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ADAC über Kosten der Reiserücktrittversicherung für 66 plusser

Neuruppin, 2016 Foto: H.S.

25.10.2016 - von H. + H. + ADAC

Beschwerden über die hohen Kosten, die man beim ADAC und anderen Unternehmen unter anderem für eine Reiserücktritts-Versicherung ab dem 66. Lebensjahr zahlen muss, nachdem man ein bestimmtes Alter erreicht hat, sind an der Tagesordnung. Herr E. wollte es genau wissen und begann eine sachliche Korrespondenz mit dem Automobilclub, der auch ein Versicherungskonzern ist.

Er führt aus:
"Ihre u.a. sehr freundliche Antwort geht auf meine Kritikpunkte nicht konkret und nur am Rande ein. An Stelle einer telefonischen Rücksprache, die Sie mir angeboten haben, ist es bei dem nicht in allen Punkten einfachen Sachverhalt sicherlich zweckmäßig das Wesentlichste kurz auf Papier zu bringen.

1.
Ich teile uneingeschränkt Ihre Auffassung, dass die Prämienberechnung von Versicherungsprodukten im Interesse aller Clubmitglieder sich an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientieren muss.
Ich kritisiere jedoch, dass Sie ausschließlich ein Alterskriterium (= Vollendung des 66. Lebensjahres) für eine bedeutende Preiserhöhung heranziehen, genauso wichtige andere Altersgrenzen (z. B. 50 bis 65 im Vergleich zu 35 bis 49) oder geschlechtsspezifische Differenzierungen und branchenspezifisch sehr unterschiedliche Krankheitsquoten ziehen Sie nicht heran. Dies halte für nicht sachgerecht.
Andere Versicherungen, z. B. meine private Krankenversicherung (gilt im Prinzip aber auch generell für alle Krankenversicherungen), kennt diese Altersdifferenzierung jedoch nicht; hier trägt die Versicherungsgemeinschaft des jeweiligen Tarifs die im Einzelnen sehr unterschiedlichen Krankheitsaufwendungen. Dies wäre folglich auch bei der Reiserücktrittsversicherung möglich.

2.
Wesentlich für die Rechtmäßigkeit der Altersdifferenzierung ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Nach § 20 AGG kann von dem Grundsatz der gesetzlich zunächst nicht möglichen Altersdifferenzierung nur abgewichen werden, wenn ein sog. sachlicher Grund vorliegt.
Bei der hier relevanten Versicherung bedeutet das nach § 20 AGG, dass eine Altersdifferenzierung prinzipiell nur dann zulässig ist, wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen beruht.
Gefühlsmäßige Einschätzungen oder (Vor-)Urteile für eine Altersdifferenzierung (hier bei Ihnen das 66. Lebensjahr und älter) genügen diesen gesetzlichen Anforderungen nicht.
Daher wiederhole ich meine Frage, auf welcher konkreten Grundlage die Altersdifferenzierung ab Vollendung des 66. Lebensjahres bei Ihrer Reiserücktrittsversicherung erfolgt. Ihrer Antwort sehe ich bis Mitte Oktober 2016 mit Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst E."

Der ADAC antwortet mit einer PDF, die sich im Anhang einer Email befindet:
"Bei einer Reiserücktritts-Versicherung handelt es sich - im Gegensatz zur Sozialversicherung - um eine so genannte Individualversicherung, die auf dem Äquivalenzprinzip beruht. Dadurch ist der versicherungstechnische Risikoausgleich im Kollektiv gewährleistet, weil für jedes Risiko die leistungsäquivalente Prämie berechnet und erhoben wird.

Die ADAC Reiserücktritts-Versicherung entspricht selbstverständlich den Anforderungen des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Die Interessen aller Versicherungsnehmer gebieten eine möglichst genau am konkreten Risiko ausgerichtete Gestaltung von Prämien und Bedingungen.
Da im Alter die Wahrscheinlichkeit der Leistungspflicht überproportional ansteigt, verursacht dies auch einen höheren Schadenbedarf.

Die Erhöhung der Prämien ab einem bestimmten
Alter ist deshalb marktüblich und Marktstandard.

Das AGG lässt im § 20, Absatz 2, Satz 3 ausdrücklich
eine unterschiedliche Behandlung von Versicherungsnehmern zu, wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch
ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen.
Wenn Sie weitere Fragen haben, melden Sie sich bitte bei uns - wir beraten Sie gern."

WAS DER ADAC UND ANDERE VERSICHERUNGEN NICHT SCHREIBEN
1.
Es ist nicht überprüfbar, auf welchen anerkannten Prinzipien die risikoadäquate Kalkulation der Prämien beruht.
2.
Es ist nicht überprüfbar, ob die Kalkulation der Prämien tatsächlich risikoadäquat ist.
3.
Die Schadenstatistiken sind nicht überprüfbar, da sie nicht veröffentlicht werden.
4.
Die versicherungsmathematisch ermittelte Risikobewertung ist nicht überprüfbar, da sie nicht veröffenticht wird.
5.
Es ist nicht nachprüfbar, ob die Tarifmerkmale tatsächlich risikoäquivalent sind.

Im AGG heißt es dazu in § 20: "Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ist im Falle des § 19 Abs. 1 Nr. 2 (eine Benachteiligung, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand hat, ist unzulässig) nur zulässig, wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen.

Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung