicht beitraggedeckten Leistungen entlastet sind."
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    Sozusagen als rentenpolitisches Testament hat der Autor seine Thesen in einem "Schwarzbuch Rente" noch detaillierter erläutert. Der Verfasser, Herr Immanuel Schaich aus Reutlingen, zeigt in leicht verständlicher und gut dokumentierter Weise in seinem Schwarzbuch Rentenversicherung die Fehler und Missstände der Rentenpolitik seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland auf. Die gute und übersichtliche Gliederung ermöglicht auch dem Nichtfachmann einen guten Einblick in das systematisch betriebene Rentenunrecht in unserem Lande zu gewinnen.
    Otto W. Teufel
    Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V. München

    Wir haben das Werk eingescannt, damit es, mit Zustimmung von Herrn Schaich, verteilt und im Internet veröffentlicht werden kann. Die Erstveröffentlichung dieses Artikels erfolgte am 5.3.2010. H. Schweitzer

    Schwarzbuch Rente von Immanuel Schaich
    Quelle: Immanuel Schaich