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Corona-Schulschließungen: Fast ein ganzes Schuljahr ist ausgefallen

Foto: H.S.

01.12.2021 - von Vera Freundl, Clara Stiegler, Larissa Zierow

Die Kurzstudie "Europas Schulen in der Corona-Pandemie – ein Ländervergleich" von Vera Freundl, Clara Stiegler und Larissa Zierow für das ifo-Institut vergleicht die bundesdeutsche Corona-Schulschließungspolitik mit sechs ausgewählten europäischen Ländern im Zeitraum von Januar 2020 bis Mai 2021. Sie zeigt auf, dass die deutschen Regelungen besonders einschränkend für die Kinder und Jugendlichen war.

"Zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden die Schulen in Deutschland wiederholt geschlossen. Neben den bundesweiten, vollständigen Schulschließungen im Frühjahr 2020 und zu Anfang 2021 kam es zu zahlreichen weiteren Einschränkungen im Bildungsbereich. Inzwischen gibt es Evidenz dafür, dass die Schulschließungen in Deutschland etliche negative Konsequenzen für die chüler*innen hatten.
So hat sich die Lernzeit der Schulkinder während der Schulschließungen drastisch reduziert (Grewenig et al. 2021; Wößmann et al. 2021). Wenn weniger Lernen stattfindet, ergeben sich negative Auswirkungen auf die Karriereerwartungen und das zukünftige Einkommen der betroffenen Schüler*innen sowie auf die Leistungskraft von Volkswirtschaften im Allgemeinen (Anger et al. 2020; Hanushek und Wößmann 2020). Zudem verstärkten die Schulschließungen die Bildungsungleichheit in Deutschland (Grewenig et al. 2021) und verursachten gravierende psychische Folgen (Ravens-Sieberer et al. 2021; Wößmann et al. 2021).
Doch hätte die Bildungspolitik anders gestaltet werden können, um diese Folgen zu vermeiden oder zumindest abzumildern?

Um die deutsche Corona-Bildungspolitik einordnen zu können, lohnt sich ein Blick auf andere Länder. In diesem Beitrag vergleichen wir sieben europäische Staaten – Deutschland, Spanien, Schweden, die Niederlande, Frankreich, Polen und Österreich – in ihrer bildungs-politischen Antwort auf die Pandemie. ...

Im gewählten Ländervergleich fällt Polen als Land mit den längsten Schulschließungen von in der Summe 273 Tagen auf, davon 144 Tage vollständige und 129 Tage teilweise Schulschließungen.1

Auf dem zweiten Platz der längsten Schulschließungen in unserem Ländervergleich liegt Deutschland. Hier waren Grund- und weiterführende Schulen 74 Tage vollständig und 109 Tage teilweise geschlossen, insgesamt also 183 Tage.2 183 Tage machen fast ein ganzes Schuljahr aus, wenn man von insgesamt 185 Unterrichtstagen pro Schuljahr ausgeht (Ferien und Feiertage ausgenommen).3

Österreich hatte Schulschließungen von ähnlicher Dauer wie Deutschland zu verzeichnen, mit 82 Tagen vollständiger Schließungen und insgesamt 152 Tagen vollständiger oder teilweiser Schulschließungen. Beide Werte liegen über dem Durchschnitt der sieben ausgewählten Länder.

Die Niederlande hingegen berichten deutlich weniger vollständige Schulschließungen mit 40 Tagen. Durch eine Anzahl von 94 Tagen an teilweisen Schließungen und somit einer Summe von 134 Schließungstagen insgesamt liegt das Land trotzdem relativ nah am Mittelwert der Summe aus vollständigen und teilweisen Schließungen der von uns ausgewählten Länder.

Frankreich verfolgte während der Pandemie den Ansatz, die Schulen weitestgehend offen zu halten. So waren die Grund- und weiterführenden Schulen insgesamt nur 56 Tage geschlossen, 40 Tage davon vollständig und 16 Tage teilweise. Frankreich liegt damit deutlich unter beiden Mittelwerten (Tage vollständiger bzw. teilweiser Schließungen) der ausgewählten Länder.

Als Land ohne teilweise Schulschließungen fällt Spanien auf: Es schloss Schulen für nur 45 Tage vollständig im Jahr 2020. Im Jahr 2021 gab es keinerlei national angeordnete Schulschließungen.

Schließlich verzeichnet unter den ausgewählten Ländern sowie auch im OECD-Vergleich Schweden die wenigsten Schulschließungstage: Im Durchschnitt der Schularten liegt Schweden lediglich bei 20 Tagen vollständiger Schulschließungen und bei 31 Tagen, wenn teilweise und vollständige Schulschließungen addiert werden.


1 Auch im OECD-Vergleich liegt Polen nach Mexiko auf dem zweiten Platz mit den meisten vollständigen Schulschließungstagen (OECD 2021a).
2 Mit einer Summe von 183 Schließungstagen liegt Deutschland im OECD-Vergleich im Mittelfeld (OECD 2021a).
3 Die Länge eines Schuljahres orientiert sich hier als Richtwert an der Anzahl der Unterrichtstage im Schuljahr 2018/2019 in Bayern, da dieses Schuljahr noch nicht von der Corona-Pandemie beeinflusst war. Aufgrund regional unterschiedlicher Feiertage und Ferienzeiten kann dieser Wert in anderen Bundesländern um ein paar Tage abweichen."

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Quelle: Ifo-Insitut