Diskriminierung melden
Suchen:

LAG Hamburg: Bewerbung braucht individuelle Merkmale

06.07.2011 - von Hanne Schweitzer

Zwei Urteile Hamburger Gerichte lassen jeden fassungslos nach Worten suchen, der sich mit den Thema Altersdiskriminierung befasst.

Am 15. Dezember 2010 entschied das Arbeitsgericht Hamburg:
"Die Tatsache, dass die Beklagte durch die Gestaltung des elektronischen Bewerbungsformulars die Angabe "Frau/Herr" sowie die Angabe des Geburtsdatums vorgegeben hat, ist kein Indiz im Sinne des § 22 AGG für eine Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Geschlechtes oder ihres Alters.

Geschlecht und Geburtsdatum dienen bislang in Deutschland üblicherweise neben den Namen der Person der möglichst unverwechselbaren Bezeichnung der Identität der Person, wie sich z. B. auch daraus ergibt, dass die entsprechende Angaben in dem in den Staaten der Europäischen Union verwendeten Passformular vorgeschrieben sind. Die Angabe "Frau/Herr" dient, wie sich auch bereits aus dem von der Beklagten vorgegebenen Bewerbungsformular selbst ergibt, im Übrigen auch der Ermöglichung der in Deutschland üblichen korrekten Anrede als "Frau" oder "Herr".

Dass die vorstehend geschilderten bislang in Deutschland bestehenden Übungen Ausdruck bzw. Mittel zum Zweck einer Diskriminierung wären, kann die Kammer nicht erkennen." Aktenzeichen 26 Ca 260/10:

Am 16. 6. 2011 begründet das Landesarbeitsgericht Hamburg seine Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags für die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts:
"Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, die nach § 114 ZPO für Bewilligung von PKH erforderlich ist. Die Klägerin stützt ihren Entschädigungsanspruch darauf, dass in der Onlinebewerbung Angaben zu Alter, Geschlecht und Nationalität gemacht werden konnten oder sollten.

Das ist kein ausreichendes Indiz für eine Diskriminierung, erst recht nicht für eine multiple. Jeder Mensch verfügt zwangsläufig über alle diese Merkmale, die zusammen mit einer Fülle der anderen Merkmale kennzeichnend für seine Person sind.

Für eine Bewerbung ist es selbstverständlich erforderlich, die Merkmale zu kennen, die Person individualisieren. Von keinem der erfragten Merkmale ist erkennbar, dass es auf eine Diskriminierung hindeutet.

Das Alter ist für Personalstruktur des Unternehmens wichtig, das Geschlecht für die Frauenförderung und die Herkunft für die Frage, ob ggf. eine Arbeitserlaubnis erforderlich ist. Ferner kann auch die Frage der Herkunft für Personalstruktur des Unternehmens eine Rolle spielen. Auch nur hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass bei der Entscheidung zulasten der Klägerin eine Ablehnung wegen der Diskriminierungsmerkmale erfolgt ist, sind nicht ersichtlich. Es ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, dass diese im Motivbündel der Ablehnung irgendeine Rolle spielten."

Im Juli 2011 erklärte das Bundesarbeitsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg, in welchem die Pflichtabfrage des Alters im Bewerbungsformular für korrekt erklärt wurde, für unstatthaft.

Die Klägerin hat nun Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Fragen:
Lässt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes anonymisierte Bewerbungsverfahren aus Jux und Dollerei testen? (Link)

Rügte Ex-EU-Kommissar Spidla die Bundesagentur für Arbeit, wegen ihrer zwangsweisen Erhebung von Merkmalen der Arbeitssuchenden im Online-Formular, weil er gerade nichts Besseres zu tun hatte?(Link)

Leben britische, US-amerikanische oder irische Gesetzgeber auf einem anderen Stern, weil Sie keine Altersangaben im Bewerbungsverfahren erlauben?

Link: Stellensuche nur mit Altersangabe möglich…
Quelle: AG + LAG Hamburg, BAG