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Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz: Entwurf

28.07.2011 - von Alexander Klose

Als erstes Bundesland will Berlin den Schutz vor Diskriminierungen durch den Staat durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) verbessern und damit die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bestehenden Schutzlücken z.B. im Bildungsbereich schließen.

Der im Auftrag der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung von Alexander Klose (Büro für Recht und Wissenschaft) erarbeitete Entwurf wurde am 5. Juli 2011 im Berliner Abgeordnetenhaus einem Fachpublikum vorgestellt.

Begrüßung der Teilnehmenden durch Rainer-Maria Fritsch, Staatssekretär für Soziales
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich darf Sie alle sehr herzlich zu unserer Fachwerkstatt begrüßen! Es freut mich sehr, dass Sie heute hier sind und mit uns gemeinsam einen ersten großen Schritt hin zu einem Berliner Antidiskriminierungsgesetz machen wollen. Wir alle wissen, dass das ein durchaus ehrgeiziges, aber – wie zu zeigen sein wird – ein auch notwendiges Vorhaben ist. Für dieses Vorhaben wird noch eine breite Unterstützung der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien einzuwerben und einzufordern sein.

Ich freue mich sehr, dass der Kreis unserer Fachleute Herrn Prof. Mahlmann, als ausgewiesenen Experten des Antidiskriminierungsrechts, einschließt und möchte mich für sein Kommen herzlich bedanken. Ebenso möchte ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Podiumsrunde, Frau Yiǧit, Frau Liebscher, Herrn Ferschtman und dem Moderator Herrn Seidel herzlich danken, dass sie ihre Perspektiven mit uns teilen wollen und uns wichtige Impulse für die Diskussion des Entwurfs geben werden. Ein ganz besonderer Dank gilt natürlich Alexander Klose, aus dessen Hand der uns vorliegende - hoch interessante - Diskussionsentwurf stammt. Wir sind sehr froh, dass wir ihn für diese schwierige und herausfordernde Aufgabe gewinnen konnten.

Wir haben Sie alle – als Vertreter/innen der Beratungsstellen vor Ort, als Vertreter/innen der Berliner Verwaltung - zu einer „Fachwerkstatt“ eingeladen. Bitte nehmen Sie diesen Werkstatt-Begriff ruhig wörtlich, krempeln Sie gewissermaßen die Ärmel hoch, nehmen Sie Ihre Erfahrungen und Ihr Wissen als unverzichtbares Werkzeug zur Hand und lassen Sie uns gemeinsam an diesem Projekt arbeiten. Ich danke Ihnen schon jetzt dafür, dass Sie zu dieser Fachwerkstatt eine Vielzahl an Perspektiven einbringen wollen.

Es sollte zwischenzeitlich niemanden mehr überraschen, dass der Entwurf für das erste Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene aus Berlin stammt. Denn Berlin setzt seit Jahren
– wenn Sie mir erlauben das mit einem gewissen Stolz zu sagen - in der Antidiskriminierungspolitik eigene Maßstäbe. Die Förderung einer Kultur der Wertschätzung und Vielfalt ist eines der zentralen gesellschaftspolitischen Anliegen des Senats. 2007 wurde die bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales angesiedelte Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung eingerichtet.

In den letzten fünf Jahren hat sich die Landesstelle zur einer zentralen Schaltstelle und Impulsgeberin der Antidiskriminierungsarbeit in Berlin entwickelt.

Antidiskriminierungsarbeit in Berlin wird – das möchte ich ausdrücklich betonen – allerdings von vielen verschiedenen Akteur/innen geleistet, sie kommen aus der Politik, Verwaltung und vor allem aus der Zivilgesellschaft. Gute Netzwerkarbeit ist hier das „A & O“ und die Landesstelle sieht ihre Rolle auch darin, Raum für Verbindungen und Austausch zu schaffen und die Netzwerke dadurch immer stärker zu machen.

Wichtige akteurs- und bereichsübergreifende Maßnahmen, wie der „Landesaktionsplan gegen Rassismus“ oder die „Initiative Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ werden von der Landesstelle koordiniert. Gleichzeitig ist die Landesstelle oft die erste Anlaufstelle für Menschen, die sich diskriminiert fühlen. Für sie stellt die Landesstelle den Kontakt zu den zahlreichen hochkompetenten Beratungsstellen her, die unverzichtbare Mitstreiter/innen der Antidiskriminierungsarbeit in Berlin sind.

Und trotzdem bleibt (auch) in Berlin noch viel zu tun. Ein Blick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zeigt dies. Das AGG gilt, vereinfacht gesprochen, im Zivilrechtsverkehr, einschließlich des Arbeitsrechts. Es ist anwendbar, wenn ein Reiseunternehmen keine Kunden mit Behinderung aufnehmen will; wenn ein Arbeitnehmer auf Grund seines Alters aus dem Betrieb gedrängt wird; oder wenn einem homosexuellen Paar die Zusage für eine Wohnung verweigert wird.

Eine Lücke aber zeigt sich beim staatlichem Handeln. Öffentlich-rechtliches Handeln wird vom AGG nicht vollständig erfasst. Doch was bedeutet das konkret? Es bedeutet, dass eine Bürgerin, die sich bei einem Termin im Bürgerbüro benachteiligt fühlt, diese Diskriminierung nicht nach dem AGG beanstanden kann. Es bedeutet, dass ein Bürger, der sich von Polizeibeamten diskriminiert fühlt, nicht nach dem AGG vorgehen kann. Es bedeutet, dass der Diskriminierungsschutz eine Lücke hat, wenn nicht Mitarbeiter/innen der Berliner Verwaltung und ihre Führungskräfte eine besondere Aufmerksamkeit und Sensibilität für ihr eigenes Menschen diskriminierendes Verhalten entwickelt haben und weiter entfalten.

Wir müssen anerkennen, dass der Staat nicht nur als Akteur in der Antidiskriminierungsarbeit eine wichtige Rolle spielt, wie ich eben am Beispiel der Landesstelle erläutert habe. Wir müssen den Staat auch als potentiell diskriminierenden Akteur unter die Lupe nehmen. In dieser Doppelrolle trägt die Berliner Verwaltung eine besondere Verantwortung. Sie trägt die Verantwortung, den Diskriminierungsschutz in Berlin voranzubringen und im verwaltungsinternen wie im verwaltungsexternen Arbeiten nichtdiskriminierend zu handeln.

Als Berlin 2007 als erstes Bundesland der „Charta der Vielfalt“ beigetreten ist, setzte der Senat ein grundsätzliches Zeichen dafür, dass er sich seiner Verantwortung als Arbeitgeber und Dienstleister, der gleiche Chancen nachhaltig fördert, stellt. Nach innen gerichtet, hat die Verwaltung bereits wichtige Prozesse forciert, ich nenne an dieser Stelle als Beispiel das Projekt „Berlin-Stadt der Vielfalt“.

Erklärtes Ziel des Diversity-Prozesses in der Berliner Verwaltung ist die Schaffung einer modernen Verwaltungskultur, in der Vielfalt willkommen geheißen wird. Die Beschäftigten sollen in einem vorurteilsfreien Arbeitsumfeld tätig sein, das von der Wertschätzung jeder und jedes Einzelnen geprägt ist. Nur unter diesen Voraussetzungen können wir erreichen, dass auch die Bürgerinnen und Bürger eine offene, unvoreingenommene Verwaltung erleben.

Mit einem Landesantidiskriminierungsgesetz zeigen wir, dass es uns ernst ist mit dieser offenen, unvoreingenommenen Verwaltung und dass wir uns nicht scheuen, unseren Bestrebungen konkrete Verbindlichkeit zu verleihen. Es ist aber nicht nur wichtig, wen ein Antidiskriminierungsgesetz bindet. Es ist mindestens genauso wichtig, wen ein solches Gesetz vor Diskriminierung schützt und wem es die Möglichkeit gibt, sich gegen Diskriminierungen zu wehren.

Wie das AGG würde ein Landesantidiskriminierungsgesetz – ein LADG - eine Diskriminierung wegen bestimmter Merkmale verbieten. Der Katalog dieser Merkmale ist entscheidend dafür, ob sich Betroffene gegen eine Diskriminierung wehren können. Ohne zu viel über die Einzelheiten des differenzierten Gesetzesentwurfes zu verraten, den Alexander Klose gleich ausführlich vorstellt, möchte ich doch eine Besonderheit des Merkmalskatalogs nach dem Gesetzesentwurf herausstellen.

Erstmals soll auch die Diskriminierung auf Grund des sozialen Status erfasst werden. Wir sind uns völlig darüber im Klaren, dass das rechtlich betrachtet Neuland ist und sicherlich noch einige Diskussionen notwendig sind. Aber wir sollten die Augen nicht vor der gesellschaftlichen Realität verschließen, zu der aus auch gehört, dass z.B. die Tatsache, ob jemand Arbeit hat oder nicht, im erheblichen Maße Benachteiligungen, Ausgrenzung und eben auch Diskriminierung nach sich zieht.

Der Schutz vor Diskriminierung kann immer nur so stark sein wie die Instrumente zu seiner Durchsetzung. Es ist wichtig, dass die Last, sich gegen eine Diskriminierung zu wehren, nicht nur auf den Schultern des Diskriminierungsopfers ruht.
Und es ist genauso wichtig, dass niemand Konsequenzen oder Schikane fürchten muss, wenn sie oder er sich gegen eine Diskriminierung wehrt. Auch hier, Sie werden das hören, zeigt der Gesetzesentwurf einen neuen unterstützenden Weg auf, indem er anderen Akteuren erlaubt, an Stelle der betroffenen Personen gegen Diskriminierung vorzugehen. Wir diskutieren heute über einen ambitionierten Gesetzentwurf und damit über ein rechtliches Instrument zur Verbesserung des Diskriminierungsschutzes.

Uns ist dabei bewusst, dass wirksame Antidiskriminierungspolitik viel mehr ist, als das Schaffen und Weiterentwickeln rechtlicher Rahmenbedingungen. Und dennoch ist dieser rechtliche Rahmen von großer Wichtigkeit.
Mit ihm haben politische Forderungen eine starke Grundlage. Mit einem zukunftsweisenden rechtlichen Rahmen unterstützen wir alle Akteur/innen, die die Antidiskriminierungsarbeit in Berlin mittragen. Auch über die Landesgrenze hinweg senden wir ein wichtiges Signal an andere Bundesländer und die Aktiven dort, dass der Diskriminierungsschutz auch rechtlich vorangetrieben werden muss.

Lassen Sie mich mit einem Blick auf das „Motto“ der heutigen Fachwerkstatt schließen. „Gleichbehandlung ist Ihr gutes Recht“ heißt es. Das ist eine Ermutigung für alle Bürger und Bürgerinnen, ihre Rechte wahrzunehmen, es ist aber auch ein Auftrag an uns, sie dabei mit aller Kraft bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen. Und wie schon gesagt: Für dieses Vorhaben wird noch für eine breite Unterstützung bei den im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien zu werben sein. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihre aktive Unterstützung bei der heutigen Veranstaltung.

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Aus dem LADS Rundbrief, August 2011:
Am 05.07.2011 wurde mit der Vorstellung des im Auftrag der Landesantidiskriminierungsstelle von dem Rechtswissenschaftler Alexander Klose erarbeiteten LADG-Entwurfs ein erster großer Schritt hin zu einem Berliner Antidiskriminierungsgesetz (LADG) getan. Der Staatssekretär für Soziales, Rainer-Maria Fritsch, begrüßte die gut 60 Teilnehmenden, und ermutigte sie - als Vertreter/innen der Beratungsstellen vor Ort, der Berliner Verwaltung und der Wissenschaft - den Werkstatt-Begriff durchaus wörtlich zu nehmen und gemeinsam an dem Projekt LADG zu arbeiten. Es sei ein durchaus ehrgeiziges, aber ein aus fachlicher Sicht notwendiges Vorhaben, für das eine breite Unterstützung der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien einzuwerben und einzufordern sei.

Ein Blick auf die Rechtswirklichkeit belege, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) manche Lücke im Diskriminierungsschutz offen lasse. So werde öffentlich-rechtliches Handeln vom AGG nicht erfasst. Eine Bürgerin, die bei einem Termin im Bürgerbüro eine Benachteiligung wahrnehme, könne diese Diskriminierung nach dem AGG nicht beanstanden. Das gleiche gelte für einen Bürger, der sich bspw. von Polizeibeamten diskriminiert fühlt. Es müsse - so Staatssekretär Fritsch - erkannt werden, dass der Staat nicht nur als Akteur in der Antidiskriminierungsarbeit eine wichtige und positive Rolle spielen kann, sondern man müsse ihn auch bei potentiell diskriminierenden Verhalten unter die Lupe nehmen.

Der Staatssekretär hob hervor, dass der Gesetzesentwurf über die im AGG genannten Merkmale hinaus erstmals auch die Diskriminierung auf Grund des sozialen Status erfasse. Hier werde zwei-fellos rechtspolitisches Neuland betreten. Es dürften aber die (antidiskriminierungsrechtlichen) Augen nicht vor der Tatsache verschlossen werden, dass zum Beispiel Hartz-IV-Empfangende immer wieder Benachteiligungen, Ausgrenzung und eben auch Diskriminierungen erleben. Ferner sei es wichtig, dass die Last, sich gegen Diskriminierungen zu wehren, nicht allein auf den Schultern der Diskriminierungsopfer ruht. Auch hier zeige der Gesetzesentwurf mit der Etablierung eines Verbandsklagerechts einen neuen Weg auf, indem er qualifizierten Antidiskriminierungsverbänden erlaubt, an Stelle der betroffenen Personen gegen Diskriminierung vorzugehen.

Während die wirksame Verbesserung des Diskriminierungsschutzes das eine zentrale Ziel des Gesetzentwurfes sei, so sei die Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt dessen zweites, sozusagen komplementäres Ziel. So sei es vorgesehen, die Berliner Verwaltung zu einem umfassenden Diversity-Mainstreaming zu verpflichten. Auch dies sei ein bemerkenswertes Novum in der rechtlichen Fundierung von Chancengleichheitsstrategien.

Dass solcherart innovative Vorschläge wie auch der Entwurf für das erste Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene aus Berlin stammten, sollte - so Staatssekretär Fritsch - zwischenzeitlich eigentlich niemanden mehr überraschen: Berlin setze seit Jahren in der Antidiskriminierungspolitik immer wieder entscheidende Akzente. Staatssekretär Fritsch schloss seine Begrüßung mit dem Dank an die teilnehmenden Experten und Expertinnen Herrn Prof. Dr. Matthias Mahlmann (Universität Zürich), Frau Nuran Yigit (ADNB, Berlin), Frau Doris Liebscher (ADB, Sachsen), Herrn Maxim Ferschtman (Open Society Justice, Amsterdam) sowie dem Moderator Herrn Seidel (Schulen gegen Rassismus – Schulen mit Courage) für ihre Beiträge. Ein ganz besonderer Dank galt Alexander Klose, aus dessen Hand der Diskussionsentwurf stammt.

Der Gesetzentwurf der Diskriminierungen aus rassistischen Gründen, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität und des sozialen Status durch hoheitliches Handeln verbietet, ist zu finden unter:
http://www.berlin.de/imperia/md/content/lb_ads/materialien/diskriminierung/ladg.pdf?start&ts=1310721827&file=ladg.pdf

Link: Altersgrenzen in Berliner Rechtsvorschriften…
Quelle: idm Newsletter 2/2011