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Statt Krieg der Generationen: Lasst uns die Reichen bekämpfen

Foto: H.S.

29.11.2019 - von H.S.

Das Schimpfwort, ´ok boomer` wurde in den USA von Teenagern kreiert, um die Generation der Babyboomer mit ihren antiquierten Ideen über die Welt zu diskreditieren. Als Meme* hat es sich schnell in den sozialen Netzwerken verbreitet. Farhad Manjoo, Autor der New York Times, in der Rubrik "Opinion" zuständig für Technologie, Kultur und Globales, setzt dem ´ok boomer` in einem Artikel entgegen: Es sei doch viel besser, stattdessen ein abschätziges ´ok millionäre` zu propagieren. Die Etiketten, mit denen unterschiedliche Generationen versehen würden, wie Boomer, Millennials, Generation X, Generation Z, seien gänzlich nutzlos.

"Die Idee, dass Dutzende von Millionen Menschen aus verschiedenen Klassen und Rassen und Regionen ähnliche Ansichten zu einer Reihe von Themen haben könnten, nur weil sie zufällig in den gleichen 20 Jahren in Amerika geboren wurden - das klingt ein wenig zu sehr nach Astrologie", so der Autor. Diesen Etiketten würde viel zu viel Bedeutung beigemessen.

Manjoo beschreibt sich selbst als einen Mann aus der Generation X. Er könne aber durchaus auch als Boomer gelten denn: "In letzter Zeit habe ich eine verrückte Verschwörungstheorie über die Generationenanalyse gepflegt: Ich denke, es handelt sich dabei um einen Plan von The Man, um uns davon abzuhalten, die Welt zu verändern." Durch die Betonung der Generationsunterschiede sollen nach seiner Meinung die Massen davon abgelenkt werden, "wichtigere Unterschiede in der Gesellschaft aufzugreifen“, dazu gehört für ihn besonders "die Macht der Reichen, ganz unabhängig von ihrem Alter." Deshalb würde ihm das überall auftauchende höhnisch gemeinte Meme ´ok boomer`, "im permanenten Krieg zwischen Jung und Alt" nicht gefallen.

"Auf den ersten Blick sei ´ok boomer` zwar die perfekte Antwort der Teenager auf ihren rassistischen Opa auf Facebook und ihren liberalen Onkel an der Wall Street, der sich große Sorgen um "Medicare for All" mache. Die Teenager lägen richtig damit, "dass die Inhaber der politischen und wirtschaftlichen Macht in Amerika über mehrere Generationen und politische Ideologien hinweg die Sache der Zukunft völlig durcheinander gebracht" hätten. Von den "Boomer-Führungskräften (und ihren Vorfahren)" sei "zu wenig in langfristige Infrastruktur und Sicherheitsnetze sowie Wirtschafts- und Umweltvorschriften" investiert worden. Sie hätten es übertrieben mit "Kriegen und Steuersenkungen und systemischer Deregulierung." Auch wären sie "lange Zeit" blind gewesen für rassistische und geschlechtsspezifische Voreingenommenheit, sexuelle Belästigung und so ziemlich jede andere Form der systemischen Diskriminierung. Deshalb, folgert Manjoo, sei "das Land und die Welt zu dem traurigen Ort gemacht worden, an dem wir uns jetzt befinden."

Trotzdem wäre es ein Fehler," so der Autor, "alle Boomer für die Sünden der Mächtigsten unter ihnen verantwortlich zu machen. Das Meme ´ok boomer` ignoriere "die enormen Unterschiede innerhalb der Nachkriegsgeneration -“, schließlich gäbe es "reiche Boomer und arme, weit-linke Boomer und weit-rechte, Boomer, die für das Recht kämpfen und solche, die hoffnungslos in der Vergangenheit festsitzen." Auch blieben andere Generationen beim pauschalen Boomerbashing unberücksichtigt.

Wie wäre es stattdessen, fragt Manjoo, nicht mehr despektierlich von ´ok boomer` zu sprechen, sondern abwertend von ´ok millionäre`? Er selbst habe ja noch im Februar argumentiert, "dass man die Milliardäre und Möchtegern-Milliardäre "abschaffen" solle, weil ihre Kontrolle über die amerikanischen Ressourcen viel zu groß sei."

Seine Schlussfolgerung daraus ist, "dass politische Veränderungen, vom Klimawandel über die Masseninhaftierungen bis hin zu einer Niederlage von Donald Trump" nur durch generationenübergreifendes Handeln zustande kommen können. In Amerika sei das aber schwierig. Dort sei man so konditioniert worden, dass alle Menschen, die jünger oder älter seien als man selbst, "völlig fremde Wesen" sein könnten."

Das es auch anders gehen kann, dass andere Zusammenschlüsse "in der sich vergrößernden Dystopie Amerikas" möglich sind, erläutert er an zwei Beispielen. So habe die jüngste Abgeordnete der Demokraten, die 30-jährige Alexandria Ocasio-Cortez, den 78-jährigen Bernie Sanders wegen seiner seit Jahrzehnten fortschrittlichen Ansichten als künftigen Präsidenten favorisiert. Und mit Greta Thunberg habe sie darüber gesprochen, "dass man viel älter und immer noch Teil einer Jugendbewegung sein kann, wenn man sich weigert, Dinge zu tun, nur weil sie so immer gemacht wurden".

Fazit des Autors: Die Zukunft kann sich ändern, wenn sich die Generationen einig sind: "16-Jährige und 30-Jährige und 78-Jährigen, die sich zusammenschließen, um die Reichen zu demolieren, die heute die Welt regieren."
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Eat the Rich, warum wohl liest man so etwas nicht in einer bürgerlichen deutschsprachigen Zeitung??

* Meme siehe: Link

Fahrhad Manjoo: Instead of a Generational Culture War, Let`s Fight the Rich" : Link

Quelle: Farhad Manjoo in: New York Times, 6.11.2019