10.06.2012 - von G.L.
Lebe ich noch oder existiere ich nur noch? Diese Frage stellen sich viele Hartz IV-Betroffene oder Minirentner. Ich erhalte 279 Euro EM-Rente. Das reicht nicht zum Leben und nicht zum Sterben. Mit meinen Ehemann lebe ich in einer Bedarfsgemeinschaft und erhalte zusätzlich Hartz IV. Mein Mann ist 58 Jahre alt und hat keine Chance mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt. Ich bin zwar erst 51, aber zu 70 Prozent behindert und sitze im Rollstuhl.
Alte Menschen und Menschen mit Behinderung und Arbeitslose sind in diesem Staat unerwünscht. Ein Leben am Abgrund – ich weiß, was das bedeutet. Je weiter der Monat voranschreitet, leert sich der Kühlschrank immer mehr. Die Werbungen mit Sonderangeboten bei Lebensmitteln werden sorgfältig studiert. Ein dringend nötiger Schrank wird immer ein Traum bleiben. Die größte Angst hat man vor Reparaturen, z. B. am Kühlschrank.
Am kulturellen Leben kann man nur bei kostenlosen Veranstaltungen teilnehmen. Dafür muss man sich durch Bürokratenkram wälzen. Vergisst man einen Antrag oder eine Auflage, hat es schwerwiegende Folgen.
Sind wir eigentlich noch Menschen oder nur unnötiger Ballast für die Gesellschaft? Ich fühle mich jedenfalls nicht überflüssig. Ich möchte Kontakte knüpfen, denn nur gemeinsam können wir den Regierenden eine furchtbare Angst machen.
Wen stört es, wenn ein Arbeitsloser am Ende des Monats nichts mehr zum Essen kaufen kann? Manch einer würde sagen, der kann doch in eine Suppenküche gehen. Aber auch ein Arbeitsloser hat eine Menschenwürde und eine Ehre.
Andere resignieren, vereinsamen oder denken sogar an Suizid. Ich könnte mir auch für die 279 Euro ein gutes Strick kaufen. Aber Nein, ich kämpfe für meine Rechte.
Jeder Mensch hält nur ein gewisses Maß an Demütigung, Ausbeutung, Armut und Ausgrenzung aus. Andere Länder machen es uns vor. Überall auf der Welt kämpfen Menschen für ihre Rechte. Wollen wir ihnen nachstehen?
Wie wir Einsparungen gerade im sozialen Bereich hinnehmen mussten, haben wir gelernt. Jetzt müssen wir wieder lernen, mehr zu fordern, denn die Schmerzgrenze ist schon lange überschritten.
Keine Partei, keine Kirche und keine Gewerkschaft werden die Gesellschaft ändern. Wenn wir als Menschen mehr Rechte haben wollen, dann müssen wir uns diese auch alleine erkämpfen!
Ich lebe zwar mit Hartz IV, das heißt aber nicht das ich aufgebe.
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