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AGG-Reform: Anhörung im Rechtsauschuss des Bundestags - Antrag der Linken

Foto: H.S.

08.11.2023 - von Hanne Schweitzer

"Antidiskriminierungsstelle des Bundes stärken – Diskriminierungsschutz erweitern", lautet der Titel des Antrags der Bundestagsfraktion DIE LINKE, der am Mittwoch, dem 8. November 2023 von 14:00 bis voraussichtlich 16:00 Uhr in einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags verhandelt wird (Link. Die 74. Sitzung des Rechtsausschusses findet in Berlin im Paul-Löbe-Haus, Saal 2.600 statt.


Im Antrag der 19 Abgeordneten der Linken stehen u.a. neun eher schlappe Forderungen zwecks Stärkung der Antidiskriminierungsstelle und Verbesserung des Diskriminierungsschutzes. Der Bundestag soll die Regierung auffordern, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vorzulegen, wonach
1.
der Begriff „Rasse“ gestrichen wird und durch „Diskriminierung aus rassistischen
Gründen“ ersetzt wird,
2.
die Diskriminierungsmerkmale um das Merkmal „sozialer Status“ erweitert wird, gemeint ist wohl "werden"
3.
die bestehende Schutzlücken im privaten und öffentlichen Bereich geschlossen werden, unter anderem mit einem umfassenden Verbandsklagerecht, verlängerten Klagefristen (insbesondere im Arbeitsrecht) und durch die Streichung der wohnungsrechtlichen Ausnahmetatbestände und der sog. Kirchenklausel, damit gegen Diskriminierungen strukturell und nachhaltig vorgegangen werden kann,
4.
ausdrücklich geregelt wird, dass die Versagung angemessener Vorkehrungen gemäß Artikel 2 der UN-Behindertenrechtskonvention zur Herstellung von Barrierefreiheit eine Benachteiligung darstellt, sodass angemessene Vorkehrungen als subjektives Recht gegenüber der Privatwirtschaft einklagbar sind,
5.
die Antidiskriminierungsstelle des Bundes künftig als oberste Bundesbehörde errichtet werden soll,
6.
die Antidiskriminierungsstelle des Bundes für ausgewählte Fälle ein eigenes Klagerecht erhält,
7.
die Vielfalt der Verwaltung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gestärkt wird, indem mit einer proaktiven Maßnahme die Bewerbung für Stellen in der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Publikationen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen und Communities bekannt gemacht werden,
8.
die finanzielle und personelle Ausstattung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes deutlich aufgestockt wird. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit, Forschung und Vernetzung der Antidiskriminierungsarbeit und
9.
das AGG in regelmäßigen Abständen unabhängig evaluiert wird und die Ergebnisse bei der zukünftigen Ausgestaltung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und des AGG berücksichtigt werden."
Antrag vom 7.7.2022, Deutscher Bundestag, Drucksache 20/2696 unter: Link

Von den neun Forderungen beziehen sich fünf auf die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Damit weitere Abgeordnete über das informiert werden, worüber in der Anhörung im Rechtsausschuss gesprochen wird, schicken die Parteien Abgeordnete als Berichterstatter zur Sitzung. Am 8.11.2023 sollen das sein:
Abg. Kaweh Mansoori [SPD], geb.1988, Beruf: Anwalt
Abg. Ingmar Jung [CDU/CSU], geb.1978, Beruf: Anwalt
Abg. Awet Tesfaiesus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], geb.1974, Beruf: Anwältin
Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP], geb.1986, Beruf: Anwältin
Abg. Fabian Jacobi [AfD], geb.1973, Beruf: Anwalt
Abg. Susanne Hennig-Wellsow [DIE LINKE.], geb.1977, Beruf: Dipl.Päd.

Die Berichterstatter kennen bestenfalls den Inhalt des Antrags der Linken, und sie hören oder lesen das, was von neun Sachverständigen vorgetragen wird, die von den Parteien eingeladen wurden, um sich zum Antrag der Linken zu äußern. Die Mehrheit von ihnen hat Vornamen, die die man früher als "weiblich" kategorisieren durfte. CDU/CSU und Grüne haben jeweils zwei Leute eingeladen, die SPD drei, die Linke und die FDP begnügen sich mit je einer bzw. einem Sachverständigen, und die AfD kommt ohne aus. Fünf Sachverständige sind promoviert worden, vier haben einen Professorentitel, eine davon arbeitet zur Zeit als Richterin.
En detail handelt es sich um:
- Eva Andrades 3, Geschäftsführerin vom Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) e.V., Berlin
- Tabea Benz 1, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V., Berlin
- Vera Egenberger 4, Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e. V. (BUG)
- Prof. Dr. Judith Froese 2, Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit Nebengebieten, Universität Konstanz
- Dr. Noa K. Ha 3, Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung - DeZIM e. V., Berlin
- Univ.-Prof. Dr. Felix Hartmann, LL.M. (Harvard) 2, Fachbereich Rechtswissenschaft, Institut für Arbeitsrecht, Freie Universität Berlin
- Prof. Dr. Ulrike Lembke 4, Freie Rechtswissenschaftlerin & Expertin für rechtliche Geschlechterstudien, Berlin
- Prof. Dr. Mehrdad Payandeh, LL.M. (Yale) 4, Buccerius Law School, Lehrstuhl für Internationales Recht, Europarecht und Öffentliches Recht, Hamburg
- Remzi Uygyner 5, Fair mieten – Fair wohnen. Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Berlin
1 Auf Vorschlag der Fraktion der FDP zur öffentlichen Anhörung eingeladen.
2 Auf Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU zur öffentlichen Anhörung eingeladen.
3 Auf Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur öffentlichen Anhörung eingeladen.
4 Auf Vorschlag der Fraktion der SPD zur öffentlichen Anhörung eingeladen.
5 Auf Vorschlag der Fraktion DIE LINKE. zur öffentlichen Anhörung eingeladen.

Die Liste der Sachverständigen ist im Internet eingestellt unter:
Link

Zum ritualisierten Ablauf solch einer Anhörung gehören natürlich die Stellungnahmen der geladenen Sachverständigen. Dazu muss man wissen: Die Sitzung ist für zwei Stunden angesetzt. In diesen 120 Minuten sollen neun Sachverständige zu Wort kommen. Zieht man die Begrüßung, und vielleicht zwei, drei Fragen der Berichterstatter von dieser Zeit ab, bleiben für jeden Sachverständigen ca. 10 Minuten.

Am Wochenende vor der Anhörung war die einzige Stellungnahme, die offiziell zur Verfügung stand, die von Professor Hartmann. Wenig verwunderlich ist, dass sich der von der FDP eingeladene Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der FU-Berlin, so gar nicht für den Antrag der Linken erwärmen kann. Alle neun Forderungen weist er harsch bis desavouierend zurück.
Stellungnahme Prof. Hartmann: Link

Um 22 Uhr am Vorabend der Anhörung waren zwei weitere Stellungnahmen auf der Webseite des Bundestags zu finden. Eine von Prof. Judith Froese vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz. Wie Prof. Hartmann wurde sie von der CDU/CSU als Expertin benannt und spricht sich, genau wie er, gegen die Änderung des Begriffs "Rasse" im AGG aus. Link
Die dritte, am 7.11.23 vorliegende Stellungnahme ist vom Bund Deutscher Arbeitgeber e.V. der von der FDP benannt wurde. Für ihn spricht Tebea Benz. Der BDA könnte mit der Formulierung "Benachteiligung aus rassistischen Gründen“ leben. Link


Von Interesse könnte am Mittwoch sein, ob eine/r der Sachverständigen Bezug nehmen wird auf die Resolution des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen. Diese spezielle Resolution zu den Menschenrechten älterer Menschen wurde auf der 54. Sitzung am 11.Oktober 2023 verabschiedet. Alle Staaten werden darin aufgefordert, alle Formen der Diskriminierung älterer Menschen zu verbieten und nichtdiskriminierende Politiken, nationale Strategien, Aktionspläne, Gesetze und Vorschriften zu verabschieden und umzusetzen, auch als Reaktion auf Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung. Sie werden aufgefordert, die vollständige Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für ältere Menschen zu fördern und zu gewährleisten. Unter anderem in den Bereichen Beschäftigung, sozialer Schutz, Wohnen, Bildung und Ausbildung, Zugang zu Technologien und Bereitstellung von Finanz-, Sozial-, Gesundheitsversorgungs-, Langzeitunterstützungs- und Palliativpflegediensten, und dabei sollen die Staaten systematisch die Konsultation und Beteiligung der älteren Menschen selbst und ihrer repräsentativen Organisationen vorsehen.
UN: DIE MENSCHENRECHTE DER ÄLTEREN unter: Link

- Wer die Anhörung im Paul-Löbe-Haus vor Ort verfolgen will:
Spätestens zwei Tage vor dem 8.11. anmelden unter dem link: Link

- Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen und auf Link übertragen.

- Die Stellungnahme der Regierungskoalition zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und die Aussagen dazu in den Parteiprogrammen finden Sie bei: Büro gegen Altersdiskriminierung unter Link

Quelle: BT-Drucksache 20/2696, UN-Resolution, diverses