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Gesundes-Herz-Gesetz: Ende der evedenzbasierten Medizin ?!

Foto: H.J.

04.09.2024 - von diverse

Die Ärzteinitiative MEZIS – „Mein Essen zahl` ich selbst“, kritisiert den Entwurf zum GESUNDES-HERZ-GESETZ als überflüssig und pharmafreundlich. Dr. Niklas Schurig, MEZIS-Vorstandsmitglied erklärt: „Das Gesetz ist ein neuerliches Geschenk an die Pharmaindustrie, denn durch überflüssiges Screening werden zwei Millionen Menschen krank gemacht und sollen nach den Plänen des Bundesgesundheitsministers lebenslang Cholesterinsenker schlucken.“

Laut Schurig gibt es keine Langzeitdaten, die belegen, dass das vorgeschlagene allgemeine Cholesterin-Screening in der Kindheit Herzkreislauferkrankungen im Erwachsenenalter reduzieren. Die geplanten Früherkennungsuntersuchungen auf Fettstoffwechselstörungen sollen per Gesetz diktiert und nicht wie andere Vorsorgeprogramme von den wissenschaftlichen Fachgesellschaften und dem Gemeinsamen Bundesausschuss auf solider Datenbasis empfohlen werden.

Die Ärzteinitiative sieht hierin laut Vorstandsmitglied Manja Dannenberg einen weiteren Vorstoß zur Förderung unnötiger Medikamentenverschreibungen, der die Kosten im Gesundheitswesen weiter steigern dürfte, die Gesundheit der Bevölkerung aber nicht bessern wird.
Präventionsangebote, die in dieser Altersgruppe nachgewiesenermaßen positive Effekte auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit haben, wie ein Verbot von Tabak- und Alkoholwerbung, Zuckersteuer, Prävention von Adipositas und Armut, fehlen hingegen in dem Gesetzesvorschlag.

Die Initiative „Mein Essen zahl ich selbst“ engagiert sich seit ihrer Gründung gegen angstmachende Kampagnen zur Krankheitserfindung (z.B. Prädiabetes) und Steigerung von Medikamentenverschreibungen ohne erwiesenen Nutzen. „Bislang hatten wir dabei allerdings die pharmazeutische Industrie als Treiber im Fokus, nun kommt der Impuls direkt aus der Politik!“, so Niklas Schurig.
Im Rahmen ihrer diesjährigen Fachtagung haben sich die Ärztinnen und Ärzte von MEZIS gemeinsam mit Apothekerinnen und Apothekern des VdPP mit dem Thema der Medikalisierung, Übertherapie und Pathologisierung beschäftigt und erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung beraten. Im Ergebnis wurde mit der „Deklaration von Hannover“ eine Absichtserklärung verabschiedet, in der beide Berufsgruppen Bestrebungen zur Verbesserung ihres eigenen beruflichen Handelns formulieren.

Gemeinsame Absichtserklärung zur Reduktion von Medikalisierung, Übertherapie und Pathologisierung von MEZIS mit dem VdPP (Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten)


DEKLARATION VON HANNOVER


Präambel:
Die fortlaufende Entwicklung und Fortschritte im Gesundheitswesen führen zu einer breiten Vielfalt an Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten. Sie sollen die Lebensqualität verbessern, bergen jedoch die Gefahr einer zunehmenden Medikalisierung, Übertherapie und Pathologisierung alltäglicher menschlicher Erfahrungen.

Im Rahmen unserer Fachtagung „Wie krank ist das denn? - Medikalisierung, Übertherapie, Pathologisierung“ vom 12.-14.4.2024 in Hannover haben wir gemeinsam die Ursachen dieser Entwicklung beleuchtet und Lösungen und Alternativen diskutiert.

Daraus entstand folgende Absichtserklärung:
Wir Ärztinnen und Ärzte und wir Apothekerinnen und Apotheker streben an, unser Handeln ausschließlich auf eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung sowie auf Prävention und Gesundheitsförderung auszurichten.
Die Gesundheit und Lebensqualität des Individuums und der Bevölkerung sollen der Indikator sein, an dem wir die Qualität unseres Handelns und unserer Entscheidungen messen. Das setzt eine Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit im Gesundheits- und sozialen Sektor voraus (im Sinne der Förderung einer Primärversorgung) und beinhaltet auch gesundheitsökonomische Abwägungen und die Beachtung der Auswirkungen auf Umwelt und Klima.

Wir setzen uns dafür ein, dass finanzielle Fehlanreize, die Pathologisierung und Über- oder Unterversorgung fördern, abgebaut werden.
Wir setzen uns gemeinsam dafür ein, dass die unabhängige Erarbeitung und Aktualisierung evidenzbasierter Entscheidungshilfen und Gesundheitsinformationen kontinuierlich gefördert werden.

Die Nutzung unabhängiger Entscheidungshilfen soll Grundlage sein für die Beratung von Patient:innen und Kund:innen. Damit wirken wir sowohl einer Überschätzung von Arzneimittelwirkungen, unnötigen Arzneimittelgaben als auch überflüssiger Diagnostik (MRT, Labor) und unnötigen Operationen entgegen.
Wir unterstützen außerdem die unabhängige Förderung der Patient:innenselbsthilfe und wollen deren Akzeptanz und Beteiligung stärken.

Wir danken allen, die an der Erstellung der Deklaration von Hannover mitgewirkt haben. Die Verfasser:innen möchten im nächsten Schritt konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten, die Ärzt:innen, Apotheker:innen und Patient:innen als Anleitung („Hands-On“) und Informationsquellen bereitgestellt werden. Dabei stehen die Reduktion des Pharma-Lobbyismus, Stärkung der evidenzbasierten Medizin und Leitlinien, einschließlich der NVL (Nationalen Versorgungsleitlinien), im Fokus.


Entwurf zum GESUNDES-HERZ-GESETZ: Link
"... E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Für Bürgerinnen und Bürger entsteht laufender Erfüllungsaufwand von 45 000 Stunden für
die Einwilligungen in Untersuchungen zur Früherkennung einer Fettstoffwechselerkrankung.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft ergibt sich keine Änderung des Erfüllungsaufwandes.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Informationspflichten fallen entsprechend nicht an.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Für die Verwaltung beträgt der jährliche Erfüllungsaufwand rund 7 409 000 Euro.
Der einmalige Erfüllungsaufwand beträgt rund 5 042 000 Euro. Davon entfallen rund 5 000
000 Euro auf den einmaligen Erfüllungsaufwand der Sozialversicherungen (maßgeblich
durch verpflichtete Einladungsschreiben), 20 000 Euro auf den einmaligen Erfüllungsauf-
wand für die Bundesapothekerkammer und rund 22 000 Euro auf den einmaligen Erfül-
lungsaufwand für den Bund. Das vorliegende Gesetz sieht für die vorgesehene Einführung
des verpflichtenden Einladungswesens zu den Gesundheitsuntersuchungen eine Anrech-
nung dieser Ausgaben auf die Ausgaben der Krankenkassen vor, die diese regelmäßig für
Leistungen im Bereich Gesundheitsförderung und Primärprävention nach § 20 Absatz 6
SGB V aufwenden sollen.
...



GESUNDES-HERZ-GESETZ (GHG) – ENDE DER ÄRA DER EVIDENZBASIERTEN MEDIZIN?
Seit mehr als 50 Jahren versorgt das arznei-telegramm® Ärzte und Apotheker mit klaren und zuverlässigen Informationen zu Arzneimitteln. Und seit mehr als 50 Jahren verzichtet das a-t bewusst auf Werbeeinnahmen. Die schlichte Zeile im Impressum – „Das a-t wird ausschließlich über die Abonnements finanziert“ – signalisiert eine seiner wichtigsten Grundlagen: Die Unabhängigkeit. Da das a-t weder von Warenanbietern noch von Krankenkassen, Standesorganisationen, Parteien oder sonstigen Interessengruppen gesponsert oder auf andere Weise unterstützt wird, kann es ohne Einflussnahme ausschließlich auf Grundlage der besten verfügbaren Daten – also so evidenzbasiert wie möglich – Therapeutika bewerten.
Beitrag zum Thema GESUNDES-HERZ-GESETZ im arznei-telegramm, publiziert am 23. August 2024 unter: Link


GESUNDE FINANZEN, GESUNDES HERZ?
Beitrag auf der Seite des RWI - Leipniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Überschrift: "Die Unstatistik des Monats Juni 2024 ist der Referentenentwurf für ein GESUNDES-HERZ-GESETZ (GHG) des Bundesgesundheitsministeriums (BMG)". Unter: Link
Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen.

Quelle: MEZIS, VdPP, Sabine Hensold, arznei - telegramm, RWI Leipniz Institut für Wirtschaftsförderung

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