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Befragung von ver.di Südbaden zum Pandemieschutz in Pflegeheimen

Foto: H.S.

11.02.2021 - von Ver.di

Einen aktuellen Pandemie- Barometer stellt jetzt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Südbaden Schwarzwald für Pflegeeinrichtungen in der Region vor. Dabei wurde ein umfangreicher Nachholbedarf für die Einrichtungen in Sachen Pandemie-Schutz festgestellt. Wie sieht es in den Pandemiezeiten aus in den Pflegeeinrichtungen im ver.di-Bezirk Südbaden Schwarzwald? Ver.di wollte das aus Sicht der Beschäftigten wissen. Wie beurteilen sie die Coronasituation? Zwischen 20. und 31.Januar 2021 wurde Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen im ver.di-Bezirk Südbaden Schwarzwald befragt. Es gab eine breite Rückmeldung aus 35 Einrichtungen zwischen Konstanz, Hochrhein, Freiburg und der Ortenau mit insgesamt rund 2750 Plätzen und rund 2800 Beschäftigten. Es waren Einrichtungen von öffentlichen Trägern genauso vertreten wie von Wohlfahrtsverbänden, weiteren frei-gemeinnützige und privaten Trägern.

Fazit – das sagen die Beschäftigten:

Schutzmaßnahmen greifen trotz einiger Mängel
Schutzausrüstung, Hygienemaßnahmen, Schulung, Kommunikation und Erholungszeiten wichtig
für Testungen braucht es mehr Ressourcen, Impfen muss schneller vorangehen,
Es fehlt an Zeit, um adäquat auf die Bedürfnisse der Bewohner_innen eingehen zu können
Es fehlt an Personal und dauerhaft guter Bezahlung
Menschlichkeit bleibt oftmals auf der Strecke, Sehnsucht nach Normalität
Kollegialität und Zusammenhalt helfen in schwierigen Zeiten

Die Ergebnisse ergaben zu den einzelne Fragen ein differenziertes Bild:

In den allermeisten Einrichtungen gibt es zwar Pandemiekonzepte, sie werden aber aus Sicht der Beschäftigten nicht immer eingehalten und umgesetzt.

Nur in 2/3 der Beschäftigten gab an, dass es in ihre Einrichtung spezifisch zu Corona-Hygienemaßnahmen geschult wurde.

Vielen Beschäftigten fehlt auch schlicht die Zeit, alle notwendigen Hygienemaßnahmen durchgehend einhalten. Personalknappheit gab es schon vor der Pandemie, jetzt schlagen die Probleme umso stärker durch.

Die Ausstattung mit persönlicher Schutzausrüstung - insbesondere Masken – hat sich im Vergleich zur ersten Welle im Frühjahr verbessert. Allerdings berichten rund ein Viertel der Beschäftigten immer noch von Lücken, z.B. auch bei der Ausstattung mit Schutzkleidung und Schutzbrillen.

Nur ein Drittel der Beschäftigten berichten, dass Corona-Schnelltests konsequent vor jedem Arbeitsbeginn durchgeführt werden. In den meisten Einrichtungen werden die Beschäftigten 2-3x pro Woche getestet. Auch wird berichtet, dass Testungen nicht vor Arbeitsbeginn, sondern am Schichtende durchgeführt werden. Die Corona-Verordnung in Baden-Württemberg sieht verpflichtende Tests des Pflegepersonals von Alten- und Pflegeheimen mindestens dreimal pro Woche vor.

Bei Corona-Verdachtsfällen berichten die Beschäftigten durchgehend, das Quarantäne-Vorgaben eingehalten werden.

Aus drei Einrichtungen berichteten Beschäftigten konkret, dass Arbeitgeber verlangt haben, dass Beschäftigte trotz positivem Corona-Test zur Arbeit kommen sollten.

Nur aus gut der Hälfte der befragten Einrichtungen melden Beschäftigte zurück, dass die betriebliche Interessenvertretung (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung) in Schutzmaßnahmen eingebunden ist. Nach wie vor gibt es in einer erheblichen Anzahl von Einrichtungen (vor allem von privaten Trägern) gar keine betriebliche Interessenvertretung.

Insgesamt fühlen sich rund 83% der Befragten bei der Arbeit in Pandemiezeiten ausreichend geschützt, 13% sagen das ausdrücklich nicht. Ein ähnliches Bild ergibt sich zur Frage, ob die Versorgung der Bewohner*innen angesichts der Pandemie akzeptabel ist: 83% sagen ja, 17% nein.

Viele Beschäftigten schilderten ausführlich Ihre Situation und was sie belastet.

„Die Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen arbeiten am Limit, oftmals darüber hinaus. Sie zeigen hohe Verantwortung und Empathie und machen sich große Sorgen um die Bewohner_innen. Oftmals bleibt dabei der eigene Schutz und die Sorge um sich selbst auf der Strecke. Ihren eigenen hohen Ansprüchen können sie unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum gerecht werden“ erläutert Ingo Busch, Gewerkschaftssekretär bei ver.di Südbaden Schwarzwald die vielen Rückmeldungen und Kommentare in der Befragung.

„Die Ergebnisse der Umfrage zeigen auch, dass viele Arbeitgeber ihre Hausaufgaben nicht machen. Hygienekonzepte werden nicht klar kommuniziert und umgesetzt. Viele Beschäftigte fühlen sich verunsichert. Unsere Umfrage macht weiter wie unter einem Brennglas deutlich, wo die Probleme in der Altenpflege liegen: Zu wenig Zeit für die Bewohner_innen, zu wenig Zeit für Schutz und Erholung der Beschäftigten, zu wenig Zeit für gute Kommunikation, zu wenig starke betriebliche Strukturen im Interesse der Beschäftigten“ erläutert Michael Herbstritt, ebenso Gewerkschaftssekretär bei ver.di Südbaden Schwarzwald.

Sein Kollege Thomas Weisz ergänzt: „Die Beschäftigten wünschen sich satt kurzfristigem Applaus flächendeckend eine verlässliche, auskömmliche tarifliche Bezahlung. Wir brauchen endlich eine flächendeckende, am Bedarf orientierte personelle Mindestausstattung. Seit Jahren werden z.B. Personalmittel für Investitionen zweckentfremdet, die eigentlich vom Land zu finanzieren wären. So darf das nicht weitergehen. “

Reiner Geis, Geschäftsführer bei ver.di Südbaden Schwarzwald erklärt: „Bei den anstehenden Landes- und Bundestagswahlen wird ver.di die Kandidat*innen in die Pflicht nehmen. Die Rahmenbedingungen in der Altenpflege müssen grundlegend verändert und verbessert werden.“

Quelle: Ver.di Südbaden