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Pflegefachkräfte ohne deutschen Pass gibt es nicht viele

Foto: H.S.

28.02.2019 - von Robert Pütz, Maria Kontos, Christa Larsen, Sigrid Rand, Minna-Kristiina Rukonen-Engler

Pflegefachkräfte aus dem Ausland: Zahl hat sich versechsfacht – nicht selten Konflikte wegen Unterschieden in Ausbildung und Berufsverständnis. In Pflegeheimen und Krankenhäusern arbeiten rund 62.500 Pflegefachkräfte aus dem Ausland. Das sind ca. 6% von allen Pflegekräften. Dazu kommen noch 12.000 Aszubildende und eine unbekannte Zahl von Hilfskräften ohne deutschen Pass.

Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen stellen zunehmend Pflegerinnen und Pfleger ein, die ihren Berufsabschluss im Ausland erworben haben. So ist die Zahl der Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege, die jährlich aus dem Ausland nach Deutschland kommen, zuletzt auf fast das Sechsfache gestiegen: Von knapp 1 500 im Jahr 2012 auf gut 8 800 im Jahr 2017. Größtenteils stammen sie aus ost- und südeuropäischen Staaten außerhalb der EU oder von den Philippinen.

Pflegefachkräfte im Ausland anzuwerben, gilt insbesondere in der Politik als wichtiger Beitrag, um die großen Personallücken (April 2018: 25.000 offene Stellen bundesweit) zu reduzieren. Zwar ist die Bundesrepublik laut der neuen Untersuchung im internationalen Vergleich „noch weit davon entfernt, als etabliertes Zielland der globalisierten Pflegefachkräftemigration zu gelten“: 2010 hatten knapp 6 Prozent der Pflegerinnen und Pfleger ihre Ausbildung im Ausland absolviert. In Großbritannien oder der Schweiz lag der Anteil zwei bis dreimal so hoch. Die Vielfalt habe aber bereits in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, schreiben die Studienautorinnen und -autoren von der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Dabei kommen die meisten neuen Pflegerinnen und Pfleger bislang aus der europäischen Nachbarschaft: Rumänien, Kroatien, Polen und Ungarn stellten 2017 die wichtigsten EU-Herkunftsländer; hinzu kamen Bosnien-Herzegowina, Serbien und Albanien als die benachbarten Drittstaaten. Die ebenfalls hohe Anzahl von Pflegefachkräften aus den Philippinen resultiert aus dem Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und den Philippinen. Oft sind die Neueinstellungen Ergebnis gezielter Anwerbeaktionen. In den Herkunftsländern haben sich professionelle Agenturen auf die Vermittlung von qualifiziertem Gesundheitspersonal spezialisiert, das mit Sprachkursen auf die Arbeit in Deutschland vorbereitet wird.

Wie die Zusammenarbeit in Kliniken und Pflegeeinrichtungen im Alltag funktioniert, leuchten die Wissenschaftler über knapp 60 ausführliche Interviews aus. Dabei wurden neben Pflegerinnen und Pflegern, die nach 2008 in die Bundesrepublik gekommen sind, auch einheimische Pflegefachkräfte und Vorgesetzte nach ihren Erfahrungen befragt. Hinzu kamen Interviews mit Arbeitgebervertretern, Vermittlern und Migrationsexperten. In ausführlich dokumentierten Gesprächen beschreiben Leitungskräfte und ein Betriebsrat aus Frankfurter Kliniken, wie in ihren Häusern Konflikte entstanden sind und entschärft werden konnten.**

Die Befragung offenbart auf beiden Seiten erhebliche Differenzen bei Ausbildung, beruflichem Selbstverständnis und gewohnter Arbeitsorganisation: In vielen der Herkunftsländer werden Pflegefachkräfte an Hochschulen ausgebildet. Eine hochqualifizierte schulisch-betriebliche Ausbildung wie in Deutschland ist dort unbekannt. Gleichzeitig übernehmen Pflegefachkräfte etwa in Südeuropa in der Tendenz mehr Management- sowie Behandlungsaufgaben, die in Deutschland Medizinerinnen und Medizinern vorbehalten sind. Tätigkeiten der so genannten „Grundpflege“ auszuüben, also etwa Patientinnen und Patienten beim Essen oder der Körperpflege zu unterstützen, ist dort für Pflegefachkräfte ungewöhnlich. Dafür gibt es, mehr noch als in Deutschland, teils spezielle Service-Kräfte, teilweise müssen Angehörige einspringen.

Weitere Informationen:
Robert Pütz, Maria Kontos, Christa Larsen, Sigrid Rand, Minna-Kristiina Rukonen-Engler: Betriebliche Integration von Pflegefachkräften aus dem Ausland (pdf). Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 416, Februar 2019. Link

Quelle: Böckler-Stiftung