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Kölner OB will Städtepartnerschaft mit Wolgograd auf Eis legen

Foto: H.S.

10.03.2022 - von DFG-VK

Die Kölner Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) aus Köln haben am 9.3.2022 wegen der Städtpartnerschaft Köln-Wolgograd, die die Stadtspitze auf Eis legen will, einem Brief an die Kölner Oberbürgermeisterin Reker geschrieben.

An
Frau Oberbürgermeisterin Henriette Reker
Stadt Köln

Kopie
Vorsitzende der Fraktionen des Rates der Stadt Köln
Städtepartnerschaft Köln - Wolgograd
Köln, den 9.3.2022

Krieg in der Ukraine: Gewalt stoppen! Dialog mit Wolgograd ermöglichen!
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,

mit Befremden haben wir in der Presse gelesen, dass Sie die seit 1988 bestehenden
Beziehungen zwischen Köln und Wolgograd "auf Eis legen" wollen. Wir unterstützen den
Partnerschaftsverein Köln-Wolgograd, der dagegen protestiert hat, dass Sie den Verein nicht in Ihre Überlegungen einbezogen haben, und verweisen auf den Brief unseres langjährigen(1) Sprechers Harald Fuchs in der Sache.

Wir sind der festen Überzeugung, dass Städtepartnerschaften gerade in Kriegszeiten besonders wichtig sind, weil wir damit über Grenzen hinweg mitteilen können, dass wir mit unseren Bekannten und Freund*innen in anderen Ländern Frieden haben wollen. Wir wollen nicht gegen andere Völker in den Krieg ziehen oder sie als Feinde bezeichnen.

Der russische Angriffskrieg ist zu verurteilen. Angriffe mit konventionellen oder mit Cyberwaffen können große ukrainische Industrieanlagen wie Kernkraftwerke oder Infrastruktureinrichtungen beschädigen und indirekt das Leben von unbeteiligten Menschen im Land selbst und weit darüber hinaus gefährden. Eine Eskalation der Kriegshandlungen bis zum Einsatz von Atomwaffen - mit Absicht oder aus Versehen - ist im allgemeinen Chaos dieses Krieges denkbar(2).

Deutschland und die anderen NATO-Staaten sind nicht Kriegspartei in der Ukraine und dürfen es niemals werden, weil eine globale Eskalation dann vielleicht nicht mehr zu stoppen ist.
Alle Anstrengungen müssen daher darauf gerichtet werden, jede militärische Gewalt zu stoppen.

Nicht "ein Feind", sondern die Feindschaft muss bekämpft werden. Nicht nur der Angriff, auch die militärische Verteidigung der Ukraine, die manchem als gerechter Krieg erscheinen mag, gefährdet die ukrainische Bevölkerung. Dialoge mit staatlichen und gesellschaftlichen Kontakten(3) in Russland sind kein Zeichen der Zustimmung oder der Schwäche, sondern überlebenswichtig und im Interesse aller.

Wir lehnen den Aufruf der ukrainischen Regierung an die Bevölkerung zum bewaffneten
Widerstand und die militärische Unterstützung der Ukraine durch Deutschland und andere Staaten ab. Wir sehen in Syrien, Irak oder Afghanistan, dass Gewalt immer nur mehr Gewalt erzeugt und Konfliktlösungen erschwert. Es gibt Methoden einer gewaltfreien gesellschaftlichen Verteidigung gegen einen militärisch übermächtigen Gegner, die den mutigen Widerstand der angegriffenen Bevölkerung erfordern und die Gewaltspirale bremsen.
Wir unterstützen die Kriegsdienstverweigerung(4) auf beiden Seiten des Konflikts.(5)

Trotz der staatlichen Propaganda lehnen große Teile der Bevölkerung Russlands den
völkerrechtswidrigen Angriff ihrer Regierung gegen die Ukraine ab. Deswegen bitten wir Sie, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker, gerade jetzt die Städtepartnerschaft zwischen Köln und Wolgograd für einen gesellschaftlichen Dialog zu nutzen. Lassen Sie diejenigen Bürger*innen Wolgograds, die den Krieg gegen die Ukraine verurteilen, nicht allein!

Die Pressefreiheit und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung sind in Russland stark eingeschränkt. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir mit unseren Städtepartnern und Freund*innen - den Menschen in Wolgograd - in Kontakt bleiben.

Um städtische Entscheidungen besser nachvollziehen zu können, bitten wir freundlich um die
Veröffentlichung der Partnerschaftsurkunde vom 28.11.1988, der Beschlüsse der Stadt Köln zur Städtepartnerschaft Köln - Wolgograd, sofern vorhanden, und möglicher Dokumente zur
Umsetzung solcher Beschlüsse auf der Homepage der Stadt Köln. Wir würden einen offenen
Dialog über mögliche Beiträge der Stadt Köln zur Deeskalation des Kriegs in der Ukraine und zur Wahrung des Friedens zwischen betroffenen Nationalitäten in der Stadt begrüßen.

Wir hoffen auf konstruktive Gespräche zwischen Ihnen und dem Partnerschaftsverein, sowie im Stadtrat und eine friedensorientierte weitere Entwicklung der Städtepartnerschaft Köln-Wolgograd.

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Rösrath, Stefanie Intveen, Isabelle Casel, Dirk Kluwig und Michael Sünner
Sprecher*innen der Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. Gruppe Köln

Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e. V.
Gruppe Köln, c/o Friedensbildungswerk Köln, Obenmarspforten 7-11, 50667 Köln
Homepage: Link


(1) Harald Fuchs an Oberbürgermeisterin Reker zur Städtepartnerschaft Köln-Wolgograd, 4.3.2022: „Was aufs Eis gelegt wird, kann auch einbrechen und untergehen.“, Link

(2) Michael Staack, Karl Hans Bläsius, Reiner Schwalb: Atomkriegsrisiko und Russland-Ukraine-Krieg, 4. März 2022: "Das Gebot der Stunde ist Deeskalation. Weitere Eskalationen und militärische Konflikte zwischen Atommächten müssen mit allen Mitteln verhindert werden.“, Link

(3) urii Sheliazhenko, World BEYOND War, 27.2.2022: Putin and Zelenskyy, Talk to Each Other! Stellungnahme aus der ukrainischen Friedensbewegung: Link

(4) Bund für Soziale Verteidigung: Appell an alle Seiten, 24.2.2022, Link

(5) Pressemitteilung des Bundessprecher*innenkreises der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) vom 24.02.22: "Stoppt den Krieg in der Ukraine!" https:// Link

Quelle: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e. V. Gruppe Köln