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KfW: Altersdiskriminierung bei Studienkrediten

26.04.2010 - von Alfred F. + Hanne Schweitzer

Die Anstalt des öffentlichen Rechts, die ehemalige Kreditanstalt für Wiederaufbau, heute KfW Bankengruppe, gewährt u.a. auch Studienkredite. Für Staatsexamen, Diplom- und Magisterstudiengänge werden diese aber nur bis zu dem Monat bewilligt, in dem der Student/die Studentin 36 Jahre alt wird. Alfred F. ist Mitglied im Vorstand des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen und auch dessen Pressebeauftragter. Ausserdem ist er SAP-Stipendiat an der Quadriga Fachhochschule in Berlin. Und: Er ist, gänzlich unverschuldet, 49 Jahre alt und damit älter, als es die willkürlich festgelegte Altersgrenze für eine Kreditvergabe durch die KfW Bankengruppe vorsieht.

Dazu muss man wissen: Die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG gilt nur für Einrichtungen der beruflichen Bildung. Die Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG gilt zwar für Schulen und Hochschulen, bezieht sich aber nicht auf das Diskriminierungsmerkmal "Alter". Paragraf 10 Satz 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bestimmt, dass keine Diskriminierung vorliegt, wenn Unterschiede wegen des Lebensalters gemacht werden, soweit diese objektiv, angemessen und verhältnismäßig sind. Die Unbestimmtheit der Begriffe "objektiv", "angemessen" und "verhältnismässig" lässt viel, sehr viel Raum für Interpretationen. Umso wichtiger ist deshalb der kleine Hinweis, den Professorin Dr. Susanne Baer, LL.M. in einer Fußnote ihres Gutachtens "Schutz vor Diskriminierung im Bildungsbereich in Berlin aus juristischer Sicht" auf die an Hochschulen existierende Altersdiskriminierung gibt. Das Gutachten wurde im März 2010 vorgelegt und im Auftrag der LADS Link Berlin erstellt und ist auf deren Webseite nachzulesen. In Fußnote 82 heißt es: "Der Gesetzgeber hat offensichtlich eher an den Schutz älterer Menschen gedacht, dies aber so nicht normiert und selbst von „kritischen“ Phasen gesprochen; ... Das sind in der deutschen Wissenschaft auch und gerade die Altersphasen zwischen Ende 20 und 40."

Alfred F., der in einer weiteren "kritischen Phase" steckt, wandte sich mit folgendem Schreiben am 7.4.2010 an die KfW Bankengruppe:

Sehr geehrter Herr Doktor H.,
soeben hat mich mein Commerzbank-Berater darüber in Kenntnis gesetzt, dass Ihr Haus im Jahre 2010 immer noch die Förderung von Bildung durch ihre Bildungskredite mit einer Altersgrenze von 23! bzw. 36! versehen haben. Ich werde dieses Jahr 50 und habe ein Teil-Stipendium der Firma SAP für das Studium "Master of Communication & Leadership" an der Fachhochschule Quadriga (Leitung Prof. Dr. Voss) erhalten, und habe mich darum als zukünftige Führungskraft (u.a. zum Thema demografischer Wandel) an meine Bank mit der Bitte um finanzielle Unterstützung gewandt.

Leider sind Sie mit ihrer Ignoranz des demografischen Wandels nur ein weiteres Beispiel für die in diesem Lande übliche Altersdiskriminierung. Damit bilden Sie den Jugendwahn und die Ängste der Personalleiter von deutschen Unternehmen ab. Diese Praxis ist, in Anbetracht des demografischen Wandels, schlicht skandalös, weil sie älteren Bewerbern eine Weiterbildung verweigert.

Zu ihrer Information: Ich verfolge seit 2007 als Pressebeauftragter des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen BDS, (als Gründungsmitgleid in der Berliner Erklärung - Unternehmen gestalten den demografischen Wandel - ist der BDS eine Selbstverpflichtung eingegangen, die 2008 vom BDS zusammen mit einigen namhaften Unternehmen, darunter der AXA- Konzern, im Beisein von Frau Ministerin Ursula von der Leyen unterzeichnet wurde).

Die Nicht-Rezeption der Gegebenheiten des demografischen Wandels durch die KfW Bank ist nur die peinliche Spitze eines Eisberges an Ignoranz und dokumentiert die Unfähigkeit der KfW, die Chancen des demografischen Wandels abseits aller politischen Sonntagsreden auch in Geschäftsmodelle für diesen demografischen Wandel zu überführen.

Eine Veränderung ist in vollem Gange, die Sie offenbar nicht mitgestalten wollen oder können. Ich hatte insgeheim gehofft, dass wenigstens die Bildungsförderung in Deutschland in dieser Frage ein wenig weiter wäre, wo doch ständig vom Rohstoff "Bildung + Wissen" die Rede ist. Doch weit gefehlt! Sie sind damit sicher kein Einzelfall, sie kopieren eben nur, was andere in Ihrem Bereich auch heute noch ganz alltäglich und unreflektiert tun.

Es fehlt damit ganz offensichtlich in Ihrem Unternehmen das Wissen um und das Vertrauen in die wissenschaftliche Demografieforschung, und damit die Grundlage für eine Einsicht in diese gesamtgesellschaftliche Veränderung. Ich empfehle Ihnen einen Bericht aus dem Wirtschaftsteil der FAZ vom Dienstag dieser Woche einmal aufmerksam zu lesen:
Dort könnten Sie erfahren, dass heute 50-Jährige nicht nur mehr Gitarren kaufen als die vermeintlich musik- und musikbildungshungrige Jugend. Das war einmal. Und nicht nur in Deutschland. Dahinter steckt ein Umbruch. Diesen Umbruch zu verstehen, würde bedeuten, sein eigenes Altersbild kritisch zu überprüfen und zu korrigieren, und damit auch sein Geschäftsmodell der Zeit und dem Markt anzupassen. Dazu sind viele Banken und Ihr Haus offensichtlich nicht in der Lage.

Das Spiel haben wir, die 50 + Generation längst gewonnen - doch Vorstände im Jugendwahn ignorieren noch immer hartnäckig den gesellschaftlichen demografischen "Spielstand." Wir, die 50 + Generation sind heute leistungsfähiger als die nachwachsenden Generationen, denn wir haben mehrere Innovationssprünge erlebt und Veränderungen selbst mitgestaltet. Wir haben etwas hinter uns. "Wir sind es gewohnt, keine Chance zu haben , aber diese zu nutzen."(Spontispruch aus den Achtzigern).

Meine Biografie, die ich Ihnen gerne auf Anfrage zur Verfügung stellen kann, hat meinen bisherigen Förderern aufgezeigt, welchen Weg ich hinter mir habe, aber auch für welchen Weg ich mich eigne. Und Sie können in uns ”Älteren“ und unserem Potenzial offensichtlich keinen geschäftlichen Erfolg für ihre Organisation erkennen und lehnen eine Förderung generell ab! Sie handeln schon heute ihren Geldgebern, nämlich uns, den Steuerzahlern gegenüber unverantwortlich, weil Sie ältere Bewerber und deren paradoxe Lebenswelt gar nicht kennen, oder weil sie in ihrer Förderungsstrategie nur auf junge Studenten setzen. Sie sind damit wirklich von gestern. Wer soll diese jungen Leute denn führen, falls sie wirklich eine harte Kommunikationsausbildung anstreben? Wenn Sie sich generell weigern, eine echte praktische Führungsausbildung in der Kommunikation, wie Sie die Ausbildung zum Master Communication & Leadership an der Quadriga Hochschule in Berlin darstellt, zu fördern? Für die Weiterbildung eines Menschen, der seine Berufserfahrung nun weitergeben möchte, sich für eine internationale Karriere und damit für eine zeitgemäße Führung ausbilden lässt, haben Sie überhaupt nichts an Förderung zu bieten! Das läuft Ihrem öffentlichen Auftrag und Geschäftszweck zuwider.

Glauben Sie nicht, dass die SAP-AG, ein Global Player, es sich überlegt hat, 10.000 Euro in meine Ausbildung an der Quadriga Fachhochschule zu investieren? Ich werde dort zum Beispiel für mein Mentoring und ein Praktikum zwischen den Spitzen der Unternehmenskommunikation von SAP, RWE und der neuen dpa wählen können, nachdem die Verantwortlichen aus der Praxis sich nach einem ausgeprägten Assessment und mehreren Tests von meinen Fähigkeiten für eine zukünftige Karriere überzeugt haben.
Ich würde mich freuen, Sie auch überzeugen zu können und verbleibe mit freundlichen Grüßen


Am 19.4.2010 antwortet das Infocenter der KfW und begründet die Altersgrenze für ihre Bildungskredite formal und ganz nach dem Motto "Ich war´s nicht". Zitat: "Die Förderbedingungen wurden hier vom Bundesministerium für Bildung und Forschung festgelegt."

Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Die Ziele des KfW-Studienkredits sind vor allem die Förderung eines zügigen Studiums, da die Studiendauer in Deutschland über dem europäischen Durchschnitt liegt. Zusätzlich haben wir eine Öffnung des Zugangs zum Erststudium angestrebt.

Ein weiteres Kriterium ist, unseren Kunden die Rückzahlung des Darlehens in realistischen Zeiträumen zu ermöglichen. Hierbei haben wir den Blickpunkt auf das nach dem Studium anschließende Berufsleben gesetzt. In diesem Zusammenhang ist die Festlegung einer Altersgrenze erforderlich. Hier hat sich die KfW bei der Erarbeitung der Förderkriterien für die Vollendung des 31. Lebensjahres entschieden. Hierbei wurde auch der maximale Förderzeitraum (Auszahlungsphase, Karenzphase und Rückzahlungsphase) von ca. 34 Jahren berücksichtigt.

Der KfW-Studienkredit steht damit im Grundsatz allen Hochschulstudenten bis zum vollendeten 31. Lebensjahr offen. Für Studierende, die dieses Alter überschritten haben und sich bereits im fortgeschrittenen Studium befinden gilt, dass die bereits absolvierten Fachsemester im geförderten Studienfach dem Höchstalter entsprechend angerechnet werden können. Dies stellt unseres Erachtens für Bestandsstudenten eine faire Regelung dar, da keine Benachteiligung gegenüber Erstsemester-Studenten stattfindet. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass keine Ausnahmeregelungen möglich sind.

Unsere anderen Förderdarlehen wie z. B. der Bildungskredit hat eine Altersbegrenzung von 36 Jahren. Für dieses Darlehen übernimmt die KfW die Auszahlung und Verwaltung. Die Förderbedingungen wurden hier vom Bundesministerium für Bildung und Forschung festgelegt.
(Welche Verordnung oder Durchführungsverordnung ist das???)

Ein weiteres Darlehen, welches wir verwalten, ist das Darlehen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) - sog. "Meister-BAföG". Mit dem von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten AFBG - besteht die Möglichkeit auf Förderung von beruflichen Fortbildungen.
Fachkräfte, die sich auf einen Fortbildungsabschluss zu Handwerks- oder Industriemeistern, Technikern, Fachkaufleuten oder eine vergleichbare Qualifikation vorbereiten und die bereits über eine abgeschlossene Erstausbildung oder einen vergleichbaren Berufsabschluss verfügen, können diese AFBG-Förderung beantragen.

Für die Antragstellung und die Bewilligung dieser Förderdarlehen ist das Amt für Ausbildungsförderung Ihres Bundeslandes zuständig. Gerne können Sie sich hier erkundigen, ob eine Förderung möglich ist. Sie haben Fragen zur Bewilligung, den Fördervoraussetzungen oder den Vergabebedingungen des AFBG-Darlehens? Nutzen Sie bitte folgenden Link: www.meister-bafoeg.info Hier haben Sie auch die Möglichkeit, die Antragsformulare direkt online auszufüllen.
Freundliche Grüße I. S.-W. Supervisor Infocenter
S.J. Beraterin Infocenter

Link: Mit 44 als Doktorandin zu alt?
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung