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ADBs NRW: Stellungnahme zum AD-Gesetzentwurf

05.01.2005 - von Susanne Laaroussi

Mit gut einem Jahr Verspätung hat die Bundesregierung einen Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vorgelegt. Besser spät als nie, denn Deutschland ist
eines der wenigen Länder der Europäischen Union, die mit der Umsetzung der EU-Richtlinien gegen Diskriminierung in erheblichen Verzug geraten sind.

Die Antidiskriminierungsbüros in Nordrhein-Westfalen begrüßen, dass der Gesetzentwurf die Bereiche Arbeits- und Zivilrecht in einem Gesetz zusammenfasst sowie alle Diskriminierungsmerkmale der EU – Richtlinien und zwar „Rasse“, ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Identität, Alter, Behinderung, Religion und Weltanschauung grundsätzlich auch einem zivilrechtlichen Schutz unterstellt.

Der Gesetzentwurf war allerdings noch nicht einmal öffentlich gemacht und schon wetzten die einflussreichen Gegner alte Messer, die bereits vor zwei Jahren einen solchen Entwurf gekippt hatten. Die Speerspitze ist der vermeintliche „Angriff auf die Vertragsfreiheit“. Privatautonomie in der von den Gegnern eines ADG gewünschten Reinform gibt es allerdings seit Bismarcks Zeiten nicht mehr. Seit der Existenz des Grundgesetzes ist die Ausübung der Privatautonomie durch die sozialstaatlichen Grundrechtspositionen begrenzt. Gerade in Zeiten der Globalisierung ist eine Domestizierung der Vertragsfreiheit im sozialen und gesellschaftlichen Interesse notwendig.

In diesem Sinne greift ein Antidiskriminierungsgesetz nicht in die Privatautonomie
ein. Es trägt lediglich zu einem Ausgleich von vorhandenen Ungleichgewichten in der Gesellschaft bei. Ein Antidiskriminierungsgesetz bedeutet daher nicht das Ende der Privatautonomie. Es verhilft vielmehr bestimmten Personen überhaupt erst dazu, ihrerseits ihre Handlungsfreiheit ausüben zu können, indem ihnen der Zugang zu Diensten und Gütern oder zu Arbeit erst mal ermöglicht wird. Kurioserweise erwähnen die meisten Kritiker nicht, dass es bei dem ADG um die Umsetzung von EU-Richtlinien geht, die der Gesetzgeber längst in deutsches Gesetz hätte übertragen müssen – so wie alle anderen EU-Mitgliedsstaaten, inklusive Beitrittsländer. Schließlich ist es auch nicht verwunderlich, dass mit keinem Wort von den Menschen gesprochen wird, die durch das Gesetz geschützt werden sollen, so als ob es sich um insignifikante Randgruppen handele.

Durch diese massive Lobby-Intervention und Panikmache haben die Gegner des Gesetzes allerdings schon einiges erreicht. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, des Alters, einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung wird nur bei „Massengeschäften“ geahndet, wie z. B. Angebote von Kaufhäusern, Restaurants und Versicherungen. Der Gesetzentwurf enthält zudem eine Reihe von Ausnahmereglungen vom Diskriminierungsverbot.

Jede Diskriminierung, auch die aus „Gründen der Rasse“ und wegen ethnischer Herkunft, bleibt zulässig, wenn ein „besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis“ besteht, z.B. wenn der Vermieter oder seine Verwandten Wohnraum auf demselben.Grundstück nutzen. Weiterhin sollen „sachlich gerechtfertigte Differenzierungen“ möglich sein, wie altersspezifische Angebote von privatrechtlichen Versicherungen.

Der Entwurf sieht vor, dass Verbände als Bevollmächtigte und Beistände Benachteiligter vor Gericht auftreten können. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine echte Verbandsklage, so dass die gerichtliche Überprüfung von Missständen immer nur anhand einzelner, personenbezogener Fälle durchgeführt werden kann.

Die echte Verbandsklage, wie beispielsweise bereits im Gleichstellungsgesetz für Behinderte verankert, wäre allerdings wichtig, damit das Gesetz in der Praxis greift und Verbände gegen Regelungen, die sich strukturell diskriminierend auswirken,vorgehen können. Dies würde allerdings nicht die pathetisch herbei geschworene „Prozessflut“ auslösen. Das zeigt bereits die Praxis: Im Rahmen des § 611 des BGB zur Geschlechtergleichstellung und des Gleichstellungsgesetzes für Behinderte waren die Klagen bislang übersichtlich – von Prozessflut keine Rede.

Der in der Gesellschaft häufig auftretenden Diskriminierung zwischen Privatpersonen wird in dem Gesetzentwurf nicht Rechnung getragen. Hierzu ist eine Differenzierung und Spezialisierung des Beleidigungs- und Volksverhetzungstatbestandes im Strafgesetzbuch dringend erforderlich. Die rechtlichen Möglichkeiten gegen derartige Rechtsverletzungen vorzugehen, sind nach bisherigem Recht noch völlig unzureichend. Auch der Bereich Schule, in dem Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft auf der Tagesordnung steht, wird im Gesetzentwurf nicht geregelt, obwohl von den EU – Richtlinien gefordert.

Umfassender Diskriminierungsschutz dient auch der Freiheit. Menschen, die strukturell ausgegrenzt werden, sind auf die zivilisatorische Kraft des Rechts angewiesen. Eine europäische Identität muss nach unserer Überzeugung auf einer substantiellen Menschenrechtskultur basieren. Gerade Deutschland sollte sich diesbezüglich nicht mit einer Schlusslichtposition begnügen. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf sind hier wichtige Schritte getan. Netzwerk der Antidiskriminierungsbüros in NRW

(ADB Aachen, ADB Köln, ADB Lippe, ADB Südwestfalen, ARIC-NRW e.V., Planerladen Dortmund)

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=697
Quelle: Öffentlichkeit gegen Gewalt Tel.: 0221/27 93 688

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