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Die Polizistin, der Kopf und der Kubus in Frankfurt am Main

Foto: H.S.

02.07.2020 - von Hanne Schweitzer

"Die Polizei ist unser Freund und Helfer! Unsere Polizistinnen und Polizisten schützen uns und halten für uns den Kopf hin." So kann man es lesen auf der Webseite des Franz-Josef-Strauß-Hauses in München. Von Bedeutung ist aber auch, was in solch einem Polizistenkopf drin ist. Das zeigte sich bei einem Besuch in Frankfurt.

Nachdem wir uns einig waren, dass das architektonische Gefrickel rund um das zumindest von außen gelungene doppeltürmige Hochhaus der Europäischen Zentralbank am Main wohl den Volontären zugeschrieben werden muss, machten wir uns auf den Weg zum alten jüdischen Friedhof. In dessen gewundener, 300 Meter langen Außenmauer sind in fünf Reihen untereinander bisher fast 12.000 Stahlblöcke in den Verputz der Mauer eingelassen. Auf fast jedem der vier Zentimeter aus der Mauer hervorstehenden Blöcke ist ein Name, ein Geburts- und Sterbedatum und der Deportationsort eines jüdischen Frankfurter Bürgers oder einer Bürgerin eingraviert, der oder die im 3. Reich ermordet wurde. Wenige Stahlblöcke sind unbeschriftet. Aber auf jedem liegt zur Erinnerung an die Toten ein kleiner Stein.

Nikolaus Hirsch, Wolfgang Lorch und Andrea Wandel ist in Frankfurt eine beeindruckende Gedenkstätte gelungen, die sich wohltuend von der Monumentalität und Anonymität des Holocaust-Denkmals in Berlin unterscheidet.

Wir gehen an der Friedhofsmauer mit den tausenden Namen der Ermordeten entlang und kommen auf einen kleinen, menschenleeren mit Platanen bestandenen Platz. Dort ist der Eingang zum Friedhof. In der Platzmitte steht ein großer Kubus aus alten, unterschiedlich großen Steinen in verschiedenen Formen und Farben, die in mehreren Lagen in- und übereinander gestapelt sind. Kein Hinweis auf seine Bedeutung.

Direkt neben dem Friedhof ist das Jüdische Museum und davor parkt, wie das hierzulande so sein muss, ein Polizeiwagen. Davor eine junge Polizistin, die gelangweilt auf ihr Mobiltelefon schaut. Wir gehen zu ihr und fragen, ob sie uns sagen kann, was der Kubus für eine Bedeutung hat. "Weiß ich nicht", antwortet sie. Steht da, eine junge Frau in Uniform, die ein jüdisches Museum bewacht, vor ihr die Friedhofsmauer mit den Namen, darunter der von Anne Frank, leicht versetzt neben der Staatsdienerin eine Gedenktafel, deren Inschrift daran erinnert, dass "hier die Börne-Synagoge gestanden hat, welche von Naziverbrechern am 9. November 1938 zerstört wurde". Ein paar Schritte von ihr entfernt der kleine Platz mit dem Kubus. Und sie weiß nicht, was es mit dem Kubus auf sich hat. Keiner hat es ihr gesagt. Es interessiert sie nicht. Sie muss hier stehen, so lautet ihr Dienstauftrag, das genügt. Befehl ist Befehl. Interesse, Neugier - Fehlanzeige. Kopf: leer.

Der Kubus, erfahren wir dann im Museum, wurde aus den steinernen Resten der Synagoge und des ersten jüdischen Ghettos in Europa gebaut, das 1460 in Frankfurt am Main errichtet worden ist.

siehe auch: Kaspar König über die Gedenkstätte Neuer Börneplatz unter: Link

Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung