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Mit 57 zu alt für Arbeitsmarkt-10 Jahre fehlen zur Rente

Köln, 2015 Foto:H.S.

10.05.2016 - von G.B.

Vor über einem Jahr wurde ich arbeitslos. Und nun, mit 57 Jahren muss ich feststellen, dass ich entgegen dem politischen Trend einer längeren Lebensarbeitszeit, auf dem Arbeitsmarkt scheinbar wegen meinem Alter diskriminiert werde. Ich bin überzeugt davon, dass ich als ältere Arbeitssuchende sogar auch noch wegen der Tatsache, dass ich weiblich und „alt“ bin, in zweifacher Weise diskriminiert werde.

Dies erstaunt mich umso mehr, weil von allen Seiten – auch von Vertretern der Wirtschaft – die Verlängerung der Lebensarbeitszeit stark propagiert wird.

Ich bin sicher, diese Ansage ist bei den älteren Arbeitnehmern angekommen und viele müssen/möchten und können deshalb auch bis zum regulären Renteneintrittsalter arbeiten. Was hier aber nicht zusammenpasst ist, auf der einen Seite die Forderung nach einer längeren Lebensarbeitszeit von Politik und Wirtschaft – jedoch andererseits die Tatsache, dass Arbeitssuchende mit 50+ kaum mehr eine Chance haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Hierzu gibt es einige Studien mit dem Ergebnis, dass nur noch jeder 6. über 50 einen Arbeitsplatz findet.

Wäre es dann nicht ehrlicher (und in der Konsequenz auch zielführender), wenn alle Beteiligten zugeben, dass die Menschen zwar theoretisch länger arbeiten müssten, um die gesetzliche Rente leistungsfähig zu halten, aber in der Realität kaum ein Unternehmer einen älteren Arbeitnehmer einstellen möchte?
Diese Erfahrung mache ich jetzt gerade.

Ich bin jetzt 57 Jahre alt und seit über einem Jahr arbeitslos. Zum 31.01.2015 wurde ich in meiner letzten Stelle als Vorstandsassistentin gekündigt, weil diese Firma im Bereich der erneuerbaren Energien tätig war und aufgrund der sich verschlechternden gesetzlichen Rahmenbedingungen ihr Personal komplett abbauen musste.

Mir war völlig klar, dass es schwierig werden würde, in diesem Alter einen Arbeitsplatz zu finden, aber dass es bis jetzt unmöglich ist, damit habe ich nicht gerechnet. In diesem o.g. Zeitraum habe ich nun schon über 120 Bewerbungen verschickt. Zu ca. 85 % sind die Stellenangebote nur noch über Personalvermittlungsfirmen zugänglich. Von diesen Personalvermittlungsfirmen haben mich nur wenige zu einem Vorstellungstermin eingeladen. Sie waren wohl sehr angetan von meiner Vita und meiner vielseitigen Berufserfahrung – also ich bekam ein sehr positives Feedback. Leider konnten sie mich aber bisher nie an einen Arbeitgeber vermitteln und es darf einem zwar niemand direkt sagen, dass es am Alter liegt, aber es kommt „durch die Blume“ schon an, dass es daran liegt. Dieser Eindruck verstärkt sich auch deshalb, weil ich von diesen potentiellen Arbeitgebern nicht einmal die Gelegenheit erhalten habe, mich persönlich zu präsentieren. Mittlerweile bin ich überzeugt davon, dass hier eine ganz klare Altersdiskriminierung vorliegt. Mit Anfang 20 bin ich als Quereinsteiger ohne jegliche Kenntnisse im Assistenzbereich eingestellt worden, obwohl ich auch noch alleinerziehend mit einem kleinen Baby war. Heute bin in diesem Bereich kompetent, qualifiziert und über die Massen flexibel und engagiert – aber jetzt bin ich für den Arbeitsmarkt nicht mehr interessant.

Jetzt können Sie sagen, dass ich eine Diskriminierung nachweisen muss. Aber natürlich bin ich dazu nicht in der Lage, weil mir keine Kenntnisse darüber vorliegen, welche Personen sich auf eine Stelle beworben haben und auch weiß ich nicht, wer dann aus welchem Grund eingestellt wurde. Deshalb müsste der Arbeitgeber beweisen müssen, dass er mich nicht aufgrund von Altersdiskriminierung abgelehnt hat.

Mein aktuelles existenzbedrohliches Problem ist, dass ich jetzt nach 40 Jahren Berufstätigkeit - ich war auch alleinerziehend und immer in Vollzeit beschäftigt – nun kurz vor Hartz IV stehe. Das bedeutet für mich nicht nur, dass ich davon nicht leben kann (meine 3 Katzen kann ich dann definitiv ins Tierheim geben und meine Enkelin werde ich dann nicht einmal mehr auf ein Eis einladen können), sondern das macht auch meine ganze „Lebensleistung“ in der ich mir von meinen relativ guten Gehältern eine akzeptable Rente erarbeitet habe, wertlos.

Fazit: erst werde ich wegen Nichtbeschäftigung in die Hartz IV-Armut getrieben, woraus folgt, dass meine Rente an diesem Punkt auch eingefroren wird und ich in der Rente dann auch wieder an der Armutsgrenze bin. Ich fühle mich von diesem System total auf den Arm genommen und ausgegrenzt.

Ich kann mir wegen meiner jetzigen Situation keinen Vorwurf machen. Ich will arbeiten, ich kann arbeiten, mein letztes Arbeitszeugnis ist erstklassig – also auch hier kein Defizit.

Da ich weiterhin und ständig mit diesen Forderungen der Politik und Wirtschaft mit immer länger werdenden Lebensarbeitszeiten aus den Medien überschüttet werde, möchte ich wirklich mal wissen: Wie sollen diese realisiert werden, wenn in einer Gesellschaft mit Schönheits- und Jugendwahn, ältere Arbeitnehmer nicht gewünscht sind.

Solange sich die Politik und die Wirtschaft nicht aktiv an der Umsetzung einer längeren Lebensarbeitszeit beteiligt, bleibt diese Forderung nur Utopie. Das Traurige hierbei ist, dass Menschen in die Armut getrieben werden und gnadenlos auf der Strecke bleiben.

Link: Alter und Arbeitslosigkeit
Quelle: Mail an die Redaktion

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