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Peter Weiß, CDU und die Rentenversicherung

10.12.2010 - von B. Eicher

Der rentenpolitische Sprecher der CDU, Peter Weiß, reagierte auf ein Schreiben vom Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner. Thema: Die beitragsfremden Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf die Antwort des sogenannten Rentenexperten der CDU nimmt Bernd Eicher vom Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner detailliert und aufschlußreich Stellung.

Sehr geehrter Herr Weiß,
Ihre Mail vom 25.11.2010 haben wir erhalten, vielen Dank dafür. Zufriedenstellen können uns Ihre Aussagen allerdings nicht.

Sie schreiben:
Grundsätzlich ist zu betonen, dass die Datenlage zu den nicht beitragsgedeckten Leistungen in der Rentenversicherung vergleichsweise eingeschränkt ist. Daher lassen sich bezüglich des Volumens dieser Leistungen bestenfalls Orientierungsgrößen angeben. Die entsprechenden Berechnungen sind mit vielschichtigen methodischen Herausforderungen verbunden. Denn
schon wegen des besonderen Charakters der gesetzlichen Rentenversicherung als Sozialversicherung (Versicherungsleistungen verbunden mit zahlreichen Komponenten des
sozialen Ausgleichs), die sich von einer auf dem reinen Versicherungsprinzip beruhenden Privatversicherung unterscheidet, sind Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den beitragsgedeckten
und den nicht beitragsgedeckten Leistungen unvermeidlich.


Es ist nicht nur ein Armutszeugnis, sondern auch ein Skandal, dass die Union seit mehr als 50 Jahren die gRV mit besonderen Aufgaben belastet, und bis heute eine exakte Buchführung über
die Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen verweigert. Wenn man sich auf die Definition des VDR zu den versicherungsfremden Leistungen beschränkt, ist es kein Problem, deren Anteil
in jedem Rentenbescheid festzustellen. Dann gibt es auch keine Abgrenzungsschwierigkeiten.

Es ist für die Rentenversicherten nicht akzeptabel, mit welcher Arroganz sich die Politik erdreistet mit dem Begriff Abgrenzung per Definition versicherungsfremde Leistungen zu regulären Leistungen zu machen. Es ist auch vollkommen inakzeptabel diese ungerechten Zustände in der Rentenversicherung damit rechtfertigen zu wollen, dass es sich hierbei um ein Solidarsystem handelt und mit einem privatrechtlichen Versicherungsverhältnis nicht zu vergleichen ist. Denn:
1.
basiert die Einteilung der Bevölkerung in die unterschiedlichen Altersversorgungssystemen auf vordemokratischen Zeiten (Ständestaat des 19. Jahrhunderts) und verstößt somit, mit den gravierenden Unterschieden, im demokratischen Rechtsstaat
des 21. Jahrhunderts gegen die Verfassung. In diesem Fall gegen Art. 3 GG.
2.
kann die gesetzliche Rentenversicherung gar kein Solidarsystem sein, denn die politischen und gesellschaftlichen Eliten sind nicht beteiligt und Solidarität kann nicht nach politischem Gutdünken geteilt werden.
3.
Die Rechtsprechung des BVerfG zum solidarischen Rentenrecht ist rechtsstaatlich bedenklich, weil sie indirekt eine erhebliche finanzielle Entlastung der unsolidarisch Versicherten bewirkt u.a. von Beamten und Richtern.
Somit findet der von Ihnen angesprochene „soziale Ausgleich“ im Rentensystem nur in der Entlastung des Bundeshaushalts und damit insbesondere von Abgeordneten, Beamten und Richtern, zu Lasten von Arbeitnehmern und Rentnern statt.

Sie schreiben:
Zentrales Ergebnis des Berichts ist, dass die nicht beitragsgedeckten Leistungen im engeren Sinne der seinerzeit aktuellen Höhe der Bundesleistungen in etwa entsprachen, längerfristig aber geringer ausfallen, da viele dieser Leistungen zukünftig nicht mehr gewährt werden (auslaufende Leistungen).

Solange sich die Politik einer sauberen Buchführung verweigert, sind diese Aussagen reine Spekulation (Kaffeesatzleserei), insbesondere weil offen bleibt, in welchem Umfang Politiker in
Zukunft den Haushalt auf Kosten der gRV zusätzlich belasten.

Sie schreiben:
In Anbetracht aller Bundesleistungen (Bundeszuschüsse, Beitragszahlungen und Erstattungen) und vor dem Hintergrund der erwähnten Abgrenzungsschwierigkeiten in der solidarischen
Rentenversicherung, die eindeutige Aussagen erschweren, ist davon auszugehen, dass durch die Bundesmittel die versicherungsfremden Leistungen in etwa abgedeckt sind. Weiterhin sind
die Bundeszahlungen gerade unter dem Aspekt einer sachgerechten Finanzierung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erheblich ausgeweitet worden, insbesondere durch die Einführung des zusätzlichen Bundeszuschusses im Jahre 1998, der Zahlung von
Beiträgen für Kindererziehungszeiten durch den Bund seit 1999 sowie des Erhöhungsbetrags zum zusätzlichen Bundeszuschuss im Jahr 2000.


Die offiziellen Zahlen für 2009 beziffern den Bundeszuschuss auf 38,6 Mrd. Euro, den zusätzlichen Bundeszuschuss auf 18,7 Mrd. Euro, zusammen 57,3 Mrd. Euro. Nach Schätzungen der Bundesregierung werden jedoch 29,1 Prozent der Rentenversicherungsausgaben für versicherungsfremde Leistungen aufgewendet, das heißt 60,4 Mrd. Euro, dazu kommen laut RVBericht 2010 noch 14 bis 15 Mrd. Euro Transferleistungen. Es gibt also nach wie vor ein Defizit zu Lasten der gRV in Höhe von mehr als 17 Mrd. Euro.

Im Übrigen ist es ja wohl ein schlechter Witz, wenn Sie Pflichtbeiträge, die die Bundesregierung zahlen muss und aus denen in Zukunft entsprechende Rentenansprüche entstehen, zusätzlich mit versicherungsfremden Leistungen verrechnen wollen. Das gleiche gilt für die weiteren von Ihnen genannten Positionen. Für eine faire Sachdiskussion sollten Sie die Begriffe sauber
trennen, das heißt auf der einen Seite die versicherungsfremden Leistungen und auf der anderen Seite allein die Zahlungen des Bundes zur Finanzierung dieser Leistungen, die irreführenderweise
„Zuschüsse“ genannt werden.

Sie schreiben:
Der Bund beteiligt sich somit bereits in erheblichen Umfang an der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Derzeit (Werte für 2009) macht der Anteil der Bundeszuschüsse
(allgemeiner Bundeszuschuss, zusätzlicher Bundeszuschuss und Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der knappschaftlichen Rentenversicherung) mit rd. 63,4 Mrd. Euro rd. 25,8 % der
Gesamtausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung aus.

Sie vermischen hier zwei Sachverhalte. Die versicherungsfremden Leistungen belasten ausschließlich die allgemeine RV (Arbeiter- und Angestelltenversicherung), nicht die Knappschaft. Von den 63,4 Mrd. Euro erhält die allgemeine RV also nur 57,4 Mrd. Euro!

Sie schreiben:
Die Funktion der Bundeszuschüsse geht allerdings weit über die Erstattung einzelner Leistungen bzw. Leistungsteile hinaus. Insbesondere gewährleistet der Bund auch die dauerhafte Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung unter sich verändernden wirtschaftlichen, demografischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

In Anbetracht der Fakten betrachten wir auch diese Aussage als einen schlechten Witz, der den Normalbürger wohl über die wirkliche Sachlage hinweg täuschen soll. Im Übrigen verweisen wir nochmals auf die Tatsache, dass die Bundesregierung in der Bundesdrucksache Nr. 16/65 vom 10.11.2005 bestätigt hat, dass die nicht durch Zuschüsse gedeckten versicherungsfremden Leistungen in Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung pro Jahr
65 Mrd. Euro betragen. Das heißt, die Bundesregierung betreibt einen umfangreichen Schattenhaushalt allein zu Lasten von Arbeitnehmern und Rentnern.

Sie sind nunmehr in Ihren Aussagen widerlegt, dass
1.
Steuermittel aus dem Bundeshaushalt an die RV zur „Altersabsicherung“ sind. Sie setzen hiermit die Ausgaben für die Renten mit den Ausgaben der Rentenversicherung gleich und unterschlagen somit die versicherungsfremden Leistungen in Höhe von ca. 30 % der RV-Ausgaben. (Interview Stuttgarter Zeitung vom 03.05.2008).
Sie beeinflussen auch die öffentliche Meinung, in dem Sie eine Subventionierung der RV mit Steuergeldern „für die Renten“ , als finanzielle Belastung der Allgemeinheit der Steuerzahler, zum Nachteil der öffentlichen Wahrnehmung von ca. 20 Mio. Rentnerinnen und Rentner darstellen.
2.
die uns gegenüber gemachten Aussagen vom 03.06.2008, die versicherungsfremden Leistungen seien voll durch den Bundeszuschuss gedeckt und dies Ihnen von der Rentenversicherung nochmals bestätigt.

Sie schreiben selber, dass die Datenlage zu den versicherungsfremden Leistungen eingeschränkt und bestenfalls Orientierungsgrößen angeben. Auf dieser Basis, in Ihrer
Position als MdB und rentenpolitischem Sprecher der CDU, von voller Abdeckung durch den Bundeszuschuss zu sprechen, halten wir für verantwortungslos.


Ebenso kann Ihnen die RV 2008 nicht betätigt haben, dass die versicherungsfremden Leistungen voll durch den Bundeszuschuss gedeckt sind. Dies ergibt sich aus dem Redebeitrag des Präsidenten der Deutschen Rentenversicherung auf der Bundesvertreterversammlung am 24.06.2010 in Frankfurt. Er bestätigte, dass die Bundeszuschüsse nicht ausreichend sind und bezog sich dabei auf eine Abschätzung aus 2004 und einer jüngsten Aktualisierung dieser Abschätzung mit gleichem Ergebnis. Dazwischen (2008) kann Ihnen die RV nichts anderes bestätigt haben. Sollten Sie jedoch widererwartend im Besitz einer solchen Bestätigung sein bitten wir Sie uns diese zukommen zu lassen.

Ihre falschen Tatsachenbehauptungen sind eine Gering- und Missachtung der Rentenbeitragsleistung und damit eine Verächtlichmachung und Herabwürdigung der Lebensleistung der
Rentnerinnen und Rentner
, welche in ihrem Arbeitsleben den Generationenvertrag erfüllten. Damit reden Sie letztendlich einem Generationenkonflikt das Wort, der zum Unfrieden von Jung und Alt führt.

Wir bedauern, dass Sie die inhaltlich falschen Aussagen nicht zurücknehmen und in der Öffentlichkeit richtig stellen. Und wir stellen fest, dass Sie die Öffentlichkeit zur Rentensituation
weiterhin falsch unterrichten.

So haben Sie bei der Bundestagsdebatte am 02.12.2010 zum Thema Überleitung von DDR-Rentenrecht u.a. in Ihrem Redebeitrag zum Rentenüberleitungsgesetz gesagt „…es war und ist eine großartige Solidarleistung der Deutschen.“

Wahr ist jedoch, dass diese „großartige Solidarleistung“ in der Rentenversicherung nur von den solidarisch Rentenversicherten erbracht werden musste, und nicht von „allen“ Deutschen, wie z.B. Beamten und Richtern in den unsolidarischen Parallelsystemen.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Eicher
Stellvertretender Vorsitzender
Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner e.V.

Link: Anrechnung v. Schul- und Studienzeiten: Willkür
Quelle: Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner e.V.