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Flüchtlinge: Fingerabdrücke ab sechs Jahren

Köln, 2016

26.07.2016

Einen Änderungsentwurf für die Europäische Datenbank zur Speicherung von Fingerabdrücken vor (EURODAC-System) legte die Europäische Kommission am 4. Mai 2016 vor. (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von „EURODAC“ für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, zur Identifizierung eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen und für Anfragen für den Abgleich mit Eurodac-Daten durch die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europol zu Strafverfolgungszwecken
(COM(2016) 272 final)).


Der Entwurf ist Teil der Initiative der Europäischen Kommission, das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zu reformieren. Auch aus den Reihen der Bundesregierung erfolgten Aussagen über eine Reform der Registrierung von Geflüchteten. So forderten sowohl Vizekanzler Sigmar Gabriel (FAZ, 15. Februar 2016) als auch Innenstaatsekretär Günter Krings (Rheinische Post, 26. März 2016) zu einer „lückenlosen Registrierung“ aller in den Schengenraum einreisenden Geflüchteten auf.

Durch die geplanten Änderungen am EURODAC-System sollen nicht wie bisher nur die Fingerabdrücke der Geflüchteten aufgenommen werden, sondern auch deren persönliche Daten (Name, Nationalität, Geburtsdatum und -ort, Ausweisnummer, Asylantragsnummer, Eingangsstaat des Asylantrages) sowie ein biometrisches
Lichtbild (Artikel 10-14).

Weiter soll die bisherige Altersgrenze von 14 auf sechs Jahre herabgesetzt werden. Bei der Verweigerung der Abgabe der Fingerabdrücke und der Verweigerung der Aufnahme eines Lichtbildes können die einzelnen Mitgliedstaaten administrative Sanktionen im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung einführen (Artikel 2 Absatz 3, 4).

Wir (Fraktion Die Linke im Bundestag) fragen die Bundesregierung:
1.
Inwiefern stimmt die Bundesregierung dem Vorhaben der Europäischen Kommission bezüglich der geplanten Änderungen des EURODAC-Systems zu?
2.
Wie bewertet die Bundesregierung die geplante Absenkung der Registrierungsaltersgrenze von 14 auf sechs Jahre und spricht sich die regierung ebenfalls dafür aus?
3.
Welche Position nahm die Bundesregierung in den Vorberatungen der geplanten Änderungen bezüglich der Herabsenkung der Altersgrenze z. B. im Rat für Inneres und Justiz, in der Ratsgruppe Asyl ein?
4.
Teilt die Bundesregierung die im Entwurf enthaltene Begründung für die Herabsenkung, wonach dadurch eine verbesserte Familienzusammenführung möglich sei und welche Alternativen stünden zur Verfügung, um Familienzusammenführungen auch ohne die massenhafte Speicherung von Fingerabdruckdaten und Lichtbildern von unbegleitet einreisenden minderjährigen Geflüchteten zu verbessern?
5.
Hat die Bundesregierung Kenntnis von der im Eingang des Entwurfs (COM(2016) 272 final) erwähnten Studie zur Validität von Fingerabdrücken bei Minderjährigen und wie bewertet die Bundesregierung diese Studie im Einzelnen?
6.
Welche Angaben kann die Bundesregierung zur Zahl und zum Anteil der „falsch positiven“ und „falsch negativen“ Treffer im EURODAC-System bei Abfragen durch Asylbehörden und Strafverfolgungsbehörden in den Jahren 2013, 2014 und 2015 machen
a) bezogen auf Abfragen im EURODAC-System durch deutsche Behörden,
b) bezogen auf Abfragen im EURODAC-System durch Behörden anderer
Teilnehmerstaaten (bitte so detailliert wie möglich nach Staaten und Behörden auflisten)?
7.
Plant die Bundesregierung zur Erfassung der biometrischen Lichtbilder auf bisherige Software der Sicherheitsbehörden zurück zu greifen oder wird die Erfassung ausgesetzt bis das Ergebnis, der von EU-Lisa in Auftrag gegeben Studie, vorliegt?
8.
Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie hoch der Betrag des vorgeschlagenen Gesamtbudgets (30 Millionen Euro) zur Aufrüstung des EURODAC Zentralsystems ist, der für die Studie zur Gesichtserkennungssoftware einkalkuliert wird?
9.
Plant die Bundesregierung von der im Entwurf für die jeweiligen Mitgliedstaaten enthaltenen Möglichkeit, bei der Verweigerung der Aufnahme von Fingerabdrücken und/oder der Aufnahme des Lichtbildes administrative Sanktionen im Rahmen der nationalen Gesetzgebung einzuführen, Gebrauch zu machen und wenn ja, wie sollen die Sanktionen im Detail ausgestaltet werden, und wie ist die geltende Rechtslage und Praxis bei diesbezüglichem Verweigerungsverhalten (bitte im Detail darlegen und differenziert darstellen nach unterschiedlichen Behörden: Bundespolizei, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Ausländerbehörden usw.)?
10.
Ist gegebenenfalls geplant, die Sanktionen auch auf minderjährige Geflüchtete unter 18 Jahren und auf minderjährige Geflüchtete unter 14 Jahren anzuwenden (bitte jeweils begründen)?
11.
Welche Möglichkeiten bestehen für die Polizeibehörden in Deutschland bereits heute, die Abgabe von Fingerabdrücken im Rahmen der Mitwirkungspflichten bei der Identitätsfeststellung zu erzwingen bei
a) 14-17-jährigen Minderjährigen,
b) Minderjährigen unter 14 Jahren?
12.
Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob durch nationale und europäische Polizeibehörden (bitte nach Mitgliedstaaten auflisten) bisher schon Fingerabdrücke von minderjährigen Geflüchteten unter 14 Jahren abgenommen wurden und wenn ja, mit welcher gesetzlichen Grundlage?
13.
Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, ob nationale Behörden mit Zugriffsberechtigung auf die EURODAC-Daten und EUROPOL zur möglichen Strafverfolgung aktuell über vollen Zugriff auf die Daten von Minderjährigen verfügen (bitte nach Mitgliedstaaten auflisten) oder mit der Neufassung der Verordnung erhalten sollen, und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Zugriffsmöglichkeit?
14.
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Zahl der Tatverdächtigen in der Gruppe von minderjährigen Geflüchteten zwischen sechs und 14 Jahren und in der Gruppe zwischen 14 und 18 Jahren im Jahr 2015 (bitte getrennt für aufenthalts- und asylrechtliche Straftaten und sonstige Straftaten angeben)?
15.
Welche Kenntnis hat die Bundesregierung davon, wie hoch die Zahl der in den Schengenraum einreisenden registrierten minderjährigen Geflüchteten ist und verfügt die Bundesregierung über Schätzungen wie hoch die Anzahl an nichtregistrierten minderjährigen Geflüchteten ist (bitte auflisten und differenzieren nach den genannten Kategorien)?
a) Ohne Begleitung
b) Unter 18 Jahren
c) Unter 14 Jahren
d) Unter 6 Jahren
16.
Welche Kenntnis hat die Bundesregierung davon, wie hoch die Anzahl an minderjährigen Geflüchteten ist, die einen eigenen Antrag auf Asyl in der Bundesrepublik bzw. in der Europäischen Union stellten (bitte auflisten und nach den genannten Kategorien differenzieren)?
a) Unter 18 Jahren
b) Unter 14 Jahren
c) Unter 6 Jahren

Berlin, den 5. Juli 2016
Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9135

Quelle: Deutscher Bundestag