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Direktversicherung: Offener Brief an Petitionsausschuss

27.10.2010 - von Edeltraud Debusmann

Bis Anfang September 2010 wurde sowohl von der Politik als auch von der Rechtsprechung zum Thema Direktversicherung alles über einen Kamm geschoren. Jede noch so plausible Begründung der Betroffenen wurde einfach ignoriert nach dem Motto, „Es kann nicht sein, was nicht sein darf".

Seit der Veröffentlichung eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts am 15.10.2010 gibt es zumindest einen ersten, wenn auch kleinen Lichtblick. Es wurde endlich mal wieder eine höchstrichterliche Entscheidung getroffen, die mit dem deckungsgleich ist, was man gemeinhin das "gesunde Volksempfinden" nennt.

Es wird nun „nach vielen Jahren der Ignoranz" erstmalig unterschieden, wer Inhaber der Direktversicherung war und gibt zumindest den Arbeitnehmern Hoffnung, die nach dem Ausscheiden (freiwillig, durch Kündigung oder wie in meinem Falle durch Insolvenz der Arbeitgebers) die Direktversicherung im eigenen Namen weiter geführt hatten.

Leider geht man bei der Beurteilung des Sachverhaltes immer noch von falschen Voraussetzungen aus. Legt man die ursprüngliche Idee zugrunde, daß der Arbeitgeber zusätzlich zum Lohn die vom Staat empfohlene Direktversicherung mit eigenen Beiträgen speist, dann ist der Begriff „Betriebliche Altersversorgung" gerechtfertigt und gegen die Feststellung, daß es sich hier um weitere Einkünfte der Alterssicherung handelt, zunächst nichts einzuwenden.

Viele Arbeitgeber haben es jedoch geschickt verstanden, statt der eigenen zusätzlichen Zahlung ihre Mitarbeiter zu motivieren, deren Weihnachtsgeld als Bestandteil des Jahreseinkommens dafür zu verwenden. Sie haben in diesem Fall also nur die Funktion des Vermittlers übernommen. Hier wird nun von der Politik, und leider auch von der Rechtsprechung, der entscheidende Fehler gemacht:

Wer als Arbeitnehmer mit eigenen Beiträgen (ohne AG-Anteil) aus dem bestehenden Lohn-/Vertragsverhältnis...
- die Direktversicherung gewählt hatte, wird mit fast 20 %-Abzügen der Auszahlungssumme bestraft, - die Form der Kapitallebensversicherung wählen mußte (z.B. weil der Arbeitgeber sich nicht die bürokratische Arbeit mit der Direktversicherung aufhalsen wollte), bleibt von der Kapitalvernichtung verschont. Selbst dann, wenn der Arbeitgeber einen Großteil der Summe zusätzlich zum Lohn bezahlt hat (!), wie das BSG mit Verkündung vom 05.05.2010 (B 12 KR 15/09 R - K. ./. DAK) urteilte.

Dies ist eindeutiger Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Begriff „betriebliche Altersversorgung" ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Beiträge auch vom Betrieb zusätzlich zum Lohn entrichtet werden.

Wenn der Arbeitgeber aber lediglich Vermittler ist und es sich bei den Einzahlungen ausschließlich um Beiträge des Arbeitnehmers handelt, die aus dem Nettoarbeitsentgelt finanziert und auch bereits mit Krankenversicherungsbeiträgen belastet wurden, wird der Begriff „betriebliche Altersversorgung" ad absurdum geführt. Hier werden Eigenvorsorge und betriebliche Fürsorge in einen Topf geworfen, und von der Politik zum Nachteil der Betroffenen ausgelegt.

Mit dem Hinweis des BVG in der Pressemitteilung vom 15.10.2010, ... „sie ist den betroffenen Versicherten zumutbar, weil der Gesetzgeber berechtigt ist, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen", ... wird um Verständnis für die Mehrbelastung geworben.

Das Verständnis hört aber dann auf, wenn die Beiträge vom Arbeitgeber in eine Kapitallebensversicherung einbezahlt wurden und, wie im Falle des Urteils BSG vom 05.05.2010 (siehe oben) der Arbeitnehmer trotz einer Auszahlungssumme von 430.000 Euro (!) a) keine Abzüge von ca. 20 % an die GKV zahlen muß und b) mit dem geringstmöglichen Beitrag weiterhin Mitglied in der GKV-Gemeinschaft bleibt.

Ist das die Gerechtigkeit, die von der Politik mit dem GMG erreicht werden sollte?

Falls nein, dann korrigieren Sie bitte die bisherige Ausgangslage. Nicht der Versicherungsinhaber ist das Kriterium, sondern: wer hat die Beiträge bezahlt! Nur dies ist das geeignete Kriterium, um beitragspflichtige Versorgungsbezüge und beitragsfreie private Lebensversicherungen voneinander abzugrenzen.

Der Begriff „Betriebliche Altersversorgung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Betrieb auch hierfür die Zahlungen leistet. (...)

Bürger, die nicht dem Staat zur Last fallen wollen, werden immer weiter belastet. Selbst vor einseitigen Vertragsaufkündigungen macht man nicht halt, obwohl eindeutiger Verstoß gegen das Grund-Gesetz (pacta sunt servanda). (...) Bürger, die aus ihrem Lohn Geld für das Alter zurücklegen, werden von diesem Staat dafür bestraft.

Diese Logik kann verstehen wer will; ich verstehe sie nicht, wie die anderen sechs Millionen Betroffenen auch nicht. Ein wesentlicher Grund für die desaströsen Wahlergebnisse; der Politik wird die Gefolgschaft von den Menschen verweigert, die sich „ausgenommen" fühlen.

Wenn diese Politik des Abkassierens so weiter geht, wenn geschlossene Verträge je nach Bedarf ausgehebelt werden, dann werden noch mehr Bürger a) nicht mehr zur Wahl gehen (NRW-Wahl am 09.05. 2010 = 40,7 % !), b) oder Protestwähler werden mit fatalen Ergebnissen, daß dann Andere unser Land regieren, die wir nicht haben wollen. Das Vertrauen in diese Politik schwindet zunehmend, die Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke. Beispiele hierzu sprengen den Rahmen dieses Briefes.

Folgende Feststellung des BVG im Hinblick einer Beitragsbelastung nach Auszahlung der Kapitallebensversicherung verdient besondere Beachtung:

„Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist vorliegend intensiv, weil die Beitragsbelastung mit dem vollen Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung erheblich ist. Ein Umgehungsproblem zulasten der Krankenversicherung der Rentner besteht nicht. Denn der Gesetzgeber des Betriebsrentengesetzes verfolgt mit dem Fortsetzungsrecht des Arbeitnehmers explizit den Zweck, einen Anreiz zur Eigenvorsorge in Ergänzung der betrieblichen Altersversorgung zu setzen."

Kommentar hierzu:
a) Bei Einzahlungen durch den Arbeitgeber in die Kapitallebensversicherung wird festgestellt: „der GKV-Beitrag ist für den Arbeitnehmer erheblich ...
– obwohl von ihm nur wenig oder gar nichts einbezahlt wurde –, somit besteht keine Zahlungsverpflichtung",
gemäß Ausführung oben, ist der rund 20 %ige GKV-Beitrag für Arbeitnehmer, deren Einzahlungen ausschließlich durch eigenen Lohnverzicht erbracht wurden, aber zumutbar!

Diese Logik entbehrt jeder Grundlage und ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die staatlichen Empfehlungen gefolgt sind. Es kann und darf nicht sein, daß aufgrund gleicher Voraussetzungen (hier bei eigenen Beiträgen als Aufwand zur Alterssicherung) Auszahlungen derart konträr behandelt werden. Das Gesetz ausschließlich nur am Arbeitgeber als Vertragsinhaber auszurichten, selbst wenn dieser außer seinem Namen nichts dazu beigetragen hat, ist skandalös und widerspricht jedem gesunden Menschenverstand.
b) Haben Sie die Hoffnung, daß nach derartigen Entscheidungen auch nur noch eine Person die Form der Direktversicherung wählen wird? Eine im Ansatz gute Idee wird damit endgültig zu Grabe getragen.

Auf meinen offenen Brief an alle Bundestagsfraktionen und deren Parteivorstände hat außer der CDU keine der anderen Parteien geantwortet (so einfach macht man sich das, einfach totschweigen). Keine Antwort ist auch eine Antwort, nämlich die, daß dies von der Politik akzeptiert wird ... sonst würde man vehement widersprechen. In welchem Staat leben wir eigentlich? (...)

Definieren Sie die Voraussetzungen für die betriebliche Altersversorgung neu, denn Einzahlungen aus meinem Lohn (ohne AG-Beitrag) haben mit dem Begriff „betriebliche Altersversorgung" überhaupt nichts zu tun. Das geht am Thema völlig vorbei und wird lediglich als zusätzliche Einnahmequelle konstruiert.

Es wird nicht bestritten, daß unser Gesundheitssystem Einnahmen braucht, aber bitte nicht einseitig zu Lasten der Menschen, die jetzt zum Spielball werden zwischen den Begriffen – Direktversicherung mit staatlicher Empfehlung, finanziert mit eigenen Beiträgen (als Dank erneuter GKV-Abzug) und – Kapitallebensversicherung, finanziert durch Arbeitgeberbeiträge (hier kein GKV-Beitrag).

Diese Art der Auslegung ist keine politische Meisterleistung, die Logik in den Gesetzen muß nachvollziehbar sein. (...) Geben Sie den Menschen wieder das Gefühl der Gerechtigkeit zurück, daß – man sich auf staatliche Zusagen verlassen kann, – im Grundgesetz verankerte Rechte eingehalten werden (pacta sunt servanda), – Glaubhaftigkeit nicht nur Wahlversprechen sind. Der Petitionsausschuß hat hier die einmalige Chance, verloren gegangenes Vertrauen zwischen der Politik und seinen Bürger wieder herzustellen. Mehr als sechs Millionen Betroffene warten auf eine positive Entscheidung. Der Dank wird bei den nächsten Wahlen zum Ausdruck kommen.

Mit freundlichen Grüßen
gez.
Edeltraud Debusmann

Link: Direktversicherung: Teilerfolg beim Verfassungsgericht
Quelle: Mail an die Redaktion