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EU-Richtlinien-Vorschlag zur Vereinbarkeit von Beruf+ Privatleben für Eltern + pflegende Angehörige

Foto: H.S.

Europäische Union - 18.07.2018 - von H.S.

In Europa besteht Modernisierungsbedarf im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Zu dieser Feststellung ist die Europäische Kommission gekommen, nachdem sie die Sozialpartner befragt hat. Im Jahr 2017 hat sie einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige unterbreitet Link. Der RIchtllinienvorschlag ist inhaltlich eng verknüpft mit der Initiative „Ein neuer Start“ zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben von berufstätigen Eltern und berufstätigen pflegenden Angehörigen in der europäischen Säule sozialer Rechte.

Im Koalitionsvertrag 2018 zwischen CDU/CSU/SPD wird der Richtlinievorschlag nicht erwähnt. Unter dem Stichwort "Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben" findet sich kein einziger Treffer. Das Privatleben kommt im Koalitionsvertrag nicht vor. Stattdessen:
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie: 1x
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf: 4x
- Vereinbarkeit mit dem Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“: 1x
- Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit sowie Ehrenamt speziell im Katastrophenschutz: 1x

In Österreich befasst sich die Jahresvorschau 2018 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG mit dem RIchtlinienvorschlag. Sie wird wie folgt erläutert und aus österreichischer Sicht kommentiert:

"Die Europäische Kommission hat die Sozialpartner gemäß Artikel 154 AEUV zu den Herausforderungen im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben befragt. Die Sozialpartner (in Österreich) konnten sich nicht darauf einigen, über diese Fragen in Verhandlungen einzutreten. Da es in diesem Bereich jedoch laut Ansicht der Europäischen Kommission Modernisierungsbedarf gibt, hat diese dazu im Jahr 2017 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt.

Mit dieser Richtlinie werden Mindestvorschriften für Vaterschafts-, Eltern-und Pflegeurlaub sowie für flexible Arbeitsregelungen für berufstätige Eltern und ArbeitnehmerInnenmit Betreuungs-und Pflegepflichten festgelegt.

Die Maßnahmen sollen zur Geschlechtergleichstellung im Hinblick auf Arbeitsmarktchancen, zur Gleichbehandlung am Arbeitsplatz und zur Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus in der Union beitragen.

Inhalt des EK Vorschlags
Gegenstand (Artikel 1)
Der Richtlinienvorschlag legt Rechte in Bezug auf Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub und Pflegeurlaub sowie in Bezug auf flexible Arbeitsregelungen für erwerbstätige Eltern und pflegende Angehörige fest.

Anwendungsbereich (Artikel 2)
Der Richtlinienvorschlag gilt für ArbeitnehmerInnen, die einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.

Begriffsbestimmungen (Artikel 3)
Definiert Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub, pflegende Angehörige, Pflegebedürftigkeit sowie flexible Arbeitsregelungen.

Vaterschaftsurlaub (Artikel 4)
Der Vater soll anlässlich der Geburt einen Anspruch auf mindestens 10 Arbeitstage Vaterschaftsurlaub haben. Dieser ist unabhängig vom Familienstatus zu gewähren.

Elternurlaub (Artikel 5)
ArbeitnehmerInnen haben individuellen Anspruch auf nicht-übertragbarem Elternurlaub von mindestens 4 Monaten bis mindestens zum 12. Geburtstag des Kindes. Die Mitgliedstaaten können das Recht auf Elternurlaub von einer bestimmten Beschäftigungs-oder Betriebszugehörigkeitsdauer abhängig machen
–diese darf maximal 1 Jahr betragen.

Urlaub für pflegende Angehörige (Artikel 6)
ArbeitnehmerInnen sollen Anspruch auf mindestens 5 Tage Pflegeurlaub pro Jahr haben.

Freistellung aufgrund von höherer Gewalt (Artikel 7)
Recht auf Arbeitsfreistellung im Falle höherer Gewalt aus dringenden familiären Gründen bei Erkrankung oder Unfall; diese kann auf eine bestimmte Zeitspanne pro Jahr oder pro Fall oder beides beschränkt werden.

Angemessenes Einkommen (Artikel 8)
Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass ArbeitnehmerInnen, die die Rechte gemäß Art. 4, 5, 6 wahrnehmen, eine Bezahlung oder angemessene Vergütung, mindestens in Höhe des Krankengeldes, erhalten.

Flexible Arbeitsregelungen (Artikel 9)
ArbeitnehmerInnen mit Kindern bis mindestens zum 12. Lebensjahr sowie pflegende Angehörige haben ein Recht auf flexible Arbeitsregelungen für Betreuungs-und Pflegezwecke; vernünftige zeitliche Begrenzung ist möglich.

Beschäftigungsansprüche (Artikel 10)
Rechte, die ArbeitnehmerInnen zum Zeitpunkt des Antretens der jeweiligen Frei
stellung bereits erworben haben oder erworben hätten, bleiben bis zum Ende der Freistellung erhalten. ArbeitnehmerInnenhaben das Recht, am Ende der Freistellung an ihren Arbeitsplatz oder gleichwertigen Arbeitsplätzen mit nicht schlechteren Arbeitsbedingungen zurückzukehren sowie von allen Verbesserungen zu profitieren, die in ihrer Abwesenheit eingetreten sind.

Nichtdiskriminierung (Artikel 11)
Verbot der Schlechterstellung.

Kündigungsschutz und Beweislast (Artikel 12)
Verbot der Kündigung und aller Vorbereitungen für eine Kündigung aufgrund der Beantragung oder der Inanspruchnahme eines Urlaubs lt. Artikel 4, 5 oder 6 oder wegen Beantragung von flexiblen Arbeitsregelungen lt. Artikel 9.

(Artikel 13) fehlt im Dokument

Schutz vor Benachteiligungen oder negativen Konsequenzen (Artikel 14)
ArbeitnehmerInnen, die ihre Rechte iSd Richtlinie durchsetzen wollen dürfen deshalb nicht benachteiligt werden.

Gleichbehandlungsstellen (Artikel 15)
Gleichbehandlungsstellen sollen für diese Richtlinie zuständig sein.

Europäisches Parlament
Anwendung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens; das EP hat noch keine
Stellungnahme abgegeben.

Österreichische Position
Die Ziele des Richtlinienvorschlages werden grundsätzlich begrüßt, da nun erstmals auch einheitliche Mindeststandards für ArbeitnehmerInnen im Pflegebereich geschaffen werden. Dennoch werden einzelne Bestimmungen der derzeitigen Fassung des Richtlinienvorschlages problematisch gesehen bzw. abgelehnt, da die relevanten österreichischen Regelungen bereits auf einem sehr hohen Niveau liegen und sich diese Bestimmungen der Richtlinie nachteilig auf das bewährte österreichische System auswirken würden. Problematisch sind vor allem die Länge des nicht-übertragbaren Elternurlaubes und die damit verbundene Einschränkung der Wahlfreiheit der Eltern, sowie die finanzielle Abgeltung während des Elternurlaubs und des Vaterschaftsurlaubs, die(für die 4 Monate)
mindestens der Höhe des Krankengeldes entsprechen muss.
Der Richtlinienvorschlag würde in der derzeitigen Form zu budgetären Mehrbelastungen führen.
.
Verfahrensstand / Weitere Vorgangsweise
Die Verhandlungen zum Dossier wurden unter estnischem Vorsitz am 10. Juli 2017 begonnen. Unter bulgarischem Vorsitz wird der Richtlinienvorschlag derzeit
weiterbehandelt.


Entnommen der Jahresvorschau 2018 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG in Österreich: Link

Quelle: Jahresvorschau 2018, Sozialministerium Österreich