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Gleichbehandlungsgesetz: Her + Hin

28.06.2006 - von Hanne Schweitzer

Kaum macht man den Laden dicht und fährt ein paar Tage ins schöne Oberbayern, schon haben sowohl die Befürworter als auch die Gegner des Antidiskriminierungsgesetzes ihre Flaggen für "Sieg" gehisst.

Waren es gestern noch die Unternehmensverbände und Ministerpräsidenten die frohlockten, sind es heute die Gewerkschaften und Befürworter des Gesetzentwurfs, die sich als Gewinner fühlen.

Die gestern noch von der CDU-Fraktion abgesegneten Änderungen stehen heute wieder zur Disposition, weil sie den Vorgaben der EU-Richtlinien nicht entsprechen, vom Europäischen Gerichtshof nicht als europarechtskonfrom angesehen werden.
Nicht europarechtskonform umgesetzt sind die Gleichbehandlungsrichtlinien nach unserer Ansicht vor allem bei

1. Herausnahme des Kündigungsschutzes aus dem Gesetzentwurf. Die Richtlinie 78 enthält ausdrücklich den Diskiminierungschutz auch bei Entlassung und Arbeitsentgelt.

2. Änderung der Beweislast. Die Änderung, dass Diskriminierte vor Gericht "Indizien" für eine Diskriminierung beweisen müssen, entspricht nicht den Richtlinien. Die begnügen sich mit dem Vorbringen "glaubhafter Tatsachen".

3. Die Änderung, dass das AGG nicht für Vermieter gilt, die bis zu 50 Wohnungen besitzen, entspricht - weil willkürlich -nicht den Richtlinien. Die sehen keine Sonderregelungen vor.

4. Die Beibehaltung eines Maximalalters für die Einstellung in die Beamtenlaufbahn ist nicht europarechtskonform. Die Richtlinien sehen keine Sonderregeln für Beamte vor.

5. Das Recht der Arbeitgeber, Altersgrenzen bei den Stellengesuchen der Arbeitsämter durchzusetzen, sind nicht europarechtskonform.

Alle mit den EU-RIchtlinien nicht kompatiblen Inhalt im deutschen Gesetzentwurf müssen nun entweder von den Arbeitsgerichten ausgebüGelt werden, oder das Individuum muss den mühsamen Gang zum Europäischen Gerichtshof auf sich nehmen, wenn es nicht um arbeitsrechtliche, sondern um zivilrechtliche Fälle geht.

Am 1. August soll das Gesetz in Kraft treten, mit dem Nomenklatura und Verbände seit immerhin sechs Jahren befaßt sind. Schon 2003 sollten die ersten Antidiskriminierungsrichtlinien umgesetzt sein.

Letzendlich war es wohl das von der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren und die damit einhergehenden Strafzahlungen von bis zu 900.000 Euro pro Tag, die den Akteuren genügend Druck gemacht haben.

Quelle: Süddeutsche, FAZ, Handelsblatt 29.6.06

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