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03.05.2022 - von Horst Gehring
13 Millionen Wahlberechtigte sind am 15. Mai 2022 in NRW zur Wahl aufgerufen. Davon war mehr als ein Drittel (37 Prozent) im Jahr 2020, in dem die Zahlen zuletzt erfasst wurden, über 60 Jahre alt. Wie alle anderen WählerInnen auch können sie zwischen 29 Parteien bzw. Landeslisten auswählen. Siehe: Link. Horst Gehring hat die Wahl zum Anlass genommen, zum wiederholten Mal die Abschaffung der doppelten Beitragszahlungen bei den Betriebsrenten und Direktversicherungen anzumahnen. Hier seine Mail an Karl Lauterbach (SPD) und Claudia Moll (SPD):
"heute wende ich mich erneut in Bezug auf die Thematik der Beitragszahlungen auf Betriebsrenten an Dich. Im Rahmen des guten und vertraulichen Miteinanders, welches wir pflegen, möchte ich Dir daher meine aktuelle Stellungnahme zukommen lassen.
Mit Rücksicht auf die Corona-Pandemie und der schrecklichen und unmenschlichen Ukraine-Krise habe ich lange Zeit auf ein Statement verzichtet. Vor uns liegt aber eine wichtige Landtagswahl in NRW, die mich an das Jahr 2017 erinnert. Nie war dieser historische Megatrend so eindeutig zu besichtigen wie bei der Wahl 2017 in Nordrhein-Westfalen. In der Wählergruppe 60 plus schlug laut Infratest – Analyse die NRW – CDU die NRW – SPD mit 43 zu 34 Prozent. Dies allein genügt der Union, man muss das mal sacken lassen, um in Deutschland wichtigstem Bundesland den Schalter umzulegen: von Rot zu Schwarz.
Da ich im Grenzgebiet zu NRW wohne, bekomme ich natürlich die Sorgen und Nöte vieler älterer Menschen mit. So belastet noch immer die bekannte Aussage der Ampel – Koalition aus Dezember 2021 die Gemüter von Betroffenen, wenn es um das (GKV) Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 01.01.2021 geht. Dem gleichen Trugschluss ist am 15.12.2021 Dirk Wiese verfallen, indem er der Abschaffung der kompletten Doppelverbeitragung eine Absage erteilte.
Das Resümee der Vorsorgenden wiederholt sich seit dem Jahr 2004: Wir hätten das Produkt „Direktversicherung“ nie gekauft, hätten wir gewusst, dass die „zugesicherten Eigenschaften“ nicht stimmen. Unsere Arglosigkeit und Vertrauen wurden „gezielt ausgenutzt“. Altersvorsorge wurde konterkariert, wir wurden vor verendeten Tatsachen gestellt: Lothar Binding brachte es in der Stuttgarter Presse vor Jahren auf den Punkt *:
„Emotional war das Weg verkehrt. Doch ich muss ehrlich zugeben, dass es keine andere Idee gab, um das Loch in der gesetzlichen Krankenversicherung zu stopfen“, … Den Betriebsrentnern sei es gut gegangen, „deshalb wurde das Modell gewählt“.
• Link. ad5c6dac-86e7-4be6-87ef-9756a5c5ed8b.html
Hierzu Originalton SPD nach jeder verlorenen Wahl: „Wir wollen verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen“
Ich kann die Regierung nur auffordern, beim Entlastungspaket nicht die Rentner*innen im Regen stehen zu lassen. Die Kritik entzündet sich vor allem daran, dass Rentner mit den rasant steigenden Energiekosten allein gelassen würden. Wut kommt auch auf, wenn man der heutigen Presse entnimmt, dass die Abgeordneten des Bundestages ab Juli gut 300 Euro mehr pro Monat bekommen. Alleine in Osnabrück verdoppeln sich ab Juli die Strompreise. Zu Recht fordern daher Sozialverbände und Gewerkschaftsvertreter einen Angleich der Energiekosten auch für Rentner. Wir sehen jetzt, dass die Energiepolitik von der Bundesregierung falsch konzipiert war.
Auch in der betrieblichen Altersversorgung sind manche Dinge von der Politik nicht aus-reichend bewertet und gewichtet worden. Diese Punkte müsste unser Kanzler seit dem 26.09.2021 aber tatsächlich klarer und stärker kommunizieren, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Wir dürfen der Regierung nicht weitere Versprechen durchgehen lassen. Seit April 2003 war ich nun über die Absichtserklärung von Gerhard Schröder informiert, dass die Bundesregierung ein Gesundheitsmodernisierungsgesetz plant. Bereits im November 2003 habe ich ver.di dahingehend informiert, dass den wenigsten Politikern die Auswirkungen einer „unechten Rückwirkung“ bekannt sind, die dass Gesetz mit sich bringt. Schon im Januar 2004 habe ich daher vor Klagen beim Sozialgericht gewarnt, und habe somit bis zum Jahr 2009 alle von mir bearbeiteten vierhundert Beitragsbescheide über Widerspruchsverfahren mit den gesetzlichen Krankenkassen abgewickelt.
Es ist nun aber auch die Zeit gekommen, wo die Politik ihre Wahlversprechen einhalten sollte. Erinnert sei an eine Absichtserklärung von Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil aus dem Jahr 2018. Dort schrieb Herr Sven Bodenbach am 25. Juni 2018 vom Referat Va 1 in Berlin im Auftrag von Hubertus Heil, zum Thema: Gleichstellung von freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung, „Unser Ziel ist es, dass die Bezieher von Betriebsrenten künftig – wie dies ja auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall ist – nicht den vollen, sondern nur den halben Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung tragen zu müssen.
Mit Schriftsatz vom 21. September 2018 schrieb Herr Marcus Leven, Referat IV b 4 vom gleichen Ministerium in Bonn folgendes:
Bundesminister Heil setzt sich dafür ein, dass Betriebsrentner künftig – wie dies ja auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall ist – nicht den vollen, sondern nur noch den halben Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung tragen müssen. Diese Regelung würde sich in erster Linie auf Pflichtversicherte auswirken. Es spräche aber einiges dafür, freiwillig Versicherte hinsichtlich ihrer Einkünfte aus betrieblicher Altersversorgung dann nicht anders zu behandeln. Dies wird bei einem entsprechenden Gesetzentwurf zu diskutieren sein. Bei einer Gleichbehandlung der freiwillig Versicherten würde dann ebenfalls nur noch der halbe Beitrag erhoben werden.
Themen also, die auch im Landtagswahlkampf in NRW intensiv gefordert werden. Wohl wissend, dass dieser Bereich eigentlich in das Zuständigkeitsbereich des Bundesgesundheitsministerium fällt. Kritisch wird auch in den sozialen Medien diskutiert, dass die SPD im Wahlkampf viel versprochen hat. Auch die FDP entlasse ich hierbei nicht aus der Verantwortung, wie ich durch einen intensiven Schriftverkehr mit Christian Lindner belegen kann. Jetzt gibt es in Sachen Altersversorgung gar nichts konkretes im KOA – Vertrag. Nur Ziele werden definiert.
Die Betroffenen erwarten nun, dass auch auf höchster politischer Ebene nun entscheidende Schritte unternommen werden. Einen Dämpfer müssen die Betroffenen erneut hinnehmen. Die gesetzlichen Krankenkassen erwarten im kommenden Jahr ein gigantisches Finanzloch. Bundesgesundheitsminister Lauterbach will daher an mehreren „Stellschrauben“ drehen. Doch was erwartet nun die Betriebsrentner*innen, deren Beitrag nicht zum 01.01.2020 reduziert wurde?
Der Unmut mit der Ampel-Koalition steigt von Tag zu Tag. Ja, die hohe Inflation verschärft die Altersarmut. Vor allem für Menschen, die geringe Renten und keine Reserven haben, sind die Preissteigerungen von teilweise bis zu dreißig Prozent ein Riesenproblem, weil sie überproportional viel von ihrem Geld für den täglichen Bedarf ausgeben müssen. Für sie ist es ein Desaster, wenn Energie und Lebensmittel immer teurer werden.
So unterstütze ich seit Jahrzehnten im Rahmen einer eigenen Stiftung Minderbemittelte, um ihnen einen erträglichen Unterhalt am Leben zu gewährleisten. So leben zwar viele der Betroffenen, die durch die Roste des (GKV) Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 01.01.2020 gefallen sind, in einer abgezahlten Immobilie, sie können sich aber durch den Abzug von knapp zwanzig Prozent ihrer Altersversorgung keine großen Sprünge mehr leisten. Das ist die Kehrseite des Lebens, im Gegensatz zu den MdBs, deren monatliches Einkommen sich ab 01.07.2022 auf 10.323,29 Euro erhöht. Hinzu kommt, dass dieser Personenkreis nicht einen Cent für seine Altersversorgung zurücklegen muss.
Das Problem ist, was viele Parlamentarier vielleicht nicht sehen wollen, ist doch folgendes: Viele Beschäftigte, die körperlich oder psychisch stark beansprucht sind, erreichen schon heute die Regelaltersgrenze nicht, müssen früher in Rente gehen und Abschläge hinnehmen. Häufig geht es dabei um den von mir betreuten Personenkreis auch noch um Menschen, die nicht besonders gut verdient haben. Ich kenne genug Beispiele, wo eine alleinstehende Frau, die 35 Jahre in der Altenpflege gearbeitet hat, und nun eine Nettorente von 616 Euro bekommt.
Das dieser Personenkreis sich keine zusätzliche Altersversorgung leisten konnte, nachdem sie auch noch ihre Kinder versorgt hat, kann ich sehr gut nachvollziehen.
Liebe Claudia, ich wäre Dir daher sehr dankbar, wenn ich von Karl Lauterbach ein klares Feedback bekommen würde, wie sich nun der lange Leidensweg der betrieblichen Altersversorgung weiterentwickelt.
Beste Grüße aus Osnabrück sendet Dir
Horst Gehring
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