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Petitionsausschuss: Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten o.k.

Berlin, 2012 Foto: H.S.

03.11.2015 - von Petitionsausschuss

Regelungen zur Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
Beschlussempfehlung: Das Petitionsverfahren abzuschließen.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, die Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten abzuschaffen. Die Petenten wenden sich dagegen, dass bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung empfindliche Rentenkürzungen hinzunehmen seien. Diese Erwerbsminderungsrenten seien mit Abschlägen von 0,3 Prozent pro Monat, maximal mit 10.8 Prozent, belegt. Derzeit sei dies grundsätzlich bis zum Alter von 63 Jahren und sieben Monaten der Fall. Schrittweise werde das Alter für eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente grundsätzlich auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben.

Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten seien grundsätzlich
abzulehnen, da die Erwerbsminderung und Ihre Ursachen für die Betroffenen kaum abwendbar seien. Zudem stehe vor der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente ein strenger Begutachtungsprozess. Keineswegs könnten Versicherte frei entscheiden, ob sie über die Erwerbsminderungsrente vorzeitig in den Ruhestand gingen.
Erwerbsminderung sei ein zentrales Armutsrisiko. Für viele Versicherte greife der Schutz des Sozialversicherungssystems bei Erwerbsminderung damit nicht mehr und sie seien auf Fürsorgeleistungen angewiesen. Daher müsse der Deutsche Bundestag
die Abschläge bei er Erwerbsminderungsrente In der jetzigen Form abschaffen.

Dem Petitionsausschuss liegen hierzu mehrere sachgleiche Eingaben vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf alle der vorgetragenen
Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.

Es handelt sich um eine Petition, die auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages veröffentlicht wurde und zur Diskussion bereitstand. Der Petition schlossen sich 915 Mitzeichnende an und es gingen 33 Diskussionsbeiträge ein. Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ist der Petitionsausschuss verpflichtet, eine Stellungnahme der Fachausschüsse einzuholen, wenn die Petitionen einen Gegenstand der Beratung In diesen Fachausschüssen betreffen. Damit wird sichergestellt, dass die Petitionen in die Beratungen über den Fachausschüssen überwiesenen Gesetzentwürfen und Anträgen einbezogen werden.

In der 18. Wahlperiode wurde die Petition dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes Ober Leistungsverbesserungen In der gesetzlichen Rentenversicherung - RV-Leistungsverbesserungsgesetz
-· (Bundestags-Drucksache 18/909) sowie zu dem „Entwurf eines
Gesetztes zur Verbesserung des Erwerbsminderungsschutzes" (BundestagsDrucksache 18/9) zugeleitet. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung über den oben genannten Gesetzentwurf am 21 . Mai 2014 abgeschlossen und dem Petitionsausschuss eine Stellungnahme übersandt.

Im Ergebnis ist das Plenum des Deutschen Bundestages der Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales gefolgt und hat den Gesetzentwurf (Bundestags-Drucksache 18/909) In der Ausschussfassung in seiner Sitzung am 23. Mai 2014 angenommen sowie den Gesetzentwurf (Bundestags-Drucksache 18/9) mehrheitlich abgelehnt.

Im Ergebnis konnte dem Anliegen des Petenten nicht Rechnung getragen werden. Der Petitionsausschuss hat der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, Ihre Haltung zu der Eingabe darzulegen. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Einbeziehung der seitens der Bundesregierung angeführten Aspekte wie folgt zusammenfassen:

Die Abschläge bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wurden im Jahr 2001 mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eingeführt. Danach wird die Erwerbsminderungsrente für jeden Monat des Rentenbeginns
vor dem 63. Lebensjahr um 0,3 %, höchstens aber um 10,8 % gemindert. Mit den Abschlägen sollen Ausweichreaktionen aus vorzeitigen Altersrenten, die nur unter Hinnahme von Abschlägen in Anspruch genommen werden können, entgegengewirkt werden.

Hierüber besteht ein breiter politischer Konsens. Der Bundesrat hatte bereits im Jahr 1989 die Bundesregierung aurgefordert, im Anschluss an das Gesetzgebungsverfahren zum Rentenreformgesetz 1992 eine Änderung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten vorzubereiten, die verhindert, dass die Heraufsetzung der
Altersgrenzen unterlaufen wird.

Bei einem Verzicht auf die Abschläge müsste wieder mit einem deutlich verstärkten Zugang von Erwerbsminderungsrenten in höherem Alter gerechnet werden, vielfach in einem Alter, In dem auch eine Altersrente mit Abschlägen vorzeitig in Anspruch
genommen werden kann. Aufgabe der Renten wegen Erwerbsminderung darf es aber nicht sein, an die Stelle von vorzeitigen Altersrenten zu treten. Sie besteht vielmehr darin, den Versicherten Lohnersatz zu gewähren, wenn vor Erreichen der Altersgrenze für eine Altersrente eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eintritt.

Um die Sicherungsfunktion der Erwerbsminderungsrenten für jüngere erwerbsgeminderte Versicherte dennoch zu erhalten, hat der Gesetzgeber zeitgleich mit der Einführung der Abschläge die sogenannte Zurechnungszeit ausgeweitet. Bei Eintritt der Erwerbsminderung vor dem 60. Lebensjahr werden die Versicherten bei der Berechnung ihrer Erwerbsminderungsente so gestellt, als hätten sie bis zum vollendeten 60. Lebensjahr Rentenversicherungsbeiträge gezahlt. In Fällen der Frühinvalidität
ergibt sich hierdurch eine nur um rd. 3 % niedrigere Rente im Verhältnis zu einer Rente ohne Abschläge, aber geringerer Zurechnungszeit entsprechend der bis Ende 2000 geltenden Regelung. Jüngere Versicherte müssen also ebenfalls die Abschläge
tragen, diese werden aber weitgehend über die verlängerte Zurechnungszeit kompensiert.

Das Bundessozialgericht hat die Verfassungsmäßigkeit der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten in mehreren aktuellen Entscheidungen bestätigt (Az: B 5 R 32/07 R und B 5 R 140/07 R). Dabei hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die bei Erwerbsminderungsrenten fehlende Entscheidungsfreiheit auch bei Altersrenten faktisch eingeschränkt sein könne. Im Übrigen werde dies durch die im Verhältnis zu den meisten Altersrenten geringeren Abschläge verfassungsrechtlich angemessen
berücksichtigt ist. Denn wie bereits ausgeführt, beträgt der maximale Abschlag bei Erwerbsminderungsrenten 10,8 %, während er bei den Altersrenten deutlich mehr betragen kann.

Am 1. Juli 2014 ist das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV- Leistungsverbesserungsgesetz) in Kraft getreten. Menschen mit verminderter Erwerbsfähigkeit werden durch die Gesetzesänderung· besser abgesichert. Dies wird insbesondere durch zwei Maßnahmen erreicht. Zum einen werden sie so gestellt, als hätten sie mit dem bisherigen durchschnittlichen Einkommen 2 Jahre länger als bisher weitergearbeitet (Ausweitung der sogenannten Zurechnungszeit um 2 Jahre vom 60. Lebensjahr auf das 62. Lebensjahr, die mit dem individuellen Durchschnittsverdienst bewertet wird). Zum anderen zählen die letzten 4 Jahre vor Eintritt einer Erwerbsminderung bei der Ermittlung des Durchschnittsverdiensts nicht mit, wenn sie den Wert dieser Zurechnungszelt verringern (z.B. durch Wechsel in Teilzeit oder Phasen der Krankheit vor dem Renteneintritt). Diese Verbesserungen
gelten für alle Versicherten, deren Erwerbsminderungsrente erstmals ab dem 1. Juli 2014 beginnt (Rentenneuzugang).

Der Petitionsausschuss begrüßt die mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz in Kraft getretenen Verbesserungen im Bereich der Erwerbsminderungsrenten.

Die von dem Petenten geforderte generelle Abschaffung der Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten wird auf Grund der vorangegangenen Ausführungen seitens des Petitionsausschusses nicht unterstützt. Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitonsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Link: Michael Gerdes, SPD über Erwerbsminderungsrenten
Quelle: Prot. Nr. 18/42 Pet 3-18-11-8221