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Rüstungsfinanzierung durch Boomer-Soli für arme Rentner

Foto: H.S.

23.07.2025 - von Hanne Schweitzer

23.7.2025: Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, stellt im Januar 2025 in der WELT (s)eine Idee vor, dass "Ruheständler" an den Militärausgaben beteiligt werden sollen. Wie gut die Internationale der Aufrüstungsbegeisterten funktioniert, merkt man daran, dass der Vorschlag zur gleichen Zeit von französischen Ökonomen in Paris lanciert wurde. Sie fordern, gutgestellten Rentnern den in Frankreich üblichen Steuerabschlag von 10 Prozent auf alle Renten zu streichen, um den hoch verschuldeten Haushalt zu entlasten und mehr Spielraum für mehr Ausgaben zu bekommen.

So konkret äußert sich Dr. Schularick nicht. Stattdessen schlägt er eine Attacke auf das bundesdeutsche Rentensystem vor, das mit seinen Leistungen in der Vergleichstabelle der OECD deprimierend weit am unteren Ende zu finden ist. Man müsse, erläutert der Präsident ungerührt, "auch (also nicht nur) an das Rentensystem herangehen, um die nennenswerten Summen" zu erreichen, die zur "Verteidigung" notwendig sind.
Begriffe wie Aufrüstung oder Militärausgaben vermeidet Schularick, der die deutsche Haushaltspolitik schon im Mai 2024 als "Sicherheitsrisiko" für Europa beschrieben hat, drei Prozent der Wirtschaftsleistung für "Verteidigung" ausgeben wollte und eine Lockerung der Schuldenbremse forderte.
Einen Schuldigen für die Misere der mangelnden "Sicherheit" hat der 50Jährige auch parat: "Die ältere Generation"! "Die ältere Generation habe es versäumt, ausreichend in unsere Sicherheit zu investieren"!

Auch die Franzosen haben einen Schuldigen parat, als sie ihren Vorschlag zur Rentenkürzung zu Beginn des Jahres in den Medien streuen. Die vermeintlich dringende Notwendigkeit eines Rentenabschlags wird den Babyboomern angelastet. Sie sollen nicht genug in die Rentenkasse eingezahlt haben. Sie sollen zu wenig gearbeitet haben! Weil sie schuld am Defizit des Haushalts sein sollen, sollen sie nun Verzicht üben und das Staatsdefizit reduzieren.


Der Boomer-Soli: 10 % von den reichen an die armen Rentner
Im Juli meldet sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DWI) mit einem weiteren Vorschlag um der Staatskasse zu mehr Geld zu verhelfen und der Rüstungsindustrie wie ihren Aktionären zu weiteren Profiten. Diesmal soll es der "Boomer-Soli" richten. Dahinter verbirgt sich eine Abgabe von 10 Prozent der Alterseinkünfte, die man zuerst bei den 20 % der bessergestellten Rentnern kassieren will. Die Maßnahme soll, so der Vorschlag, in der näheren Zukunft schrittweise auf Renten ab 1.000 Euro erweitert werden. Die Einnahmen will das DWI den demnächst erwarteten vielen armutsgefährdeten Rentnern zugute kommen lassen und so soll der hochverschuldete Haushalt entlastet werden.

Angeregt wurde die Idee eines Boomer-Solis durch einen Vorschlag der sogenannten Wirtschaftsweisen aus dem Jahr 2023. Monika Schnitzer, als Vorsitzende des
Sachverständigenrats forderte einen Boomer-Soli, und schlug vor, die Rentenansprüche der Besserverdiener zu senken und die der Wenigverdiener zu erhöhen. Der Plan war wenig durchdacht. Sowohl Rentner mit niedrigen als auch die mit höheren Renten haben oft weitere Einkünfte im Alter: Betriebsrenten, Immobilien, private Versicherungen, Sparverträge, Witwenrenten, vorhandenes Vermögen, Partner. Aber es waren Schuldige benannt worden, das ist wichtig in Deutschland. Die Boomer sind schuld an der Rentenmisere, weil sie „einen Teil des Generationenvertrags nicht eingehalten haben. Sie haben zu wenige Kinder be-
kommen, die für ihre eigenen Renten hätten aufkommen können“, sagte Frau Schnitzer.
Die Babyboomer hätten deshalb den heutigen Fachkräftemangel verursacht. Vom Pillenknick hat die Wirtschaftsexpertin wohl noch nie gehört.

Die Kritik am Babyboomer-Zuschlag hat dann ein DIW-Forscherteam zum Anlass genommen, die Idee weiterzuspinnen: Statt lediglich die gesetzliche Rente für die Umverteilung zu nutzen, soll nun das gesamte Alterseinkommen eines Haushalts summiert werden. Überschreiten die Alterseinkommen beider Partner inclusiver ihrer privaten und betrieblichen Renten oder Mieteinnahmen dann einen bestimmten Freibetrag, soll auf jeden weiteren Euro eine Abgabe von zehn Prozent (!) bezahlt werden. Die soll den armen Rentnern zugute kommen.

Der Boomer-Soli löst - im Gegensatz zu ungezählten anderen Attacken auf die deutschen Mickerrenten relativ heftige Reaktionen aus. Als Rohrkrepierer und Sommerloch-Idee wird er im Handelsblatt bezeichnet und DIW-Chef Marcel Fratzscher als Robin Hood der Rentenpolitik. Einerseits weil der Vorschlag nicht sicherstellt, dass jeder "Niedrigeinkommensbezieher über die Armutsrisikoschwelle gehoben", "geschweige denn vor dem Gang zum Sozialamt geschützt wird." Andererseits würden sich viele Leute in Zukunft ihre Betriebsrente auf einen Schlag auszahlen lassen, statt in monatlichen Teilbeträgen um den Boomer-Soli niedrig zu halten. Ausserdem wird bemängelt, dass das Vermögen der Älteren unberücksichtigt bleibt. So sollen die Altersgruppen der über 65 Jährigen Rentenbezieher hierzulande ein Haushaltsnettovermögen von über 172.500 Euro besitzen, inclusive des Finanzvermögens und von Immobilien. Geldanlagen im Ausland sind kein Thema.

Merke: Nach der Sommerpause wird die Debatte um Rentenkürzungen an Fahrt aufnehmen. Denn eines ist klar. Was bisher war, waren Testballons. Kanzler MERZ: "Unser Ziel ist, zukünftig alle finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden."


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Deutsche Rentner verarmen zunehmend: 11.04.2011 - von Walter Gerhartz unter: Link

Quelle: Handelsblatt