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Heimnoten contra Realität

03.05.2012 - von u.a. M. Klein

Exzellent benotete Pflegeheime wurden von einem Mitarbeiter der Redaktion Spiegel-TV Anfang Mai 2012 mit versteckter Kamera besucht, um festzustellen, was es mit den im Internet veröffentlichten Spitzennoten auf sich hat. Fazit: Schlimme Zustände sogar in den mit "eins" benoteten Pflegeheimen, strukturelle Altersdiskriminierung pur. Die Bedingungen der HeimbewohnerInnen wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht. Dabei handelt es sich um eine Dienstleistung, für die Pflegebedürftige ihr gesamtes Geld hergeben müssen. Danach werden die Kinder zur Kasse gebeten und die SteuerzahlerInnen.

Es klingt wie Hohn, aber der dritte Pflege-Qualitätsbericht des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes hat noch im April 2012 festgestellt: Vor allem bei der Ernährung und Flüssigkeitsversorgung sowie im Umgang mit Menschen mit Demenz gäbe es Fortschritte im Vergleich zum Bericht aus dem Jahr 2007!

Von der Kölner Seniorenvertreterin Klein wurde der Fernsehbericht wie folgt kommentiert::

"Es ist erschreckend, wie mit alten kranken Menschen umgegangen wird. Es ist nicht zu fassen und der med.Dienst gibt auch noch Bestnoten. Ich kann nur sagen: grausam.
Herr Professor Hirsch von den Rheinischen Kliniken Bonn klagt diese katastrophalen Zustände schon seit vielen Jahren an und es ändert sich nichts, im Gegenteil.

Es werden Seminare über Pflege angeboten. Was sollen die bringen? Dort wird erzählt, was alles in der Pflege möglich ist, aber vor der Wirklichkeit werden die Augen verschlossen.

Ich hatte mir als Senioren-Vertreterin in Köln eingebildet, weil ich bestens Bescheid weiß in der Pflege und Versorgung, ich würde in den Ausschuss Gesundheit und Pflege oder in die Pflegekonferenz gewählt. Nein, Leute die Bescheid wissen und den Mund aufmachen, die nachhaken, die will man lieber nicht in diesen Gremien sitzen haben. Jemand der von der Marterie keine Ahnung hat, stört wenigstens nicht.

Warum machen die Alten und Mittelalten und Jungen ni
Mit Schmuse-Kurs erreichen wir keine Verbesserung der katastrophalen Pflege in diesem Land. Racheles reden wäre angesagt."


Was man wissen sollte: Grundlage für die Heimbenotung durch den medizinischen Dienst der Kassen ist ein Fragenkatalog mit 74 Fragen.

Qualitätsbereich 1: Pflege und medizinische Versorgung

Ist bei Bedarf eine aktive Kommunikation mit dem Arzt nachvollziehbar?
Entspricht die Durchführung der behandlungspflegerischen Maßnahmen den ärztlichen Anordnungen?
Entspricht die Medikamentenversorgung den ärztlichen Anordnungen?
Ist der Umgang mit Medikamenten sachgerecht?
Sind Kompressionsstrümpfe/ -verbände sachgerecht angelegt?
Wird das individuelle Dekubitusrisiko erfasst?
Werden erforderliche Dekubitusprophylaxen durchgeführt?
Sind Ort und Zeitpunkt der Entstehung der chronischen Wunde/des Dekubitus nachvollziehbar?
Erfolgt eine differenzierte Dokumentation bei chronischen Wunden oder Dekubitus (aktuell, Verlauf nachvollziehbar, Größe, Lage, Tiefe)?
Basieren die Maßnahmen zur Behandlung der chronischen Wunden oder des Dekubitus auf dem aktuellen Stand des Wissens?
Werden die Nachweise zur Behandlung chronischer Wunden oder des Dekubitus (z. B. Wunddokumentation) ausgewertet und die Maßnahmen ggf. angepasst?
Erhalten BewohnerInnen mit chronischen Schmerzen die verordneten Medikamente?
Werden individuelle Ernährungsressourcen und Risiken erfasst?
Werden erforderliche Maßnahmen bei Einschränkungen der selbständigen Nahrungsversorgung durchgeführt?
Ist der Ernährungszustand angemessen im Rahmen der Einwirkungsmöglichkeiten der Einrichtung?
Werden individuelle Ressourcen und Risiken bei der Flüssigkeitsversorgung erfasst?
Werden erforderliche Maßnahmen bei Einschränkungen der selbständigen Flüssigkeitsversorgung durchgeführt?
Ist die Flüssigkeitsversorgung angemessen im Rahmen der Einwirkungsmöglichkeiten der Einrichtung?
Wird bei Bewohnern mit Ernährungssonden der Geschmackssinn angeregt?
Erfolgt eine systematische Schmerzeinschätzung?
Kooperiert das Pflegeheim bei Schmerzpatienten eng mit dem behandelnden Arzt?
Werden bei Bewohnern mit Inkontinenz bzw. mit Blasenkatheter die individuellen Ressourcen und Risiken erfasst?
Werden bei Bewohnern mit Inkontinenz bzw. mit Blasenkatheter die erforderlichen Maßnahmen durchgeführt?
Wird das individuelle Sturzrisiko erfasst?
Werden Sturzereignisse dokumentiert?
Werden erforderliche Prophylaxen gegen Stürze durchgeführt?
Wird das individuelle Kontrakturrisiko erfasst?
Werden die erforderlichen Kontrakturprophylaxen durchgeführt?
Liegen bei freiheitseinschränkenden Maßnahmen Einwilligungen oder Genehmigungen vor?
Wird die Notwendigkeit der freiheitseinschränkenden Maßnahmen regelmäßig überprüft?
Wird die erforderliche Körperpflege den Bedürfnissen und Gewohnheiten des Bewohners entsprechend durchgeführt?
Wird die erforderliche Mund- und Zahnpflege den Bedürfnissen und Gewohnheiten des Bewohners entsprechend durchgeführt?
Wird die Pflege im Regelfall von denselben Pflegekräften durchgeführt?
Werden die Mitarbeiter/innen regelmäßig in Erster Hilfe und Notfallmaßnahmen geschult?
Existieren schriftliche Verfahrensanweisungen zu Erster Hilfe und Verhalten in Notfällen?

Qualitätsbereich 2: Der Umgang mit demenzkranken Bewohnern

Wird bei Bewohnern mit Demenz die Biographie des Heimbewohners beachtet und bei der Tagesgestaltung berücksichtigt?
Werden bei Bewohnern mit Demenz Angehörige und Bezugspersonen in die Planung der Pflege einbezogen?
Wird bei Bewohnern mit Demenz die Selbstbestimmung in der Pflegeplanung berücksichtigt?
Wird das Wohlbefinden von Bewohnern mit Demenz im Pflegealltag ermittelt und dokumentiert und werden daraus Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet?
Sind zielgruppengerechte Bewegungs- und Aufenthaltsflächen vorhanden (auch nachts)?
Sind gesicherte Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien vorhanden?
Gibt es identifikationserleichternde Milieugestaltung in Zimmern und Aufenthaltsräumen?
Wird mit individuellen Orientierungshilfen, z. B. Fotos, gearbeitet?
Werden dem Bewohner geeignete Angebote gemacht, z. B. zur Bewegung, Kommunikation oder zur Wahrnehmung?
Gibt es ein bedarfsgerechtes Speisenangebot für Bewohner mit Demenz?

Qualitätsbereich 3: Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung

Werden im Rahmen der sozialen Betreuung Gruppenangebote gemacht?
Werden im Rahmen der sozialen Betreuung Einzelangebote gemacht?
Veranstaltet das Pflegeheim jahreszeitliche Feste?
Gibt es Aktivitäten zur Kontaktaufnahme / Kontaktpflege mit dem örtlichen Gemeinwesen?
Gibt es Maßnahmen zur Kontaktpflege zu den Angehörigen?
Sind die Angebote der sozialen Betreuung auf die Struktur und Bedürfnisse der Bewohner ausgerichtet?
Gibt es Hilfestellungen zur Eingewöhnung in die Pflegeeinrichtung (z. B. Bezugspersonen, Unterstützung bei der Orientierung, Integrationsgespräch nach 6 Wochen)?
Wird die Eingewöhnungsphase systematisch ausgewertet?
Gibt es ein Angebot zur Sterbebegleitung auf der Basis eines Konzeptes?
Verfügt die Pflegeeinrichtung über ein Beschwerdemanagement?

Qualitätsbereich 4: Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene

Gegenständen und Erinnerungsstücken sowie die Entscheidung über ihre Platzierung möglich?
Wirken die Bewohner an der Gestaltung der Gemeinschaftsräume mit?
Ist der Gesamteindruck der Einrichtung im Hinblick auf Sauberkeit und Hygiene gut? (z. B. optische Sauberkeit, Ordnung, Geruch)
Kann der Zeitpunkt des Essens im Rahmen bestimmter Zeitkorridore frei gewählt werden?
Wird Diätkost, z. B. für Menschen mit Diabetes, angeboten?
Ist die Darbietung von Speisen und Getränken an den individuellen Fähigkeiten der Bewohner orientiert (z. B. wird die Nahrung nur bei tatsächlicher Notwendigkeit klein geschnitten oder als passierte Kost serviert)?
Wird der Speiseplan in gut lesbarer Form bekannt gegeben?
Orientieren die Portionsgrößen sich an den individuellen Wünschen der Bewohner?
Werden Speisen und Getränke in für die Bewohner angenehmen Räumlichkeiten und entspannter Atmosphäre angeboten?

Befragung der Bewohner

Achtung! Die Ergebnisse der Bewohnerbefragung gehen NICHT in die "Gesamtnote" ein.

Wird mit Ihnen der Zeitpunkt von Pflege- und Betreuungsmaßnahmen abgestimmt?
Entscheiden Sie, ob Ihre Zimmertür offen oder geschlossen gehalten wird?
Werden Sie von den Mitarbeitern motiviert, sich teilweise oder ganz selber zu waschen?
Sorgen die Mitarbeiter dafür, dass Ihnen z. B. beim Waschen außer der Pflegekraft niemand zusehen kann?
Hat sich für Sie etwas zum Positiven geändert, wenn Sie sich beschwert haben?
Entspricht die Hausreinigung Ihren Erwartungen?
Können Sie beim Mittagessen zwischen verschiedenen Gerichten auswählen?
Sind die Mitarbeiter höflich und freundlich?
Nehmen sich die Pflegenden ausreichend Zeit für Sie?
Fragen die Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung Sie, welche Kleidung Sie anziehen möchten?
Schmeckt Ihnen das Essen in der Regel?
Sind Sie mit den Essenszeiten zufrieden?
Bekommen Sie Ihrer Meinung nach jederzeit ausreichend zuzahlungsfrei zu trinken angeboten?
Entsprechen die sozialen und kulturellen Angebote Ihren Interessen?
Wird Ihnen die Teilnahme an Beschäftigungsangeboten ermöglicht?
Werden Ihnen Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien angeboten?
Können Sie jederzeit Besuch empfangen?
Erhalten Sie die zum Waschen abgegebene Wäsche zeitnah, vollständig und in einwandfreiem Zustand aus der Wäscherei zurück?

Link: Heimbenotungssystem: Bundesregierung antwortet
Quelle: diverse

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27.03.2012: Ein Barbiturat in jedem Schrank?
09.03.2012: Petition: Hospizplätze und ärztliche Behandlung
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