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Wirtschaftskrise verlangt von Sozialwirtschaft Offenbarungseid: Der Fall Rückert

02.10.2011

Manche zählen, nicht ganz zu Unrecht, die Betriebswirtschaftslehre zu den Glaubensrichtungen (Homo oeconomicus etc.) In Deutschland jedenfalls hat dieses „Fach“ jahrzehntelang eine ernstzunehmende Volkswirtschaftslehre verdrängt und überwuchert. Daher jetzt auch allenthalben Verwechslung von „Staatsschulden“ mit Kreditrückforderungen für Daseinsvorsorge als Lohnersatz. Vor ein paar Wochen hat sich nun ein ganz besonderer Homo oeconomicus zu Wort gemeldet: Der evangelische Gottesmann und diakonische Betriebswirt sowie Vorsitzende des Verbandes Diakonischer Dienstgeber in Deutschland, Herr Professor Markus Rückert.

In seinem Wort zum Sonntag verkündet uns Markus Rückert als „Leitbild des Dritten Weges“ statt Lohnarbeit und Tarifvertrag die „Dienstgemeinschaft“. Streiks für vollwertige Beschäftigung und existenzsichernde Löhne hätten darin keinen Platz. Rückert bezeichnet Streiks im Pflegeheim als „ungehöriges Element egoistischer In-teressendurchsetzung zu Lasten Dritter, der Steuer- und Abgabenzahler nämlich“.

Wenn man dies und das übrige Geschwurble des „Dienstgebers“ Rückert auf einen gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Nenner bringt lautet der so: Der „Finanzextremismus“ und der „Exportterror“ haben natürlich in Deutschland und jetzt Europa nur so zunehmen können, weil Jahrzehnte der Lohnzurückhaltung, Niedriglohnzunahme und Konsumschwäche die Voraussetzung geschaffen haben. Die damit bewirkte Millionenarmut, Familienauflösung, Erziehungskrise, Gesundheitsverschlechterung, Pflegelücke etc. haben für Rückerts „Soziale Unter-nehmen“ ein schönes Betätigungsfeld eröffnet. Von 125 Milliarden Jahresumsatz der beiden Kirchen und ihrer Diakonie bzw. Caritas und von 950.000 Beschäftigten dort ist in der Öffentlichkeit die Rede. Makroökonomen sagen: Daseinsvorsorge aus Steuern, Beiträgen und Gebühren sind Lohnersatz und werden, wenn man die Vermögen und Hocheinkommen im Sinne des Professor Rückert vor „egoistischer Interessendurchsetzung“, d.h. vor hohen Steuern durch billige Sozialarbeit schützt zu einem kreditfinanzierten Lohnvorschuss an die Arbeitsgesellschaft. Den wollen die Vermögen und Hocheinkommen unter der Bezeichnung „Staatsschulden“ jetzt mit ordentlich Zinsen zurück.

Und dafür sollen nach Pfarrer Rückerts Sonntagsrede die Pflegearbeiterinnen und Pflegearbeiter etc. ihre „eher unproduktive“ Arbeit doch bitte als „Dienst“ betrachten – „Arbeitsdienst“ sozusagen. Rückerts „ganz andere Kultur“ wird hier fast schon chinesischer Kapitalismus. Zumindest aber macht ihn diese Glaubensrichtung zum FDP-Steuerheiligen Markus.

Die Sozialwirtschaft muss sich schon wirklich überlegen, was sie in Zeiten des Fi-anzkapitalismus und der Ackerlandspekulation sein will: Steuersparmodell oder Nonprofitvorbild.

Quelle: PM, STUDIENGRUPPE FÜR SOZIALFORSCHUNG