Diskriminierung melden
Suchen:

Bundesjustizminister plant digitale Altersdiskriminierung bei Wohnungseigentümer-Versammlungen

Foto: H.S.

31.08.2023 - von Hanne Schweitzer

Das neue Wohnungseigentumsgesetz aus dem Jahr 2020 gibt den Verwaltern, die sich jetzt auch als Geschäftsführer bestellen lassen können, nicht mehr nur Macht. Das Gesetz schreibt u.a vor, das Eigentümerversammlungen in Präsenz oder hybrid, also in Präsenz und online abgehalten werden können.

Das ist nun aber überholt und veraltet und soll geändert werden. Gefordert werden von der Immobilienwirtschaft reine Online-Versammlungen. Darum haben sich in einem Offenen Brief neun Immobilien- und Verwaltungsunternehmen an den Bundesjustizminister Marco Buschmann gewandt. Sie verwalten insgesamt 500.000 Wohnungen und begründen ihre Initiative wie folgt:

1. Bei den anstehenden Aufgaben der energetischen Sanierung des Gebäudebestands gäbe es ein praktisches Bedürfnis.
2. Die Erfahrung habe gezeigt, "dass sich dort, wo Online-Eigentümerversammlungen ungeachtet der derzeitigen Rechtslage bereits durchgeführt werden, mehr Eigentümer einbrächten und beteiligten."
Unterzeichner des Offenen Briefs vom 7.12.2022 an das Bundesjustizministerium, das flink reagiert hat, sind: Bietigheimer Wohnbau, Ecowo, Frank-Gruppe, Kunze-Gruppe, Reanovo, Treubau Immobilienverwaltung, Schaefer & Wunsch Immobilienmanagement sowie Verwey.

Schon im März legte das von Marco Buschmann (FDP) geführte Ministerium einen aktuellen Referentenentwurf vor. Paragraf 23 Abs. 2a WEG sieht vor: "Die Wohnungseigentümer können mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass diese Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung OHNE PSYCHISCHE PRÄSENZ der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungseigentümerversammlung). Die virtuelle Wohnungseigentümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein."

- Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) begrüßt den Gesetzentwurf.
- Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) begrüßt den Gesetzentwurf.
- Der Eigentümerverband "Wohnen im Eigentum (WiE)" lehnt den Entwurf ab.
- Der Deutsche Anwaltverein kann sich mit dem Entwurf nicht anfreunden.
- Die Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, die Präsenzteilnahme bei Eigentümerveranstaltungen nicht auszuschließen.

Bei rein "virtuellen "Versammlungen", so die Verbraucherzentrale, bestehe die Gefahr, dass insbesondere ältere WohnungseigentümerInnen, die technisch nicht ausreichend versiert sind, ausgeschlossen werden. Hybrid-Versammlungen seien deshalb die geeignete Form.

Der Eigentümerverband "Wohnen im Eigentum" lehnt virtuelle Eigentümerversammlungen ab, weil sie ein Kernrecht sind. Mit einer reinen online-Regelung besteht die Gefahr, dass „ältere, hörgeschädigte, bildungsbenachteiligte und technisch nicht versierte“ EigentümerInnen ausgegrenzt werden.

Der Deutsche Anwaltverein hat ebenfalls keine Sympathien für reine Online-Eigentümerversammlungen. Das Einhalten sämtlicher Formalien sei schon bei Präsenzveranstaltungen schwierig. Technische Probleme könnten die Wahrnehmung des Stimmrechtes oder die Wahrnehmung des Rederechts im Vorfeld einer Abstimmung beeinträchtigen. Beide sind aber unverzichtbare Rechte und Ausdruck des in Art. 14 GG verankerten Schutzes des Eigentums. Außerdem sieht der Anwaltsverein keinen Bedarf für reine Onlineversammlungen, weil bisher kaum von der Möglichkeit Gebrauch machten worden ist, hybride Versammlungen durchzuführen.

In der Begründung des Gesetzes wird ausgeführt, was sich die ReferentInnen des neuen Gesetzes gedacht haben:

- Mit dem hohen Quorum von 75 Prozent, das für drei Jahre lang stattfindende Online-Eigentümerversammlungen nötig ist, wird der besonderen Bedeutung Rechnung getragen, die das Wohnungseigentum für viele WohnungseigentümerInnen hat.
- Die vorgeschlagene Befristung auf drei Jahre verfolgt mehrere Zwecke. ErwerberInnen von Wohnungen sollen nicht für unbestimmte Zeit an eine vor dem Erwerb erfolgte Beschlussfassung gebunden werden. (Was hat das mit einer reinen Online-Versammlung zu sein ???)
Die Befristung trägt der Tatsache Rechnung, dass sich die Haltung der Wohnungseigentümer zu virtuellen Versammlungen ändern könne. (!?)


Hintergrund der Forderung einer reinen Online-Versammlung der Eigentümer:
Die Errichtung von Balkonkraftwerken soll einfacher werden


Der vollständige Name des Gesetzentwurfs lautet: "Entwurf eines Gesetzes zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen".

Dazu führt der Entwurf aus:
"Im Zuge der Energiewende und vor dem Hintergrund der geopolitischen Lage sind die erneuerbaren Energien verstärkt auszubauen. Dieser Ausbau begegnet in der Praxis verschiedenen Hindernissen, die auch das Wohnungseigentumsrecht, das Mietrecht und das Recht der beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten betreffen und insoweit beseitigt werden sollen.

Im Wohnungseigentumsrecht stellt die Installation von Steckersolargeräten in der Regel eine bauliche Veränderung dar, für die ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer erforderlich ist. In der Praxis kann es schwierig sein, die erforderliche Mehrheit zu erlangen. Im Mietrecht kann die Erlangung der Zustimmung der Vermieterin oder des Vermieters zur Installation eines Steckersolargerätes ebenfalls schwierig sein.

Bei der Nutzung von Grundstücken für die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie spielen beschränkte persönliche Dienstbarkeiten eine wichtige Rolle. Sie sind grundsätzlich nicht übertragbar. Da allerdings in bestimmten Fällen ein Bedarf für einen Wechsel des Anlagenbetreibers und damit für eine Übertragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit besteht, muss sich die Praxis derzeit mit aufwändigen und komplizierten vertraglichen Ausgestaltungen behelfen. Die Notwendigkeit derartiger Ersatzlösungen soll entfallen. Damit leistet der Entwurf einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele 7 und 16 der UN-Agenda 2030, welche die deutliche Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie und bedarfsorientierte Entscheidungsfindung auf allen Ebenen verlangen."

Der Referentenentwurf enthält Vorgaben für Mieter und Wohnungseigentümer, die Steckersolargeräte, sogenannte Balkonkraftwerke, errichten wollen. Diese Vorgaben sollen in die Liste der nach § 20 Abs. 2 WEG privilegierten baulichen Veränderungen, auf die Wohnungseigentümer einen Anspruch haben, aufgenommen werden. Am liebsten, weil am einfachsten- per Onlineversammlung.

Weiterführender Link: Link

Quelle: diverse