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08.02.2020 - von Hartmut Jeromin
In welche Welt geben wir unsere Kinder in diesen Zeiten? Der Lebenserhaltungstrieb ist der stärkste menschliche Trieb, das ist naturnotwendig. Und Menschen hierzulande kämpfen nun 81 Jahre erfolgreich gegen ein vorzeitiges Beenden ihres Lebens, im Durchschnitt. Dann haben sie es geschafft, sie müssen nicht mehr widerstehen, dafür sorgte der nächststarke Trieb des Menschen, der Fortpflanzungstrieb. Einige wenige Jahrgänge sind da zuständig und sie sorgen für den Bestand, mehr oder weniger.
Mit ihrer Fruchtbarkeitsrate von 1,5 (durchschnittl. Zahl der Kinder einer Frau), daraus erwächst die Geburtenrate von 9 (jährliche Kinderzahl pro 1.000 Einwohner) und daraus die Bevölkerungsentwicklung von 0,1/ 1990 bis 0,0/ 2016 bis 2030 (Zunahme oder Gleichstand oder Abnahme in % der Gesamtbevölkerung). Da aber Wachstum in der Wirtschaft der Idealfall sein soll, sollte das auch bei der Bevölkerung so sein. Wozu sonst Wachstum? Nur wegen der steigenden Ansprüche? ( Zahlen aus „Fischer-Weltalmanach“ 2019).
.Also setzen „wir“ im Jahr so 700.000 Kinder in diese Welt und haben damit in den ersten 15 Lebensjahren je 11 Millionen Heranwachsende zu versorgen, mit allem, was es dazu braucht!
Und mich treibt um: In welche Welt geben wir diese neuen Menschen? Zunächst noch geschützt durch den wieder nächststärksten Trieb, den Nestpflegetrieb, aber zunehmend ungeschützt vor der „rauen“ Wirklichkeit. Wenn ich mich umsehe in den zuständigen Jahrgängen: Geburtsanzeigen in der Montagszeitung enthalten mehr unverheiratete Eltern als verheiratete. Sie verzichten auf die Tradition der amtlichen Zusammenschreibung. Das geht nur solange gut, bis daraus eine/ ein Alleinerziehender wird.
Das Gesetz sorgt nun zwar für den materiellen Ausgleich, aber es wirkt doch sehr auf den Nachwuchs, wenn ein Elternteil „auslatscht“. Also wird eine Kinderbetreuung notwendig, weil die Eltern ja Geld verdienen müssen. Nun kann es kritisch werden: An welche Personen gerät das Kind; unter welchen zeitlichen Zwängen läuft das ab? Wer hilft bei besonderen Situationen? Eltern, die den Wettlauf nicht mitmachen, sitzen zu Hause, rauchen, spielen mit dem Smartfone und gehen früh mit dem Nachwuchs zu Gleichgesinnten in die Ikea- Lounge... beziehen Hartz-4 und richten sich damit ein. Auch eine Wirklichkeit!
Der „Normalbürger“ macht weiter, schult sein Kind ein. Hortbetreuung ist angesagt mit allem dafür und dawieder, setzt das Kind der staatlich verordneten Selektion auf verschiedene Bildungswege aus. Weil er „auf Arbeit geht“ oder schlimmstenfalls „in Schichten“ arbeitet. Denn die Raten und Zinsen des Hauskredits müssen regelmäßig bedient werden. Das Familienleben wird der Berufswelt untergeordnet. Ich saß immer wie auf Kohlen, wenn die Versammlungen am Mittwoch nicht enden wollten. Die Kinder waren vor 18°° Uhr abzuholen im Kindergarten...
Zu Weihnachten saßen wir in Familie in der guten Stube, eine Kiste mit Schulsachen wurde hervorgeholt und der Inhalt Stück für Stück kommentiert, besonders von Robert, dem 16jährigen Enkel. Er hatte ein gutes Erinnerungsvermögen. Mir verrieten die Zeichnungen und Basteleien, dass dafür ein ganzes Programm im Kindergarten und in der Schule abgelaufen war und gut umgesetzt wurde. Auch das Besondere in Robert kam zum Ausdruck. Darüber, was außerdem in seiner Schulzeit noch passierte, könnten Zeugnisse Auskunft geben. Die wurden aber nicht herbeigeholt. Der Fächerkanon in den Schuljahren hätte von den Lehrplänen und ihrer Umsetzung gesprochen. Mit der Schulpflicht entzieht der Staat das Kind mehr und mehr den Eltern und verordnet eine geplante Erziehung und Bildung. Und hier liegt zunächst der Hase im Pfeffer:
Kaum ein Elternteil kann wissen, ob die Lehrpläne dem Kind nützen und damit der Gesellschaft. Sie müssen es hinnehmen. Wenn sie dem vertrauen, ist es gut, aber da gibt es immer mal wieder Störungen, meist hervorgerufen von den eigenen Lebenserfahrungen der Eltern und Großeltern. Und von der Qualität der Umsetzung. Und von der Widerständigkeit des Zöglings. Der gegenwärtige Lehrermangel tut ein Übriges. Und die Umwelt i.w.S.
Und hier beginnt ja mein Überlegen: Was ist das für eine Umwelt? Was macht sie mit den Menschen, mit den Eltern und ihrem Nachwuchs. Das Sprichwort sagt nicht umsonst: Die Umwelt formt den Menschen. Und ein Blick in meine eigene Vergangenheit kann dem Recht geben.
Zunächst erscheint es so, dass alle friedlich mit- und nebeneinander her leben. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass doch Wettbewerb und Konkurrenz das Leben weitgehend bestimmen. Das dabei nicht alle mit gleichen Waffen kämpfen. Es sind nicht alle gleich, denn ... manche sind gleicher. Und so entstehen schon auf dem Schulhof immer wieder „Hackordnungen“. Und durch eine Bewertungsordnung wird das auch staatlich verfestigt. Und dann: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Laut Märchen also so ganz neu auch nicht. Man wird verschiedenen Lebensbahnen zugeordnet. Und dann? Schuster, bleib bei deinen Leisten!?
In diesen Zusammenhängen plädiere ich für eine Allgemeinbildung, die es jedem ermöglicht, fast jeden Beruf ergreifen zu können. Es sei denn, es stehen wesentliche Eigenschaften der Person dagegen. Nicht die Verwendbarkeit in der Berufswelt ist das Hauptkriterium, sondern die bestmögliche Entwicklung der Persönlichkeit. Und jeder Mensch hat spezielle Begabungen- wenn sie denn erkannt, entwickelt und brauchbar gemacht werden. Daraus ergeben sich die obersten Erziehungs- und Bildungsziele. So kann der Zögling dann einer verfestigten Umwelt entgegentreten und sie auch mitbestimmend verändern...
Aber wie ist die Wirklichkeit rundherum: Pessimistisch betrachtet- besch...n... Interessenkonflikte jeder Sorte. Friedlich geht es nicht zu. Es rauchen die Colts. Was soll ein Kind davon halten? Ich erinnere mich kaum an Kriegszeiten in meiner Kindheit, obwohl er tobte. Umso mehr erinnere ich mich an die Nachkriegszeit. Auch nicht viel besser, z.B. denke ich an die Wohnungsnot damals. Als Teil einer 10köpfigen Familie- kein Wunder. Nur die Kinderbibliothek ist mir besser in der Erinnerung geblieben. Obwohl ich zunächst nach Hause geschickt wurde, um mit sauberen Händen wieder zu kommen.
Im Januar 53 las ich „Das Eismeer ruft“ von Alex Wedding https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Eismeer_ruft_(1984) , draußen herrschte Schnee und Frost. Die Mutter im Krankenhaus bei der Geburt meiner jüngsten Schwester, der Vater bei der Bauunion auf Arbeit. Ich sollte immer die Haustiere versorgen, die Ziegen melken.
Vom Lesen konnte ich mich ganz schwer losreißen... das Eismeer rief. So etwa war die Umwelt damals. Und der Schulweg war weit. Und die Schulklassen waren voll. Und mich hatte für immer die Lesewut gepackt. Und als die Mutter mit dem neuen Kind nach Hause kam, traute ich mich zunächst nicht in die Wohnung. Das schlechte Gewissen wegen der Ziegen hielt mich bis in die Dunkelheit im Freien, bei Eis und Schnee.
So geriet ich in den folgenden Jahren noch in viele Konflikte. Die Umwelt reagierte auf meine Widerstände. Und ich musste "Lehrgeld" zahlen, jede Menge. Direkt ein Meister in Konfliktbewältigung wurde ich nicht, eher in Erzeugung von Konflikten. Nur manchmal gelang es mir mit Hilfe wohlmeinender Mitmenschen, mit Selbstbewusstsein aus der Auseinandersetzung hervorzugehen.
Im Berufsleben wurden die „Kämpfe“ ernsthafter und folgenreicher. Und Literaturkenntnisse machten das Kraut auch nicht fett. Die Pflichten hatten mich im Griff, über Jahrzehnte. Nur ganz allmählich trat mein eigentliches ich zu Tage, ich fand Bestätigung bei dem, was getan werden musste, bei dem, was ich wollte und tat.
Und nun freuen wir uns bei den Treffen über den vielen Spaß, den wir trotz allem am Leben hatten. Das ist nun also doch die optimistische Seite des gelebten Lebens. Wir, das sind so viele Menschen, denen ich Dank schulde für ihre Mitmenschlichkeit, denkt Hartmut Jeromin im Januar 2020.
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