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Quartiersbezogene Altenhilfe: Dortmund als Vorbild

26.03.2009 - von Ines Jonas + Harald Raabe

Die kommunale Seniorenpolitik braucht in der Altenhilfe eine Neuausrichtung. Die Kommunen reagieren auf die demografische Veränderung zu häufig mit dem Ausbau stationärer Versorgungsstrukturen. Vorschläge machte das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) auf einer Pressekonferenz in Nürnberg.

KDA-Geschäftsführer Peter Michell-Auli: „Nicht nur, weil der einseitige Ausbau an den Bedarfen der Senioren vorbeigeht - das klassische Alten- und Pflegeheim hat in den vergangenen Jahren bei der älteren Bevölkerung stark an Akzeptanz verloren - sondern auch, weil dieser Weg auf Dauer kaum noch zu finanzieren ist." In Zukunft werde ein größerer Teil der Kosten für die vollstationäre Pflege von den Kommunen als örtlicher Soziahilfeträger übernommen werden müssen, da viele Heimbewohnerinnen und -bewohner aufgrund gestiegener Eigenanteile bei den Pflegesätzen zukünftig mehr auf Sozialhilfe angewiesen sein würden.

Peter Michell-Auli wies darauf hin, dass es - hervorgerufen durch einen Immobilienboom - in diesem Marktsegment in einigen Regionen mittlerweile Überkapazitäten im Heimbereich gebe. So würde beispielsweise in Bayern kein Pflegeheimbau mehr gefördert werden, weil der Bedarf dort gedeckt sei. In Niedersachsen habe man in manchen Regionen mit bis zu 20 Prozent an Überkapazitäten zu kämpfen. „In einzelnen Landkreisen geht die Auslastung schon mal unter 70 Prozent und erhöht die Insolvenzgefahr", erklärte der KDA-Geschäftsführer. „Wir haben in letzter Zeit regelmäßig Hilferufe von Kommunen erhalten, wie sie die Bauvorhaben privater Investoren verhindern könnten, da diese am Bedarf vor Ort vorbeigehen."
Daraufhin hat das KDA ein „Eckpunktepapier für eine Neugestaltung der kommunalen Seniorenpolitik" vorgelegt. Es will Kommunen dabei unterstützen, ihre Seniorenpolitik zukunftsweisend auszurichten. „Es geht um einen Paradigmenwechsel", erklärte Ursula Kremer-Preiß vom KDA. „Weg von der Schaffung reiner Versorgungsstrukturen, hin zur Stärkung des ‚normalen Wohnens' und zur Stärkung von Mitwirkung und Teilhabe.
Das sind die wesentlichen Elemente einer quartiersbezogenen Altenhilfe, die sowohl den Wünschen und Bedürfnissen der meisten Bürgerinnen und Bürgern entspricht als auch die Kommunen entlastet."
Es komme zukünftig auf dezentrale Strukturen an. Das beträfe zum einen die Versorgungsangebote, die kleinteilig organisiert werden sollten, damit sich ältere Menschen darin orientieren und damit identifizieren könnten. Zum anderen gehe es um eine kleinräumige Organisationsstruktur. Diese sichere den sozialen Zusammenhalt und sei eine Voraussetzung für die Entwicklung von Eigeninitiative und generationenübergreifender Hilfe, die in Zukunft benötigt werde.

Auf kleinräumige Strukturen setzt die Stadt Dortmund schon seit 2005: Zwölf hauptamtlich geführte Seniorenbüros in allen Dortmunder Stadtbezirken bringen mit Unterstützung der in jedem Bezirk inzwischen vorhandenen „Runden Tische für Altenarbeit" alle Akteure der Stadtbezirke zusammen, um Altenhilfenetze zu knüpfen. „Wir sind schon stolz darauf, dass in Zusammenarbeit von Kommune, Wohlfahrtsverbänden, bürgerschaftlich Engagierten und weiteren, inzwischen über 700 Akteuren, wie zum Beispiel Polizei und Lebensmittelgeschäften eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle der älteren Menschen entstanden ist", so Diplom-Sozialwissenschaftler Reinhard Pohlmann, Bereichsleiter für Senioren der Stadt Dortmund. „Viele Ratsuchende wundern sich, wie viele Möglichkeiten es in Dortmund gibt, trotz Pflegebedarf zu Hause gut versorgt zu werden und damit den vorzeitigen Einzug ins Pflegeheim zu vermeiden." Die zukunftsweisende Seniorenarbeit zeigt Wirkung: „Unsere rund 35.000 Kundenkontakte im letzten Jahr haben meistens dazu geführt, dass ein Heimeinzug vermieden wurde", berichtete Pohlmann. Die Dortmunder haben den Eindruck, dass sich ihr Konzept bei Investoren für neue Pflegeheime scheinbar herumspricht: Die Anfragen sind spürbar zurückgegangen.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2812
Quelle: PM KDA vom 25.3.2009