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Hipp fordert: Höchstalter für medizinische Versorgung

02.04.2006 - von ddp, H. Schweitzer, K. Buschendorf

Der Babynahrungshersteller Claus Hipp, dessen Produkte auch von älteren Menschen gerne als Schonkost-Ersatz gekauft und gegessen werden, hat sich denjenigen zugesellt, die, ähnlich wie Mißfelder und gewisse ordentliche Professoren, eine biopolitische "Entsorgung" der künftig Älteren das Wort reden.

Im Zusammenhang mit der Bevölkerungsentwicklung müsse (wieso müsse?) man (wer ist das?) darüber nachdenken, ab welchem Alter die medizinische Versorgung nicht mehr zu leisten sei: „Wann man die Menschen lieber sterben lässt, weil sie die Wirtschaft belasten.“

Weiß Herr Hipp eigentlich nicht, das gerade die Medizintechnik, die Pharmaindustrie, die Pflegeindustrie, kurz die gesamte Gesundheitsindustrie ihre künftigen Wachstumsmärkt fast ausschießlich im wachsenden Anteil der älteren Bevölkerung sieht? Welche Wirtschaft soll also belastet werden? In diesem System wird alles zu Geld gemacht. Und ausgerechnet bei einer zunehmenden Zahl älterer Mesnchen soll das nicht gelingen? Konsumieren die nicht? Brauchen die keine Dienstleistungen? Wohnungen? Strom, Telefon etc? Welches Motiv also hat Herr Hipp, wenn er alten Menschen das Lebensrecht abspricht?

Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) zu den Hipp-Äußerungen: „Ich spreche mich strikt gegen eine Rationierung von Gesundheitsleistungen aus. Alte Menschen dürfen nicht das Gefühl haben, sich für ihre Existenz entschuldigen oder schämen zu müssen.“ Es dürfe keine Altersgrenze für Gesundheitsleistungen geben. Oberstes Gebot müsse der freie Zugang aller Menschen zu medizinischer Versorgung sein.

Claus Hipp, der wegen seines Reichtums ebensowenig wie seine Nachkommen von etwaigen Kürzungen oder biopolitischem Todschlag kaum betroffen werden dürfte, hat recht, wenn er sagt: „Der natürliche Beginn und das natürliche Ende des Lebens wird (werden!) noch ein großes Thema sein.“

Er trägt durch seine Äußerungen vom unwerten Leben der Alten dazu bei, dass sich die BürgerInnen durch ständige Wiederholung an Überlegungen zu Euthanasie und Leistungsentzug gewöhnen, und dem nichts mehr entgegensetzen, wenn der Staat denn mal zur Tat schreitet.

VdK-Chef Hirrlinger nannte Hipps „Mutmaßungen über einen vorzeitigen und gesellschaftlich gewollten Tod aus wirtschaftlichen Gründen absolut überflüssig“. Im Gegenteil müsse das Potenzial der älter werdenden Bürger ökonomisch effektiv genutzt werden, „anstatt uns ihrer zu entledigen, weil sie zu teuer werden“.

Meinhard Miegel vom Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) in Bonn, wen wundert es, trötet ins gleiche hippe Horn: „Die heute 30- bis 60-Jährigen haben durch ihr Verhalten den künftig Aktiven Lasten aufgebürdet, die sie selbst zu tragen nie bereit wären", beklagte Miegel. Im Rahmen der sozialen Sicherungssysteme müsse „radikal umgedacht werden“.

Klaus Buschendorf stellt die Hippschen Äußerungen in einen anderen Denkzusammenhang: "Das wahrhaft Erschreckende an dieser Meldung über die Äußerung des Herrn Hipp ist anderes. Die Lobby des Geldes hat es so weit gebracht, dass das Lamm Verständnis für den Wolf entwickelt. Wie konnte das geschehen? Indem in D. "Probleme" geschaffen werden:

  • Arbeitslosigkeit,
  • Bildungsnotstand,
  • Kinderlosigkeit,
  • Krankenkassen,
  • Rentenzahlung,
  • Kriminalität...

  • Alles wird in Talkshows fleißig diskutiert und unter dem Druck "fehlender Alternativen" wird Ausweglosigkeit vermittelt. Es gibt aber ein Hauptproblem. Würde dieses Problem angegangen, lösten sich alle anderen auf wie ein Tau sich in einzelne Stränge aufdröseln lässt:

    10% der Bevölkerung erleben alle Jahre 10% Zuwachs ihres Vermögens. Diese Leute besitzen aber schon 50% aller Vermögenswerte. (Angaben aus Gewerkschaftsunterlagen). Für alles gäbe es genug Geld, würde das Ergebnis der Arbeit in unserem Land gerecht verteilt. Doch keine Partei oder Bewegung nimmt sich dieses zentralen Themas an (Am nächsten dran ist noch die PDS). Einzelne kritische Stimmen werden mit einer "Neiddiskussion" niedergeschlagen. ´

    Unser Wirtschaftssystem ist so geartet, wie der Volksmund spricht: "Geld fließt immer da hin, wo schon Geld ist." Alle einzelnen "Problemlösungen", wie sie alle Bundesregierungen bisher in "Reformen" anboten, ändern nichts an der Fließrichtung des Geldes. Ein praktischer Beweis ist die jüngste Forderung des Bundestagspräsidenten: Die Diäten müssten um 1,6% erhöht werden. Das sei der Zuwachs an Einkommen in der Bundesrepublik, und die Abgeordneten müssten "nachziehen".

    Alle, die unsere "Probleme" einzeln lösen wollen: Befreien Sie Ihr Denken von der Logik der Talkshows! "Deutschland führt eine Scheindiskussion!" war vor kurzem in der Mailingliste zu lesen, gesprochen von Jeremias Ryfkin. Die Scheindiskussion wird geführt, um vom Hauptproblem abzulenken. Und Herr Hipp zieht mit.
    Link

    Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=8677
    Quelle: Professoren fordern: Keine teuren Behandlungen für über 75Jährige

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