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Rentenkonzept von Andreas Nahles: Bewertung

Bad Pyrmont Foto, H.S.

17.01.2017 - von Reiner Heyse

Das Nahles-Konzept ist die Fortsetzung des mit Riester und Rürup begonnenen Rentenkonzeptes. Die gesetzliche Rentenversicherung wird systematisch weiter geschwächt. Die beiden Zweige der privaten, kapitalgedeckten Versicherungen, bekommen einen enormen weiteren Schub. Das entspricht den Forderungen der Versicherungskonzerne. Sie streben an, den Anteil der Privatversicherungen an den gesamten Rentenversicherungsbeiträgen von ca. 20 auf 30% zu erhöhen (rund 30 Milliarden € pro Jahr). In der SPD ist das „Gesamtkonzept“ nicht diskutiert oder gar beschlossen worden. Es kann demnach über weite Strecken als private Meinungsäußerung einer Ministerin verstanden werden.

Bewertung des Nahles-Rentenkonzeptes:
Das von Sozialministerin Nahles am 25.11.2016 vorgelegte „Gesamtkonzept zur Alterssicherung“ beinhaltet grob gesagt zwei Komplexe:
1.
Festlegungen, die von der Koalition übernommen wurden und in ein Gesetzgebungsverfahren übergeleitet wurden bzw. werden sollen und
2.
Vorstellungen der Sozialministerin, denen von der Regierungskoalition nicht zugestimmt wurde, und die auch nicht in der SPD diskutiert oder gar beschlossen wurden.

Zum 1. Punkt:
a.
DIE RIESTER-RENTE:

Erhöhung der Zulagen und teilweise Nichtanrechnung von Riester-Renten bei Bezug von Grundsicherung. Der Staat wird in höherem Umfang als bisher Steuergelder in diesen privaten Vorsorgeweg pumpen. Die Maßnahmen entsprechen den Forderungen der Versicherungswirtschaft.

b.
DAS BETRIEBSRENTENSTÄRKUNGSGESETZ

Es basiert zu hundert Prozent auf den Bruttoentgelten der Beschäftigten, also auf Entgeltumwandlung. Mit Betriebsrenten im Wortsinn, hat das nichts zu tun. Fünf Maßnahmen sollen die Stärkung bewirken:
- Das Obligatorium (Opt-out-Regelung) – Arbeitsverträge beinhalten Betriebsrente,
- die Enthaftung der Betriebe - Rentenzusagen nur noch durch Versicherungen,
- die steuerliche Förderung der Betriebe, wenn sie Teile ihrer eingesparten Sozialversicherungsbeiträge einbringen,
- die stärkere Steuerbefreiung der gewandelten Entgelte (bis 7%) in der Ansparphase.
Das entspricht voll den Forderungen der Versicherungswirtschaft.

c.
ANGLEICHUNG DER OST- UND WESTRENTEN

Sie stand schon im Koalitionsvertrag von 2014. Jetzt, fünf Jahre später als im Koalitionsvertrag vorgesehen, soll sie, beginnend im Jahr 2018 bis 2025 abgeschlossen sein. Sie wird leichte Vorteile für die Bestandsrentner bringen, für künftige Rentner in den neuen Bundesländern jedoch weitere Verschlechterungen, wenn die Entgeltunterschiede zwischen Ost und West nicht endlich beseitigt werden.
Die Finanzierung dieser einigungsbedingten Mehrkosten tragen zunächst die Beitragszahler der GRV allein. Im Jahr 2025 soll die Hälfte der Kosten dann aus Steuern finanziert werden. Das heißt: Die versicherungsfremden Leistungen werden dann noch einmal um ca. 0,5 Milliarden weiter anwachsen.

d.
AUFWERTUNG DER ERWERBSMINDERUNGSRENTEN

Das klingt zunächst gut. Bei genauer Betrachtung werden die Vorteile für neue Erwerbsminderungsrentner bis 2024 durchschnittlich ca. 50 € betragen. Bestandsrentner bekommen davon (wie schon 2014) nichts. Neurentner, die in zwei bis acht Jahren Erwerbsminderungsrentner werden sollten, werden nur Bruchteile des Betrages mehr erhalten.
Die Abschläge bei frühzeitigem Renteneintritt werden aufrechterhalten und die verschärften Bedingungen zum Erhalt der Erwerbsminderungsrenten nicht geändert.

Zum 2. Punkt:
a.
DOPPELTE HALTELINIE

Die wurde erstaunlicherweise in der Öffentlichkeit (und auch in den Gewerkschaften) als neues Konzept bewertet. Es gibt aber bereits zwei doppelte Haltelinien: 2020: 46%/20% und 2030: 53%/22%. Die für das Jahr 2045 geplanten 46%/25% bedeuten eine Fortsetzung der Absenkung des Rentenniveaus. Das Andrea Nahles daraus so ein Geheimnis machte (zu einem Journalisten: „das ist die Hunderttausend-Dollar-Frage“) kann nur mit Ablenkungsabsichten begründet werden. Ihre Koalitionspartner haben ihr mit Sicherheit schon früh ein „no go“ signalisiert.

b.
SOLIDARRENTE

Bereits die sogenannte Lebensleistungsrente, die 30 bis 40 € über dem Grundsicherungsniveau gelegen hätte, und in den Folgejahren sogar unter das Grundsicherungsniveau gesunken wäre, war in der Koalition nicht gewollt. Auch die Zielmarke 10% über Grundsicherungsniveau ist in der Höhe völlig unzureichend und darüber hinaus an Bedingungen geknüpft, die nur sehr wenige einhalten werden/können: Private Vorsorge und 40 Versicherungsjahre.
Im Koalitionsausschuss soll man sich verständigt haben, über das Thema weiter zu diskutieren...

c.
DEMOGRAFIEBEITRAG DES STAATES

Ab 2030 sollte der fällig werden. Das wird aber aus Schäubles Ministerium mit überaus deutlichen Worten ausgeschlossen.

d.
SELBSTSTÄNDIGE IN DIE GRV

Ein sehr kleiner Schritt zu einer Erwerbstätigenversicherung wird von der CDU/CSU sehr deutlich abgelehnt.

Link: Protest gegen Nahles an TU Berlin