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Bremen: E-Mobile + Rollatoren werden entsorgt

13.10.2011 - von Martin Korol

Haarsträubende Verschwendung kann man nennen, was Martin Korol in der Zeitschrift Durchblick über den Umgang der AOK Bremen/Bremerhaven mit nicht mehr benötigten Elektro-Mobilen, Gehböcken und Rollatoren schildert. Und das, während andere Kassen sich sträuben, Treppensteigehilfen zu genehmigen!

Hier der Text aus dem Durchblick:
Frau D. (66) ist meine Nachbarin. Sie war lange Zeit gehbehindert und hatte von der Krankenkasse einen Gehbock, einen Rollator und ein E-Mobil bekommen. Tolle Erfindungen! Nun ist sie glücklich operiert und kann wieder gehen. Weil ihre Gehhilfen nicht mehr gebraucht werden, Platz wegnehmen und noch gut erhalten sind, versuchte Frau D., sie der Krankenkasse bzw. dem medizinischen Warenhaus, das sie im Auftrag der Krankenkasse vertreibt, zurückzugeben.

Das gelang ihr nicht. Gehbock und Rollator warf sie weg. Das E-Mobil, das praktisch neu ist, weil nur wenige Stunden
gefahren, bat sie mich für sie zu verkaufen oder notfalls zu verschenken.

Ich bin auf den Weser Kurier abonniert und kann dort einmal die Woche gratis eine Anzeige aufsetzen. Neun Mal inserierte ich das gute Stück. Vergeblich. Ich war zunächst ratlos. Ein E-Mobil für 450 Euro (Verhandlungsbasis) und niemand ruft an? Da stimmt doch etwas nicht.

In der Tat! Des Rätsels Lösung ist: Die medizinischen Warenhäuser verkaufen lieber neue Geräte, als alte Geräte wieder einzusammeln, zu überprüfen, verkaufsfertig zu machen und gehbehinderten Kunden der Krankenkasse zur Verfügung zu stellen. Da ist die Gewinnspanne weit höher.

Die AOK hat allein in Bremen 235.000 Kunden. Wie viele E- Mobile mag sie wohl jährlich genehmigen und lässt sie ausgeben? 100? 1.000? Ich weiß es nicht, aber nehmen wir das einmal an, um eine Vorstellung von der Summe Geldes zu bekommen, um die es geht. Ein E-Mobil kostet rund 2.000 €. Das wären rund 2 Millionen € pro Jahr allein für die Ausgabe von E-Mobilen!

Verstirbt ein Kunde der AOK oder wird er, wie Frau Deters, wieder gesund, könnte das E-Mobil wieder anderen Patienten zur Verfügung gestellt werden. Das wäre wirtschaftlich und vernünftig. Dem ist offenbar nicht so.

Bei der Senatorin für Gesundheit ist ein Mitarbeiter nur für die AOK Bremen zuständig. Ihn bat ich am 1. Juli d.J., mir zwei Fragen zu diesem Thema zu beantworten :

„1. Wie viele E-Mobile hat die AOK in 2010 mit welchem Kostenteil insgesamt und im Durchschnitt an ihre Versicherten ausgegeben bzw. über die Medizinischen Warenhäuser ausgeben lassen, a) in Eigentum übergehend, b)
leihweise?

2. Wie viele der geliehenen E-Mobile mit welcher Laufzeit kamen 2010 zurück, weil die Nutzer verstorben oder gesundet waren, und wie hoch war der Ertrag dieser
Gebrauchtgeräte einschließlich Transport, Instandsetzung und Wartung?“

Am 16. August antwortete mir der angesprochene Mitarbeiter wie folgt: „Zwischenzeitlich hat mir die AOK Bremen/Bremerhaven mitgeteilt, dass eine Auswertung der dort vorliegenden Daten hinsichtlich der von Ihnen aufgeworfenen Fragen nicht möglich sei. Gleichzeitig wies die AOK Bremen/Bremerhaven darauf hin, dass sie die Versorgung mit E-Mobilen bestmöglich durchführe. Dieses sowohl unter dem Aspekt der Kundenzufriedenheit, als auch der Wirtschaftlichkeit.

Ich bedaure, Ihnen keine detaillierte Antwort auf Ihre Fragen geben zu können und weise in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin: Die Führung der Aufsicht über einen
Träger der Sozialversicherung unterliegt u. a. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach diesem Grundsatz hatte ich die AOK Bremen/ Bremerhaven um Beantwortung der von Ihnen gestellten Fragen gebeten, soweit dies ohne großen Verwaltungsaufwand möglich sei. Um darüber hinaus gehend auf einer Ermittlung der notwendigen Daten ohne Rücksicht auf den damit verbundenen Aufwand zu bestehen,
hätte es eines anlassbezogenen Grundes bedurft. Einen derartigen Grund, der zudem den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit entsprochen hätte, habe ich in Ihrer Anfrage nicht erkennen können. Dies gilt
umso mehr, als mir aus eigener Kenntnis bekannt ist, dass die AOK Bremen/Bremerhaven bei der Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln auf ein Versorgungsmanagement
zurückgreifen kann, das Aspekte der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt.“

Da dachte ich so bei mir: Du hast die AOK, die medizinischen Warenhäuser und die Behörde verdächtigt, dass sie recht sorglos mit den Geldern von uns – zumeist älteren – Bürgerinnen/Bürgern umgehen. Nun stellt ein
Beamter, der den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als die AOK zu kontrollieren, fest, er habe den Eindruck, dass das alles rechtens und in Ordnung sei. Das sollte mich beruhigen.

Tut es aber nicht. Bin ich zu misstrauisch?!

(Antwort der Durchblick-Redaktion: NEIN! Von anderer Stelle wird sicher keine weitere Antwort kommen. Hinweis der Redaktion: Die Namen der Beteiligten und die behördliche Dienststelle sind der Redaktion bekannt.)

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Als wir in Köln den von Frau M. nicht mehr benötigten Rollator endlich aus dem Keller haben wollten, kam nach einem Anruf bei der AOK ein Transportdienst, und holte ihn ab. Die AOK-Mitarbeiterin hatte zuvor am Telefon gesagt, wenn der Rollator nicht zurückgegeben würde, hätte Frau M. auch in späteren Jahren, wenn sie vielleicht wieder einen Rollator benötigen würde, darauf keinen Anspruch mehr und müsse ihn auf eigene Kosten kaufen. HS

Link: Treppensteigehilfen f. Rollstuhlfahrer - Kassen sagen nein…
Quelle: Durchblick, 10. 2011

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