Foto: H.S.
28.06.2023 - von Hanne Schweitzer
In der Süddeutschen Zeitung rügt Dominik Graf die Forderung der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung*, Ferda Ataman. Diese möchte, dass Artikel 3 des Grundgesetzes um den Begriff "Lebensalter" erweitert wird. Graf bezeichnet diese Forderung als "kurios" und "unangemessen".
Er argumentiert so:
Die Ablehnung älterer BewerberInnen auf dem Arbeitsmarkt sei Folge der "gnadenlose(n) Verwertungslogik des Wirtschaftssystems". Die Guten ins Töpfchen die Schlechten ins Kröpfchen, die einen auf der Rampe nach links, die anderen nach rechts. Wer nicht mehr schnell genug ist oder zu viel Lohn oder Gehalt verlangt, wird mit 50 "aussortiert", so ist es halt das System. Eine Änderung von Artikel 3 GG wird daran nichts ändern, meint Graf.
"Noch kurioser" kommt ihm Frau Atamans Vorschlag vor, wenn er ihn "von der anderen Seite betrachtet". Damit meint er die Seite derjenigen, von denen die Verwertungslogik des Systems exekutiert wird. Er nennt "Dax-Vorstände", "Ministerpräsidenten" und - "Sparkassendirektoren". Diese seien, "auch wenn für Sparkassendirektoren keine Statistik vorliegt", "nahezu alle über 50", hätten aber "keinen Extra-Bedarf an Schutz vor Diskriminierung".
Fazit Graf:
Die einen können nicht geschützt werden, weil sie Opfer der Verwertungslogik des Wirtschaftsssystems sind. Die anderen, an den "gesellschaftlichen Schaltstellen", die das System auf Effizienz und Gewinnmaximierung ausrichten und nicht auf den Schutz älterer ArbeitnehmerInnen, brauchen keine Ergänzung des Grundgesetzes. Sie sind so privilegiert, dass sie nicht wegen ihres Lebensalters diskriminiert werden.
Altersdiskriminierung und Klassizismus
Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse bestimmt über den Zugang zu wirtschaftlicher Macht, zur Ressourcenverteilung und den Zugang zu Chancen. Der Aspekt, dass bestimmte Klassen oder Schichten privilegiert sind und/oder Machtpositionen innehaben, während andere weder Privilegien noch Machtpositionen besitzen, spielt in der Debatte über Altersdiskriminierung nur eine winzige Rolle, obwohl sich diese Ungleichheiten ganz besonders im höheren Lebensalter bemerkbar machen. Ältere Menschen aus benachteiligten sozialen Klassen haben seltener Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten, zur (Fort-)Bildung, zu Krediten, zu preiswerten Versicherungen, zum Wohnungsmarkt, zu guter Kranken-(haus)behandlung, zu guten Seniorenheimen. Ohne die Folgen detailliert zu benennen, hat Dominik Graf eine wichtige Ursache für Altersdiskriminierung in seinem Kommentar glasklar herausgearbeitet.
*siehe Spiegel unter: Link
siehe auch 5.5.2023: Schutz vor Altersdiskriminierung: Was sich ändern muss ! Was steht im Koalitionsvertrag und den Parteiprogrammen der Koalitionäre ? unter: Link
26.6.2023: Rechtes Presseorgan thematisiert Altersdiskriminierung wenig kenntnisreich
Um den Artikel vom 26.6.2023 lesen zu können, muss man sich bei der Wochenzeitung Junge Freiheit registrieren. Doch schon die Überschrift ist informativ: „Altersdiskriminierung“: Ferda Ataman schützt jetzt den „alten weißen Mann“, lautet sie.
In den ersten beiden Sätzen des Kommentars von Sandro Serafin wird das weiter ausgeführt. "Bevor Antidiskriminierungs-Beauftragte nichts zu tun haben, erfinden sie neue benachteiligte Gruppen. Ferda Ataman entdeckt dafür die ältere Generation."
Das ist falsch. Ataman hat die Alten als benachteiligte Gruppe nicht ERfunden, sondern VORgefunden. "Entdeckt" wurde die "benachteiligte Gruppe" schon vor knapp 23 Jahren. Im November 2000 hat der Europäische die Richtlinie 78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf erlassen. Damit ging für alle Mitgliedsstaaten der EU die Verpflichtung einher, Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Geschlechts, des Alters oder der sexuellen Identität zu bekämpfen.
Falsch ist auch, dass die Richtlinie nur für den "alten weißen Mann" gilt. Sie bezieht sich auf alle Geschlechter und alle, die volljährig sind, also nicht nur auf die Alten.
In Deutschland wurden 2006 lediglich die Mindestanforderungen der Richtlinie 78 durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgesetzt. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist von einer Novellierung des AGG die Rede.
Eine Tag später berichtet die Junge Freiheit erneut über die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. Wieder ist der Beitrag mit einem großen Foto von Frau Ataman aufgemacht, die diesmal als Suchende beschrieben wird: "Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman, ist auf der Suche nach neuen Rassismus-Tatbeständen. Neu im Visier: Künstliche Intelligenz. Auch zur Landratswahl in Sonneberg hat sie eine Meinung." Diese wird unkommentiert im Artikel wiedergegeben. „Es ist das 1.Mal, dass ein rechtsextremer Politiker ein Amt bekommen hat u das macht Menschen mit Behinderung, Rassismuserfahrung, jüdischen Menschen […] Angst.“
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