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Sind junge Kolleginnen bessere Teamplayerinnen?

Whittier, Californien 2012 Foto: H.S.

Österreich - 07.08.2013 - von Gleichbehandlungsanwartschaft

Die 50-jährige Frau B wird auf Grund ihrer Qualifikation und Arbeitserfahrung als Marktmitarbeiterin in der neu eröffneten Filiale eines Handelsunternehmens aufgenommen. Bald stellt sie fest, dass die Marktleiterin M. ihre jüngeren Kolleginnen sowohl persönlich, als auch dienstlich bevorzugt. Diensteinteilungs- und Urlaubsanliegen von Frau B und ihren Kolleginnen fortgeschrittenen Alters bleiben hingegen meist unberücksichtigt. Die Bemühungen von Frau B. um ein besseres Arbeitsklima bleiben erfolglos. Durch die ständige Benachteiligung psychisch stark belastet, muss sich Frau B. in Krankenstand begeben. Während ihres Krankenstandes erhält sie die schriftlicheKündigung.

Situation
Frau B. arbeitet als Marktmitarbeiterin in einem Handelsunternehmen und wird in einem Tätigkeitsbereich eingesetzt, in dem sie lange Berufserfahrung mitbringt und bald Erfolge erzielt.

Nach einiger Zeit muss Frau B. jedoch feststellen, dass ihre Vorgesetzte, die Marktleiterin M., ihre jüngeren Kolleginnen, die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, bevorzugt. Mit diesen pflegt die Marktleiterin einen freundschaftlichen Umgang und bietet ihnen schnell das Du-Wort an, während sie die über 50-jährigen Arbeitnehmerinnen, zu denen auch Frau B. zählt, weiterhin mit „Sie“ anspricht. In Gespräche der Marktleiterin M. mit den jüngeren Kolleginnen im Aufenthaltsraum wird die Gruppe der älteren Arbeitnehmerinnen nicht eingebunden. Dieses Verhalten geht so weit, dass Frau M. Frau B. letztlich gar nicht mehr grüßt. Frau B. fällt aber auch auf, dass die Marktleiterin auf Wünsche der jüngeren Mitarbeiterinnen betreffend die Einteilung der Dienstpläne und Urlaube häufig eingeht. Den Diensteinteilungs- und Urlaubswünschen von Frau B. und den Kolleginnen ihres Alters begegnet Frau M. hingegen meist ablehnend. Bei Frau B. und ihren gleichaltrigen
Kolleginnen verfestigt sich das Gefühl einer massiven Ungleichbehandlung durch ihre Vorgesetzte M. Sie haben den Eindruck, dass diese die Arbeitsleistung der älteren
Kolleginnen nicht wahrnimmt und nicht anerkennt.

Zu Weihnachten erhalten die jungen Kolleginnen von Frau M. Gutscheine. Die älteren Mitarbeiterinnen, auch Frau B., sind in diese feierliche Übergabe nicht eingebunden. Eine der älteren Kolleginnen erfährt durch Zufall von diesem Geschenk und erkundigt sich nach den Feiertagen bei der Vorgesetzten. Ihr wird mitgeteilt, dass sie sich die Gutscheine selbst aus dem Büro hätten nehmen können.

Besonders belastend wird die Situation für Frau B., als sie aus ihrem ursprünglichen Tätigkeitsfeld abgezogen und zur Regalbetreuung eingeteilt wird. Frau B. sucht mehrmals das Gespräch mit ihrer Vorgesetzten, um den Grund für diese Schlechterstellung in Erfahrung zu bringen. Frau M. ist aber nicht bereit, darüber zu reden.

Da die Zusammenarbeit mit Frau M. für Frau B. immer schwieriger wird, bittet Frau B. bei ihrem Gebietsleiter um eine Reduzierung ihrer Wochenarbeitszeit. Trotz reduzierter Arbeitszeit wird Frau B. aber von der Marktleiterin weiterhin an fünf Wochentagen zum Dienst eingeteilt. Die gewünschte Entlastung für Frau B. bleibt daher aus. Weitere Unterstützung erhält sie auch vom Gebietsleiter nicht. Auf Grund der starken psychischen Belastung sucht Frau B. in ärztliche und psychologische Hilfe und wird krankgeschrieben.

Sie kann ihre Arbeit zwar zunächst wieder aufnehmen, muss sich aufgrund der belastenden Arbeitssituation aber erneut in Krankenstand begeben. Während des zweiten Krankenstandes erhält Frau B. die Kündigung. Auf Wunsch von Frau B. und mit Unterstützung der Betriebsrätin wird die Kündigung in eine einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses umgewandelt. Zeitnahe werden drei weitere Kolleginnen gekündigt, die über 50 Jahre alt sind.

Verlauf der Beratung / des Verfahrens
Da sich Frau B. auf Grund ihres Alters diskriminiert fühlt,
wendet sie sich zur Beratung und Unterstützung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Auf Wunsch von Frau B. richtet die
Gleichbehandlungsanwältin ein Interventionsschreiben an die Geschäftsführung des Handelsunternehmens, in dem auf die vermutete Diskriminierung von Frau B. auf Grund ihres Alters bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und bei der Beendigung ihres
Arbeitsverhältnisses hingewiesen wird. In der Stellungnahme des Unternehmens weist die Geschäftsführung die Vermutung einer Diskriminierung zurück: Es sei nie eine bestimmte.Altersgruppe bevorzugt oder benachteiligt worden. Einen anderen kündigungsrelevanten Grund bringt das Unternehmen allerdings auch nicht.vor. Über Vermittlung der Gleichbehandlungsanwaltschaft findet ein Vergleichsgespräch zwischen Frau B. und VertreterInnen des Unternehmens statt, bei dem aber keine Einigung erzielt werden kann.

Die Gleichbehandlungsanwältin bringt schließlich ein Verlangen auf Überprüfung des Vorliegens einer Altersdiskriminierung von Frau B. bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Gleichbehandlungskommission ein. In ihrem Prüfungsergebnis stellt die Gleichbehandlungskommission eine Diskriminierung auf Grund des Alters bei den Arbeitsbedingungen durch das Handelsunternehmen fest.

Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt die Gleichbehandlungskommission keine Diskriminierung fest. Die Kommission geht davon aus, dass nicht das Alter von Frau B., sondern ihre Krankenstände, ihre Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation und das schlechte Verhältnis zu ihrer Vorgesetzten zur Kündigung geführt haben. Hinsichtlich der
Arbeitsleistung von Frau B. kommt es im Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission zu widersprüchlichen Aussagen durch verschiedene Personen aus dem Unternehmen. Der einzige klare Vorwurf, der ihr gemacht wird, lautet: Frau B. sei einfach keine „Teamplayerin“ gewesen!

Nach Abschluss des Kommissionsverfahrens kann die Gleichbehandlungsanwaltschaft einen Vergleich mit einer Entschädigungszahlung in Höhe von € 2000,- für Frau B. erreichen.

Analyse aus Sicht der Gleichbehandlungsanwaltschaft
Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) schützt vor Diskriminierungen auf Grund des Alters in der Arbeitswelt (§ 17 Abs 1 GlBG). Benachteiligungen sind daher auch bei den Arbeitsbedingungen und bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses verboten (§ 17Abs 1 Z 6 und Z 7 GlBG).

Wird eine Diskriminierung bei den Arbeitsbedingungen festgestellt, hat der jeweiligeArbeitgeber oder die Arbeitgeberin durch Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen einen diskriminierungsfreien Zustand herzustellen oder Ersatz des Vermögensschadens (materieller Schadenersatz) und eine angemessene Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung (immaterieller Schadenersatz) an die diskriminierte Personzu leisten (§26 Abs 6 GlBG). Ist das Arbeitsverhältnis von Arbeitgeberin oder Arbeitgeber wegen des Alters einer Person gekündigt worden, so kann die Kündigung bei Gericht angefochten werden. Lassen ArbeitnehmerInnen die Kündigung gegen sich gelten, so haben sie Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine angemessene Entschädigung für die durch die Diskriminierung erlittene Beeinträchtigung (§ 26 Abs 7 GlBG).
Benachteiligungen bei den sonstigen Arbeitsbedingungen können verschiedenste Formenannehmen: Mangelnde Wertschätzung, Mobbinghandlungen, Betrauung mit Hilfstätigkeiten oder unangenehmen, wenig angesehenen (Zusatz-) Aufgaben, Abschneiden von Information oder interner Kommunikation, ungerechtfertigte, ständigeKontrollen der Arbeitsleistung, eine verschlechtern
de Versetzung, und vieles mehr.

Auch bei Diensteinteilung und Urlaubswünschen ist auf einen sachlichen Ausgleich zwischen allen Mitarbeiterinnen zu achten. Bevorzugt eine Vorgesetzte bei der Dienst-und Urlaubseinteilung die jüngeren Mitarbeiterinnen, während die Wünsche der älteren
Kolleginnen unberücksichtigt bleiben, stellt dies eine Diskriminierung aus Gründen des Alters dar, die im vorliegenden Fall noch dadurch verstärkt wurde, dass Frau B. aus der Abteilung, der sie auf Grund ihrer fachlichen Eignung ursprünglich zugeteilt wurde, abgezogen und für Regalbetreuung eingesetzt wurde.

Aus Sicht der Gleichbehandlungsanwaltschaft hätten folgende Gründe für das Vorliegen einer Diskriminierung aus Gründen des Alters auch bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesprochen: Die Marktleiterin M. hat nach den vorliegenden
Informationen Einfluss auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Frau B gehabt.
Drei Kolleginnen wurden etwa zur gleichen Zeit gekündigt, die alle über 50 Jahre alt waren und sich wie Frau M. bei den Arbeitsbedingungen benachteiligt gefühlt haben.
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Die österreichische Gleichbehandlungsanwaltschaft stellt jeden Monat einen "Fall des Monats" aus ihrer Arbeit vor. Der obige ist Fall des Monats Juli 2013. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist eine staatliche Einrichtung zur Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung in Österreich. Sie unterstützt Menschen, die sich aufgrund des Alters, der sexuellen Orientierung, der Religion oder Weltanschauung, der ethnischen Zugehörigkeit und des Geschlechts diskriminiert fühlen, in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin und vor der Gleichbehandlungskommission. Die Beratungen sind vertraulich und kostenlos. Informationen zur Gleichbehandlungsanwaltschaft finden sich unter www.gleichbehandlungsanwaltschaft.at.

Link: Österreichische Gleichbehandlungsanwaltschaft
Quelle: Gleichbehandlungsanwartschaft

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