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Bevor ich über die Enkel schreiben kann ...

Privatarchiv Jeromin

28.03.2019 - von Hartmut Jeromin

zunächst etwas über die Schwiegermutter, die Liesel N. Ich lernte sie als freundliche Bauersfrau im Jahre 1965 kennen. Sie wischte sich mitten in der Arbeit die Hände an ihrer Arbeitsschürze ab um mich zu begrüßen. Meine Frau Freundin hatte mich mit zu sich nach Hause genommen, in ein sächsisches Bauernhaus, ich wollte da mit Hilfe der Sächsischen Landesbibliothek meine Examensarbeit schreiben…und alles ließ sich gut an.
Und so kam eines zum andern.

Die Schwiegermutter hatte schon ein arbeitsreiches Leben hinter sich und keine sehr erfreulichen Jahre vor sich. Sie war Tochter eines Schmieds in Bautzen- Seidau, heiratete den Bauern Willy Naumann in Weißig bei Dresden und wirtschaftete im 2. Weltkrieg alleine auf dem Hof, der Mann musste in den Krieg. Sie hatten vier Töchter, eine davon dann also die Mutter unserer Kinder…

Sie hatte die Angewohnheit, alles und jeden in ihren Dienst zu stellen. Auch Kunden. Sie betrieb einen Kleinhandel mit Agrarprodukten, die sie selbst produzierte. Verwendung fand jeder nebst Anleitung zum Handeln. Bevor jemand Milch oder Eier oder Salat oder Himbeeren bekam, musste er Kartoffeln schälen, den Hof kehren oder den Hühnerstall ausmisten. Immer war da Arbeit auf Vorrat.
Auch mich verschonte sie nicht: Kannst du Mal…also sollte ich ein Holzfass scheuern, eine Maschine vom Boden holen, vom Gemüsekonsum oben im Dorf die bestellten Weißkraute abholen, die Fliesen der Küche scheuern und die Gummistiefel von außen gründlich säubern, am Ende noch Salz und Kümmel kaufen…und auch meine Hände gründlich bürsten und ein Messer schärfen! Während dem machte sie immer weiter in ihrer Arbeit.

Dann ging es los: So und so sind die „Kraute“ zu beschneiden, die Maschine einzustellen und an der Kurbel zu drehen, der Kohl wurde geschnitten, ins Fass geschichtet, gesalzen und mit Möhren und Kümmel gewürzt und mit den Gummistiefeln „gedämmert“, zum Schluss mit Salzlösung aufgefüllt und mit Deckel und Stein verschlossen und das Ganze in den 1. Keller gewuchtet. Sie sah dazwischen noch in alten Aufzeichnungen nach den Rezepten. Also lernte ich als studierter Polytechniker, wie man Sauerkraut macht, ob ich wollte oder nicht.

Auch die Weihnachtsbäckerei fing so harmlos an: Mehl vom Bäcker holen, einen ganzen Sack. Auf der Alaunstrasse in Dresden beim Drogisten Pottasche, Pfefferkuchengewürz und andere Zutaten einkaufen. Zitronat vom Konsum besorgen, Nüsse, Mandeln, Rosinen und solche Sachen holen. Dann ging es irgendwann los: Den „Asch“, (eine Kinderbadewanne) säubern. Die Kuchenbretter scheuern. Den Backofen ausräumen, Reisig vom Boden bereitlegen und was da noch vorher zu erledigen war, selbst eine Küchenwaage wurde von der „Mehlkammer“ geholt. Sie machte inzwischen immer weiter in ihrer Haus- und Hofarbeit. Als studierter Polytechniker ahnte ich nichts!

Mehl, Zucker, Eier, Milch und Wasser und noch sonstewas wurde im „Asch“ angerührt und auf den warmen Stubenofen gewuchtete. Da „ging“ der Teig, um nach einem weiteren Tag geknetet zu werden und auf dem großen Tisch in der Küche…halt, noch sind wir nicht so weit. Zuvor noch Mandeln gebrüht und gehäutet, Rosinen und Korinthen ebenfalls, Zitronat geschnitten, „Fettigkeit“ dazu gegeben. So langsam wurde eine formbare Masse daraus. Und immer wurde gewogen, gemessen, ins Buch geschaut, gerechnet und bedacht: Was könnte noch fehlen? Aber dann den Back- Ofen angefeuert mit sehr dürrem Reisig bis die Schamotteausmauerung glühte, dann alles raus in einen Eimer und die Laibe wurden geformt. Und nun, spät am Abend, wurde der Ofen in 2 Etagen beschickt. Und irgendwann landeten die Laibe der Feststollen auf den Steinfliesen der Bauernküche, auf Stroh, auf großen Holzbrettern und kamen tags drauf dann in die „Mehlkammer“. Sowas hatte ein sächsisches Bauernhaus. Später wurde noch verfeinert mit Butter und Puderzucker.

Aus den Resten entstanden noch diverse Kekse und helle Pfefferkuchen. Oder es wurde gar ein eigener Pfefferkuchenteig angerührt, dann ausgerollt, ausgestochen, mit Mandeln bestückt und mit Schokolade übergossen. Der Arbeit vor dem Fest wurde nie ein Ende, denn es wurde auch „große Wäsche“ gewaschen, die Fenster geputzt, die Stuben gewienert, der Boden aufgeräumt. Die Enkel waren noch zu klein, also mussten, wenn greifbar auch die Schwiegersöhne mit ran. Auch wenn es studierte Polytechniker waren. So lernte ich allmählich in einem Haushalt zu wirtschaften. Aber das neben unserem nun eigenen Haushalt. Und in der Bauernwirtschaft ging es nebenbei auch immer weiter.

Natürlich musste ich auch die Schlachtgänse mit einfangen…und sie letztlich in einem besonderen Backofen mit dem ausgeschwitzten eigenen Fett stundenlang immer wieder übergießen. Nach Einweisung und Anleitung durch die Schwiegermutter. Die Bratpfanne hatte dafür eine Vertiefung, in welcher sich das Fett sammelte. Vorher waren die Gänse noch zu füllen mit Backpflaumen, Äpfeln sowie mit Beifuß. Zu den Feiertagen bekam das Vieh in den Ställen eine gute Einstreu, in der Bauernstube begann der schönere Teil des Festes. Und nun wurde auch richtig gut gegessen…Aber meine paar Ferientage vor dem Fest, da wurde ich mächtig eingespannt.

Für die Enkel nun wäre vom Opa immer noch etwas zu lernen! Robert durfte schon mehrmals beim Sauerkrautmachen helfen und natürlich auch bei anderen Arbeiten. Die anderen Enkel sind nicht so dicht bei der Hand…Aber wer nach Großharthau an der B 6 kommt in den „Kyffhäuser“, kann da noch immer sächsischen Frauenfleiß in der Wirtschaft erleben, wie er von der Schwiegermutter auf die folgenden Generationen überkommen ist. Denn die eigenen Kinder übernahmen den Fleiß mit der Muttermilch und geben ihn nun immer noch weiter, auch auf ihre Kinder.

Und deshalb wird sich Sachsen von den Schädigungen der „Wiedervereinigung“ auch wieder erholen. 50 Jahre hatte ich dafür vorausgesagt, es sind nun schon 30 Jahre seither vergangen und es wird noch Zeit in Anspruch nehmen. Gewiss ist hingegen: Sachsen wird sich wieder mausern, Bürgerfleiß schlägt Politikerfehler immer wieder - meint Hartmut Jeromin, dazu muss er kein Wahrsager sein, nur über die Schwiegermutter nachdenken ist die Lösung.

Link: STATT Grundeinkommen NEHMEN WIR DIE MILLIARDEN UND ...
Quelle: Hartmut Jeromnin