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Bayerisches Fernsehen: Hilfe, Opa will Auto fahren

Vinales, 2009 Foto: H.S.

26.05.2015 - von F.J.W.

Schon wieder diese Altersdiskriminierung im Fernsehen durch die pauschale Behauptung, alte Menschen seien eine Gefahr im Strassenverkehr und wieder mit bösartiger Stimmungsmache ("Geisterfahrer auf der Autobahn, Fahrerflucht nach dem Streifen von parkenden Autos, Auffahrunfälle an roten Ampeln").

[bWas an Fakten geliefert wurde, war eher geeignet,
die Behauptung zu ]widerlegen[/b].
Drei Personen haben sich einem Reaktionstest unterzogen: ein altes Ehepaar und die Moderatorin, eine junge Frau. Bestanden hat den Test die ältere der beiden Frauen, nicht bestanden hat der ältere Mann und die junge Frau! Will man diesen Versuch überhaupt als repräsentativ betrachten, so lässt sich daraus allenfalls entnehmen, was der Realität entspricht, dass nämlich das Unfallrisiko bei alten Menschen nicht höher ist als bei jüngeren Menschen.

Wenn die Moderatorin fragt, warum nicht mehr alte Menschen von der Möglichkeit Gebrauch machen, sich einem Test zu unterziehen, so könnte sie die Antwort in ihrer eigenen Sendung finden: welcher alte Mensch mag sich einem Verkehrssicherheitstest unterziehen, wenn er damit rechnen muss, dass ihm dort mit solchen bösartigen Vorurteilen begegnet wird. Wenn schon solche Tests, dann für alle Altersstufen!

Wer von der Benützung des eigenen Autos ausgeschlossen wird, dem wird nicht nur ein Stück Lebensqualität genommen, er wird in vielen Fällen geradezu vom Leben ausgeschlossen. Das scheinen die Verantwortlichen für solche Sendungen nicht zu sehen. Anders ist die Leichtfertigkeit nicht zu erklären, mit der versucht wird, das Vorurteil unter die Leute zu bringen, alte Menschen seien eine grössere Gefahr für den Strassenverkehr als junge Menschen.
Mit freundlichen Grüssen
F.J.W.
(per Mail gesendet an Frau S. in der Redaktion Geschichte und Gesellschaft beim Bayerischen Fernsehen als Kommentar zur Sendung vom 27.4.2015: „Achtung: Senioren am Steuer!?“ )

Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Mail zur Sendung „Achtung: Senioren am Steuer!?“ Ihre Meinung ist uns wichtig. Zunächst bedauern wir es außerordentlich, dass die Sendung bei Ihnen nicht gut ankam. Unser Anliegen war es keineswegs, die älteren Verkehrsteilnehmer vorzuführen. Vielmehr wollten wir gerade die Belange der älteren Verkehrsteilnehmer ernst nehmen und auf sie eingehen. Wir sind auch nicht der Meinung, dass unsere Berichterstattung tendenziös ist, sondern journalistisch korrekt und ausgewogen. Wir möchten in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass wir z.B. gleich zu Beginn der Sendung deutlich sagen, dass die Hauptrisikogruppe immer noch die jungen Verkehrsteilnehmer sind. Allerdings erwähnen wir auch, dass diese Gruppe nicht so schnell wächst wie die der älteren. Der demografische Wandel bringt das mit sich und der ist unserer Meinung nach durchaus eine Sendung wert - auch unter verkehrspolitischem Gesichtspunkt. Genauso wie es wichtig ist, über jugendliche Raser und über Alkohol am Steuer zu berichten – was wir im Bayerischen Fernsehen ja immer wieder tun, übrigens auch seitens unserer Redaktion. Besonders ist uns an dieser Stelle wichtig, unsere Moderatorin in Schutz zu nehmen. Wir sind der Meinung, dass Vivian Perkovic mit ausgesprochen viel Empathie und Herzlichkeit auf Menschen jeglicher Herkunft eingeht – unabhängig von deren Alter. Sie pflegt, wie wir finden, dabei einen ausgesprochen humorvollen und trotzdem respektvollen Umgang mit ihrem Gegenüber. Umso mehr, als sie selbst Mut zu (!)Lücke beweist, indem sie den Zuschauern ihr eigenes Scheitern am Fahrsimulator nicht verheimlicht.

Natürlich ist es immer schwierig, allen Zuschauern gerecht zu werden – und erst recht ist es ein undankbares Geschäft, sie mit unangenehmen Wahrheiten zu konfrontieren. Das ist allerdings der Anspruch einer Sendung, die den Namen „Jetzt-mal-ehrlich“ trägt. Ich hoffe, Sie können bei anderen Themen, die unser Format behandelt, dies zuweilen auch als einen Gewinn betrachten. Wir würden uns jedenfalls sehr freuen, wenn Sie trotzdem wieder bei uns einschalten und laden Sie dazu recht herzlich ein.
Mit freundlichen Grüßen
T. S.
Bayerisches Fernsehen

Sehr geehrte Frau S.,
für Ihre rasche und ausführliche Stellungnahme zu meiner eMail vom 28. April sei Ihnen gedankt, wenn sie an meiner Kritik leider auch völlig vorbeigeht. Lassen Sie mich diese Kritik an den Worten festmachen, mit denen Ihre Sendung im Programm angekündigt worden ist: Sie lauten:

"Hilfe, Opa will noch Autofahren! - Geisterfahrer auf der Autobahn, Fahrerflucht nach dem Streifen von parkenden Autos, Auffahrunfälle an roten Ampeln: Nicht selten stecken Senioren als Verursacher hinter solchen Meldungen. Tatsächlich steigt mit dem 75. Lebensjahr das Unfallvorkommen älterer Verkehrsteilnehmer deutlich an. Am Problembewusstsein dafür scheint es bei den Verantwortlichen allerdings zu mangeln: Mehr als zwei Drittel der über 65-Jährigen besitzen noch ihren Führerschein und machen davon auch Gebrauch. Jeder Dritte setzt sich fast täglich hinters Steuer. Die freiwillige Rückgabe des Führerscheins - eine Seltenheit! Sind ältere Verkehrsteilnehmer nicht in der Lage, ihre Fahrtüchtigkeit richtig einzuschätzen?"

Schon die einleitenden Worte erinnern an die Respektlosigkeiten, die sich alte Menschen in Krankenhäusern und Heimen gefallen lassen müssen, wenn sie nicht mehr mit Namen angesprochen werden, sondern nur noch mit "Alter" oder "Opa". Es werden Einzelfälle in den Vordergrund gestellt, in denen alte Menschen schwere Verkehrsunfälle verursacht haben. Man hätte ebenso gut andere Einzelfälle vorführen können, in denen junge Menschen ähnliche Verkehrsunfälle verursacht haben, oder auch andere Einzelfälle, in denen alte Menschen durch geistesgegenwärtiges Handeln Verkehrsunfälle verhindert haben. Solche Einzelfälle beweisen garnichts. Mehr als solche Einzelfälle haben Sie aber offenbar nicht, um Ihre Unterstellung zu belegen, "ältere Verkehrsteilnehmer (seien) nicht in der Lage, ihre Fahrtüchtigkeit richtig einzuschätzen?" Wenn Sie diese Vorgehensweise tatsächlich für "journalistisch korrekt und ausgewogen" halten, dann schlage ich vor, den BR-Intendanten Ulrich Wilhelm um seine Meinung dazu zu befragen. Es würde mich sehr interessieren, ob er der gleichen Meinung ist.

Es besteht auch überhaupt kein Anlass, Ihre Moderatorin in Schutz zu nehmen. Wogegen denn? Sie hat - wie Sie selbst betonen und worin ich Ihnen zustimme - Mut bewiesen, wenn sie selbst an dem in der Sendung durchgeführten Reaktionstest teilgenommen hat. Entscheidend war im Zusammenhang Ihrer Sendung das Ergebnis dieses Tests, auf das ich nachdrücklich hingewiesen habe: von den drei Teilnehmern haben zwei nicht bestanden, nämlich die junge Frau und der alte Mann. Das spricht jedenfalls gewiss nicht für Ihre Behauptung, alte Menschen seien gefährlichere Autofahrer als junge Menschen. Haben Sie irgendwelche belastbaren Belege für diese Behauptung? Bitte geben Sie mir eine konkrete Antwort auf diese Frage!
Mit freundlichen Grüssen
F.J.W.

Link: Bayerischer Rundfunk: Die Jungen sollen bluten
Quelle: Mail an die Redaktion