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Paritätischer will Bürgerversicherung in der Pflege

06.12.2010 - von Paritätischer

Anlässlich der durch das Statistische Bundesamt vorgestellten Modellrechnung zum Fachkräftemangel in der Pflege fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband umgehende Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegesituation. (Wessen Situation soll verbessert werden?)In einem Zehn-Punkte-Plan fordert der Verband unter anderem bessere Personalschlüssel und eine ausreichende Refinanzierung der Pflegeentgelte durch die öffentlichen Kassen. (siehe dazu: Träger kassieren, aber bilden nicht aus unter: Link

Mit fast 4.000 Diensten und Einrichtungen bieten der PARITÄTISCHE und seine Mitglieder Unterstützungsangebote für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. Dazu gehören: Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen, Wohnstifte, Angebote der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege, des betreuten Wohnens, psychiatrische Hauskrankenpflege, spezialisierte ambulante Palliativpflege und Hospizdienste und zahlreiche Beratungsstellen.

Nach Modellrechnungen des Verbandes für das Saarland steht nicht einmal eine Stunde Pflegezeit für jeden Heimbewohner pro Tag zur Verfügung. Allein für die Hilfe beim Essen bräuchte man eigentlich mindestens eine Stunde. Sollten die Pflegekräfte eine halbe Stunde mehr Zeit für jeden Betroffenen bekommen, müssten allein an der Saar 480 zusätzliche Vollzeitstellen geschaffen werden. Dies wären Mehrkosten von rund 17 Millionen Euro.

Zur Stabilisierung der Finanzen in der Pflege schlägt der Paritätische die Einführung einer sozialen Bürgerversicherung vor. „Die soziale Bürgerversicherung ist solidarisch, fair und bringt das Geld ins System, das wir brauchen“, so der Verbandsvorsitzende. Das Konzept des Paritätischen sieht eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze sowie eine Ausweitung der Bemessungsgrundlage auf alle Einkommensarten vor. Darüber hinaus fordert der Verband die Abschaffung der Grenze der Versicherungspflicht.

Der Zehn-Punkte-Plan des Paritätischen zur Verbesserung der Pflegesituation:
1.
Mehr Zeit in der Pflege
Gute Pflege braucht Zeit. Zeit, die heute bereits an vielen Stellen knapp ist. Die gewachsenen Anforderungen hinsichtlich nicht-pflegerischer Tätigkeiten wie der Pflegedokumentation
und vielerorts völlig unzureichende Personalschlüssel setzen Pflegekräfte unter enormen Druck. Das Ergebnis sind eine hohe Arbeitsbelastung und Stress, knappe Zeitbudgets und das fortlaufende Springen zwischen einzelnen Tätigkeiten, immer mehr administrative Pflichten und immer weniger Zeit für die direkte
Pflege und die Menschen, die ihrer bedürfen. Dies führt auch dazu, dass es zunehmend schwerer wird, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden und in dem Beruf zu halten.

Der Mangel an Zeit in der Pflege liegt im Wesentlichen in einem strukturellen Systemfehler der Pflegeversicherung begründet, der schon lange erkannt jedoch nach wie vor nicht behoben ist: Solange der tatsächliche Pflegebedarf und damit der erforderliche
Pflegeaufwand, beispielsweise auch für die zeitintensive Hilfe bei der Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitsversorgung oder die Beaufsichtigung und Betreuung, nicht realitätsgerecht in den jeweiligen Pflegestufen abgebildet wird, wird Zeit in der Pflege Mangelgut bleiben. Gerade auch mit Blick auf demenzkranke Menschen müssen die Pflegestufen, die die Orientierung für den Personaleinsatz geben, den tatsächlichen Pflegebedarf abbilden.
Wir brauchen mehr Zeit in der Pflege, um auch zukünftig die umfangreichen Qualitätsanforderungen erfüllen zu können und die Pflege als attraktives Berufsbild zu stärken. Pflegekräfte müssen sich wieder hauptsächlich der unmittelbaren Pflegetätigkeit und der Arbeit mit den Menschen widmen können. Die existierenden Dokumentationspflichten müssen sinnvoll reduziert und Bürokratie muss abgebaut werden.

Die Personalausstattung insbesondere in der stationären Pflege muss deutlich verbessert werden. Kranken- und Pflegekassen sowie öffentliche Träger müssen Personalschlüsseln und Entgelten zustimmen, die eine angemessene Versorgung ermöglichen. Hierbei ist auch über ein einheitliches Personalbemessungssystem nachzudenken.
2.
Angemessene Vergütungen der Pflegeleistungen
Gute Pflege kostet Geld. Die im Wettbewerb auf dem Markt durchzusetzenden Pflegesätze in der stationären Pflege sind jedoch häufig zu niedrig; der Kostendruck in der Pflegebranche ist immens. Der Personaleinsatz ist direkt abhängig von den Pflegesätzen und eine adäquate Personalausstattung ist häufig nicht durch eine entsprechende Finanzierung gedeckt.

Für den Bereich der stationären Pflege hat mit Urteil vom 29.01.2009 das Bundessozialgericht festgestellt, dass ein durch Tarifbindung begründeter höherer Personalkostenaufwand bei den Pflegesatzverhandlungen zu berücksichtigen ist. In der Praxis blockieren die Kostenträger notwendige Verbesserungen der Personalschlüssel, oftmals wird durch den Verhandlungsdruck sogar die Ausschöpfung der bereits vereinbarten Personalschlüssel verhindert. Auch für die ambulante Pflege ist der Zeit und Kostendruck enorm. Gebühren sind landeseinheitlich vereinbart und beinhalten keinen Spielraum für leistungsgerechte Vergütungsstrukturen, die einen ausreichenden Einsatz angemessen qualifizierten Personals und eine Freistellung der verantwortlichen Pflegefachkräfte für notwendige Managementaufgaben ermöglichen würden.

Diesem Trend muss gesetzlich gegengesteuert werden. Pflegesätze, Entgelte und Preise müssen sich an der geforderten Qualität orientieren, die Verhandlungsstrategien der Kostenträger dürfen nicht einfach auf Kosten- und Preissenkungen zielen. Die gesetzlichen Anforderungen an die Qualität der Leistungen und des vorzuhaltenden Personals müssen sich in den Vergütungen wiederfinden. Da es sich in der Pflege um einen teilregulierten Markt handelt, muss die Politik die Refinanzierung entsprechend sichern, soll es nicht zu Leistungskürzungen und qualitativen Einbußen kommen.
3.
Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs
Gute Pflege ist mehr als die Hilfe bei körperbezogenen Verrichtungen. Der bestehende Pflegebedürftigkeitsbegriff ist zu eng gefasst. Zu eng, da zentrale Lebensbereiche und Aktivitäten, da Bedürfnisse und Bedarfe nach Zuwendung, Beaufsichtigung, Kommunikation und sozialer Teilhabe ausgeblendet werden. Bei der Einführung der Pflegeversicherung wurde für die Feststellung des Pflegebedarfs bzw. der Pflegebedürftigkeit mit dem Katalog von Verrichtungen in § 14 Abs. 4 SGB XI ausschließlich auf körperliche Funktionseinbußen abgestellt. Dies führt dazu, dass Menschen mit kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen, hier insbesondere auch demenziell erkrankte Menschen, von den Leistungen der Pflegeversicherung ausgeschlossen werden bzw. nur eine niedrige Pflegestufe zuerkannt bekommen, auch wenn die Notwendigkeit einer umfängliche Beaufsichtigung und Betreuung dieser Menschen offensichtlich ist. Viele der inzwischen rund eine Million Demenzkranken kommen in diesem System kaum vor. Auch pflegebedürftige Kinder oder Menschen mit Behinderungen fallen – sofern sie nicht körperlich, sondern „nur“ geistig beeinträchtigt
sind – durchs Raster und erhalten mitunter überhaupt keine Leistungen aus der Pflegeversicherung.

Mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz konnten hier einige Verbesserungen, insbesondere für Menschen mit Demenz, erzielt werden. Doch die bisherige Einteilung in drei Pflegestufen greift nach wie vor deutlich zu kurz. Der Beirat zur Überprüfung des bisherigen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, in dem auch der Paritätische mitgewirkt hat, hat sich seit November 2006 (!!!) mit diesem Problem beschäftigt. Im Januar 2009 stellte der Beirat seinen Bericht und Empfehlungen zur Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des damit verbundenen Begutachtungsverfahrens zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit vor. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff umfasst sowohl körperliche als auch kognitive und psychische Beeinträchtigungen.
Zukünftig soll es nicht mehr nur drei, sondern fünf Pflegestufen geben, so die Empfehlungen des Beirates. Wesentliches Kriterium für die Einstufung sollen dann nicht mehr der Zeitaufwand für die körperliche Pflege sein, sondern vor allem der Grad der Selbständigkeit, mit dem der oder die Pflegebedürftige noch im Leben steht. Siehe dazu: Das neue Pflegeverständnis: Link
Der vom Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs empfohlene Pflegebedürftigkeitsbegriff muss nunmehr dringend im Rahmen einer nachhaltigen Pflegereform unter Berücksichtigung des Aspektes, dass die Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs
weitere finanzielle Mittel erfordert, umgesetzt werden.

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff bedeutet die Abkehr von der Minutenpflege hin zu einer Pflege, die sich ausschließlich an dem tatsächlichen Unterstützungsbedarf des pflegebedürftigen Menschen orientiert. Es ist ein Skandal, statt endlich Nägel mit Köpfen zu machen, wenn das Bundesgesundheitsministerium dieses Vorhaben weiter in den Schubladen verstauben lässt,
4.
Bessere Arbeitsbedingungen des Personals
Gute Pflege verdient Anerkennung. Immer wieder werden Kampagnen zur Image-Verbesserung des Pflegeberufs angestoßen, diskutiert, durchgeführt und wieder vergessen. Auch die innovativste Image-Kampagne wird jedoch ins Leere laufen, wenn die tatsächlichen Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht so gestaltet werden, dass
die Arbeitsbelastung reduziert und die anspruchsvolle Arbeit der Pflegekräfte angemessen honoriert werden – nicht zuletzt auch durch eine attraktive Bezahlung. Der aktuell geltende Mindestlohn in der Pflege ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Allerdings ist der Lohn geringer als in vielen anderen Branchen, die Regelung ist nur bis Ende 2014 befristet und sie gilt nicht für alle in der Pflege Tätigen. Eine Unterscheidung
in „Ost- und Westlohnsysteme“ ist ebenso nicht gerechtfertigt. Dabei kann es also nicht bleiben. Die Löhne in den Pflegeberufen müssen sich mindestens an entsprechenden Tarifen orientieren. Eine reine Beschränkung „nach unten“, wie durch den Mindestlohn geschehen, ist vor dem beschriebenen Hintergrund nicht das
richtige politische Zeichen.

Neben den finanziellen Anreizen sowie einer Reduzierung der Arbeitsbelastung durch günstigere Personalschlüssel spielen weitere Aspekte wie flexible Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine entscheidende Rolle, um die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten + die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern.
5.
Personalgewinnung und Qualifizierung
Gute Pflege braucht kompetentes Personal. Die Menschen werden immer älter, und immer mehr ältere Menschen sind auf Unterstützung, auf Pflege und Hilfe angewiesen. Gleichzeitig wird es zunehmend schwerer, Fachkräfte und Nachwuchs für die anspruchsvolle Tätigkeit im Bereich der Pflege zu gewinnen. Diesem Trend muss mit geeigneten Maßnahmen der Personalgewinnung, Qualifizierung und Entwicklung nachhaltig begegnet werden.

Die Pflegebranche wird den Wettbewerb um Fachkräfte nur bedingt mit Geld führen können. Sie muss andere Wege nutzen, um ihr Image als attraktiver Arbeitgeber zu stärken. Sie muss ihre Arbeitsplätze offensiv als wertvolle Dienste am Menschen
herausstellen. Und sie muss dieses Ideal mit Leben füllen.
Dem professionellen Personalmanagement der Einrichtungen und Dienste kommt vor diesem Hintergrund eine wachsende Bedeutung zu. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen gefunden, vorhandene Fachkräfte müssen in den Einrichtungen gehalten werden. Personalentwicklung muss in den Betrieben einen ähnlich hohen Stellenwert einnehmen wie die Qualitätssicherung der pflegerischen Leistungen. Neben innerbetrieblichen Karriere- und Aufstiegschancen sind dabei auch bessere Strukturen und erleichternde gesetzliche Rahmenbedingungen erforderlich, um den Pflegefachkräften mehr Verantwortung und Kompetenz (Substitution und Delegation ärztlicher Leistungen) zu übertragen, was die Arbeitsmotivation fördert. Mit dem Kompetenzzentrum „Fachkräftegewinnung im demografischen Wandel“ bietet der PARITÄTISCHE seinen Mitgliedsorganisationen Unterstützung bei der Entwicklung und Anwendung zukunftsweisender Methoden der Personalplanung und -entwicklung an.
6.
Sicherstellung der ]Leitungsqualität und der Managementqualität
Gute Pflege erfordert professionelles Management. Die Anforderungen an Leitungskräfte in der Pflege sind komplex und vielfältig. Vom Qualitätsmanagement über die betriebswirtschaftlichen Aspekte der Einrichtungsleitung bis zu Erfahrungen in der Organisationsentwicklung und Mitarbeiterführung – das Spektrum an Schlüsselkompetenzen, Fachwissen, Kenntnissen und Fähigkeiten, die eine Führungskraft in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft heute mitbringen muss, ist enorm. Das professionelle und verantwortungsvolle Management von Pflegeeinrichtungen ist ein entscheidender Schlüssel für die Pflegequalität. Die Managementqualität hängt dabei sowohl von der Qualifikation der Leitungskräfte als auch davon ab, welche Zeitressourcen den Leitungskräften für Managementaufgaben zur Verfügung stehen.

Leitungskräfte (nur die???)in der Pflege benötigen eine ausreichende Qualifikation und kontinuierliche Weiterbildung. Während die Qualifikation der Leitungskräfte bereits im Rahmen der Zulassung der Pflegeeinrichtungen geprüft wird, ist die kontinuierliche Weiterbildung von Leitungskräften bisher kaum ausreichend sichergestellt. Die für die Fort- und Weiterbildung vereinbarten Entgelte reichen bei weitem nicht aus, den fachlich notwendigen und politisch geforderten Fort- und Weiterbildungsstand zu erreichen. Für den ambulanten Bereich fehlt eine Refinanzierung der gesetzlichen
Vorgaben für Fort- und Weiterbildung bisher völlig. Um die Qualität der Leitungsaufgaben kontinuierlich zu steigern und den wichtigen und verantwortungsvollen Aufgaben gerecht zu werden, bilden sich Leitungskräfte, aber auch Fachpersonal in ihrer Freizeit und auf eigene Kosten weiter. Hier sind rasch umfassende
Neuregelungen erforderlich, die Zeit und Refinanzierung sicherstellen. Auf- und auszubauen sind darüber hinaus modulare kompetenzorientierte Weiterbildungssysteme, die die kontinuierliche berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung ermöglichen.
7.
Reform der Pflegeausbildung
Gute Pflege bietet Perspektiven. Die Pflegebranche ist eine Wachstumsbranche mit zunehmendem Bedarf an qualifizierten und motivierten Fachkräften. Bei der Ausbildung von Fachkräften wird die Konkurrenz unter den Pflegeeinrichtungen sowie mit anderen Ausbildungsberufen und Branchen um immer weniger Schul- und Hochschulabgänger zunehmen. Dabei ist die Ausgangslage der Pflege aufgrund ihres eher negativen Images und der hohen physischen und psychischen Anforderungen des Berufes eher ungünstig. Die Attraktivität einer Tätigkeit in der Pflege wird – betrachtet man die Entlohnung und jetzigen Rahmenbedingungen – vor dem Hintergrund der Anforderungen und Verantwortung weiterhin reduziert. Demgegenüber steht jedoch eine hohe Identifikation der Beschäftigten in der Pflege mit ihrem Beruf und ihren Tätigkeiten. Damit sich mehr Menschen für eine berufliche Perspektive in dieser Branche entscheiden, muss die Pflegeausbildung dringend reformiert und die vertikale Durchlässigkeit verbessert werden. Nach dem Koalitionsvertrag sollen die Pflegeberufe in der Ausbildung durch ein neues Berufsgesetz grundlegend modernisiert und zusammenführt werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird Anfang 2011 erwartet. Der Paritätische setzt sich für eine „generalistische Pflegeausbildung“ ein, die an der Praxis zu orientieren ist. Mit Blick auf den Europäischen und den Deutschen Qualifikationsrahmen ist auch eine Akademisierung der Pflegeberufe geboten. Die neue Ausbildung muss Inhalte der Altenpflege in Theorie und Praxis enthalten. Es ist wichtig, dass in der Ausbildung der Pflege die Kernkompetenzen der Altenpflege ausgebaut und geschärft werden.
Das gesamte Bildungssystem muss deutlich durchlässiger gestaltet werden. Hier sind Verbesserungen beim Zugang zum Beruf, der berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung sowie der Anrechnung non-formal erworbener Qualifikationen (EQR/ DQR) erforderlich, insbesondere auch mit Blick auf die Generation 40 +.
8.
Kosten der Pflegeausbildung
Gute Pflege geht alle an. Eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen und wachsende Ausbildungsbereitschaft ermöglichen uns mittelfristig, den Bedarf an Fachkräften aus dem eigenen Land zu generieren und damit Bestand und Qualität
der pflegerischen Versorgung zu sichern. Um Personal für die Branche zu gewinnen, muss verstärkt in die Ausbildung investiert werden. In der Krankenhausversorgung wird die Krankenpflegeausbildung über die Solidargemeinschaft mittels Zuschlägen zur Vergütung (DRGs) finanziert. Demgegenüber müssen Pflegeeinrichtungen ihre Ausbildungskosten den Pflegebedürftigen in Rechnung stellen. Einrichtungen, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zur Schaffung von Ausbildungsplätzen gerecht werden, sind im Ergebnis für ihre Bewohnerinnen und Bewohner teurer als Unternehmen, die nicht ausbilden. Das hat Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Einrichtungen und macht sich ganz besonders in der ambulanten Pflege bemerkbar. Hier herrschen Preiskampf und Kostendruck.

Auch die Ausbildungskosten im Bereich der Pflegeversicherung müssen aus dem Leistungssystem finanziert werden. Die Kosten der Altenpflegeausbildung sind auf alle Versicherten umzulegen – analog zum Umlageverfahren der Kosten der Krankenpflegeausbildung
in den Krankenhäusern. So wäre eine solidarische Bereitstellung
der Mittel für die Ausbildungskosten gewährleistet. Dies beinhaltet auch die Kosten der praktischen Ausbildung (Praxisanleitung und Ausbildungsvergütung), die nicht zu Lasten personenzentrierter Hilfen gehen dürfen. Da es sich bei Pflege um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, ist auch über eine Finanzierung aus Steuermitteln nachzudenken.
9.
Regelmäßige und unabhängige Prüfungen/Qualitätsmanagement
Gute Pflege hat nichts zu verbergen. Wir brauchen Transparenz, um Pflegebedürftige und Angehörige in die Lage zu versetzen, vorhandene Angebote vergleichen und selbstbestimmte Entscheidungen treffen zu können. Wir brauchen Transparenz, damit potenzielle Kunden Informationen zur Qualität der Leistungserbringung des von ihnen gewählten Pflegedienstes oder Heimes erhalten können. Transparenz in der Pflege ist nicht zuletzt für die Einrichtungen selbst Chance und Herausforderung
zugleich: Wer Gutes tut, sollte auch drüber reden – wo Mängel sichtbar werden, muss etwas geändert werden. Transparenz ist also auch im Sinne einer nachhaltigen Qualitätssicherung in der ambulanten und stationären Pflege unverzichtbar. Damit die Veröffentlichung von Prüfberichten jedoch tatsächlich zu mehr Transparenz im skizzierten Sinne führt, muss sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die Qualitätsberichte müssen übersichtlich und vergleichbar über die Qualität und Leistungen
von Pflegeeinrichtungen informieren. Die Informationen müssen in verständlicher Art und Weise aufbereitet werden. Um eine wirkliche Orientierungshilfe für die Nutzer, also die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen zu bieten, müssen die Prüfberichte schließlich Aussagen vor allem über die tatsächliche Lebenssituation pflegebedürftiger Menschen enthalten – und dabei so abgefasst sein, dass die Würde der zu Pflegenden stets gewahrt bleibt.
Eine unabhängige Prüfung von Pflegeeinrichtungen nach einheitlichen Standards ist grundsätzlich sinnvoll. Hier bedarf es eines Prüfinstituts, das auftretende Pflegeprobleme einer unabhängigen Ursachenanalyse unterzieht und sich nicht scheut, auch das Preis-Leistungs-Verhältnis anzusprechen. Der MDK ist aufgrund seiner Abhängigkeit vom Kostenträger (Krankenkassen und Pflegekassen) für diese Rolle ungeeignet. Die externe Qualitätssicherung muss durch das interne Qualitätsmanagement der Einrichtungen ergänzt werden. Die Wohlfahrtsverbände haben bereits in der Vergangenheit Verantwortung für die Pflegequalität übernommen und ihre Mitglieder bzw. Pflegeeinrichtungen gefördert und gefordert. Diese Eigeninitiative ist vom Gesetzgeber aufzugreifen, rechtlich abzusichern und entsprechend zu fördern.
10.
Ärztliche Versorgung
Gute Pflege und ärztliche Versorgung müssen Hand in Hand gehen und sich zum Wohle des Pflegebedürftigen sinnvoll ergänzen. Ein möglichst langes selbstbestimmtes Leben im Alter kann nur gelingen, wenn neben dem erforderlichen Maß an Pflege und Unterstützung im Alltag auch eine ausreichende ärztliche Versorgung sichergestellt ist, die sowohl präventiv als auch im akuten Krankheitsfall verlässlich wirkt.

Es ist belegt, dass die ärztliche Versorgung von zu Hause und von in Heimen lebenden pflegebedürftigen Menschen defizitär ist. Diese Versorgungsdefizite werden zu Unrecht häufig den Pflegediensten und Heimen angelastet. Hier besteht dringender
Handlungsbedarf. Die kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen sind gefordert, die Ursachen zu analysieren und z.B. mit angemessenen Vergütungen eine adäquate ärztliche Versorgung von Heimbewohnerinnen und immobilen Patientinnen
in häuslicher Pflege sicherzustellen. Dialog, Austausch und Kooperation zwischen Arzt und Pflege müssen zur Selbstverständlichkeit werden. Der Grundstein dafür muss bereits in der Ausbildung gelegt werden.
November 2010
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Mehr als zwei Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Rund ein Drittel von ihnen lebt in Pflegeeinrichtungen, die meisten aber zuhause – mit Pflege
und Unterstützung von Angehörigen und ambulanten Hilfen.

Link: Pflegeversicherung: Zusatzbeiträge sind in der Mache…
Quelle: PM Paritätischer Gesamtverband, 6.12.2010

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03.12.2010: Pflegeversicherung: Beitragssatz neu berechnet
23.11.2010: Pflege: Linke fordert Bürgerversicherung
16.11.2010: Pflegeversicherung: SPD, Grüne, Linke dagegen

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