Diskriminierung melden
Suchen:

Daimler: Staffellauf der Zumutungen

10.08.2013 - von A. Halfenberg

Die gleiche Predigt wie in anderen Unternehmen hören wir seit Jahrzehnten auch bei Daimler: die Löhne müssen runter, die Pausen kürzer, die Leistung jedes einzelnen noch höher werden. Nur damit würden unsere Arbeitsplätze gesichert. Wer genau hinschaut, stellt fest, dass trotz Kostensenkung zig tausende Arbeitsplätze vernichtet wurden. Neue Projekte werden aufgelegt, die unsere Gesundheit durch weitere Leistungsverdichtung schädigen, das Wochenende zum Werktag machen, Lohnverzicht durchsetzen sollen. Kurz gesagt: Werktage und unsere Leben werden immer schlechter.

Dieser Überblick soll helfen, den hoch bezahlten Sprücheklopfern nicht mehr auf den Leim zu gehen. Wir müssen unseren Blick schärfen, für das Nötige, für Widerstandsgeist und Solidarität für ein gutes Leben.

Verschwendung: Der Fisch stinkt am Kopf zuerst
Daimler hat in den letzten drei Jahrzehnten durch falsche Managemententscheidungen Milliarden Euro in den Sand gesetzt. Edzard Reuter, von 1987 bis 1995 Vorstandsvorsitzender, hatte mit seiner Vision vom Umbau des Automobilunternehmens zu einen „Integrierten Technologiekonzern“ 18 Milliarden Euro vernichtet.
Schrempp löst Reuter ab 1995 übernahm Jürgen Schrempp von Edzard Reuter den Vorstandsposten und behielt ihn bis 2005. Er wickelte den „integrierten Technologiekonzern“ wieder ab und begann den Ausbau des Autogeschäfts.

Chrysler wurde übernommen, die Beteiligung an Mitsubishi massiv
erhöht. Daimler sollte zur „Welt-AG“ ausgebaut werden. Das ist bekanntlich gescheitert, Chrysler und die Mitsubishi-Anteile wurden mit gigantischen Verlusten wieder abgestoßen. Das Welt-AG-Abenteuer des Herrn Schrempp kostete weiter zig Milliarden, die Cent für Cent erst einmal von der Belegschaft erarbeitet werden mussten.

1995/96: Erpressung wird zum täglichen Geschäft
Die Milliardenverluste durch unternehmerische Fehlentscheidungen
sollten schnell wieder „ausgebügelt“ werden – denn Großaktionäre wollen nur eins: „Profit, Profit, Profit“. Das gab Schrempp also als Parole aus. 12% Rendite aufs eingesetzte Kapital sollten künftig das Maß aller Dinge werden. Dafür sollten die KollegInnen bluten. In Untertürkheim bedrohte das Unternehmen Betriebsrat und Belegschaft mit dem Verlust von 2000 Arbeitsplätzen.

2004 kämpfte der Vorstand gegen die „baden-württembergische Krankheit“, indem er weder den Weltdieselmotor OM651 in Untertürkheim noch die Baureihe 204 (CKlasse) in Sindelfingen bauen lassen wollte. Was 1995/96 an der Kampfbereitschaft
der Kollegen gescheitert war, versuchte er jetzt erneut durchzusetzen.
Wieder forderte der Vorstand Arbeitszeitverlängerung, die Absenkung von Löhnen, Reduzierung von Pausen und viele Grausamkeiten mehr. Und leider konnte er sich schlussendlich in weiten Teilen durchsetzen:
● Allen Beschäftigten wird der Lohn um 2,79% gekürzt.
● Allen ab 9.8.2004 neu eingestellten Produktionsarbeitern wird bis zur ERA Einführung für 24 Monate ein um 20% niedrigerer Einarbeitungslohn bezahlt (mindestens Tariflohn).
● Alle ab 9.8.2004 neu Eingestellten erhalten nach ERA-Einführung für die gleiche Arbeit dauerhaft 8% weniger!
● Kollegen in DC-Move erhalten bis zu 2 Jahre pauschal nur 2150 €.
● Bei den Dienstleistern wird die Lohnlinie zum 1.1.2006 um 3% abgesenkt und die Arbeitszeit in 3 Schritten unbezahlt auf 39 Stunden erhöht. Das ist Stundenlohnkürzung um rund 10%! Zudem erhalten sie für die ersten 130 Überstunden überhaupt keine Zuschläge.

Als Schrempp 2005 gehen musstewurde ihm sein Abtritt mit 60 Millionen Euro Abfindung vergoldet. Er übergab den Staffelstab an den „erfolgreichen“ Chrysler-Sanierer Dieter Zetsche. Der kündigte als Erstes einen Stellenabbau von 10000 Arbeitsplätzen bei Mercedes an.

2005: CORE
Die Tinte unter der „Zukunftssicherung 2012“ war kaum trocken, da kündigte das Unternehmen ein weiteres Einsparprogramm unter dem Namen CORE an. Erklärtes Ziel war es, innerhalb von 3 Jahren 3 Milliarden Euro zusätzlich einzusparen, vor
allem durch permanente Leistungsverdichtung, Personalabbau und
Fremdvergabe.

Voller Stolz berichtet Daimler im Geschäftbericht 2007, dass das Einsparziel erreicht und CORE im September 2007 erfolgreich abgeschlossen worden sei. Weiter heißt es dort, man habe gegenüber 2004 jährliche „Einsparungen und Erlösverbesserungen“
von insgesamt 7,1 Mrd. € erzielt. Das sei Ergebnis von 43.000
umgesetzten Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Profite für die Aktionäre, Stress für die Kollegen
Die Produktion wurde neu ausgerichtet, die Strukturen und Abläufe vereinheitlicht und damit schlanker gemacht. Die Produktivität wurde im Jahr 2006 um 12% und im Jahr 2007
um weitere 10% gesteigert. Damit aber nicht genug: laut Geschäftsbericht sollte in den nächsten 3 Jahren die Produktivität um weitere 10 bis 15%, je nach Baureihe, gesteigert werden. Was sich gut anhört, ging natürlich nur mit immenser Leistungsverdichtung.

Wieder einmal mussten die Kollegen für den Profit der Aktionäre ihre Knochen hinhalten.
Die Arbeitsverdichtung und der Personalabbau – über 30000 Arbeitsplätze in den letzten Jahren - haben durch Rationalisierungsprogramme wie z.B. MPS, KVP, WOB, StaBeg
und neuerdings Shopfloor weiter dazu beigetragen.

2009: Angriffe auf die Gießereien
2009 mussten sich die Gießerei-KollegInnen und der Betriebsrat gegen Angriffe der Gießerei-Leitung zur Wehr setzen. Die hatte damit gedroht, die angeblich zu teuere Bremsscheiben-Produktion fremd zu vergeben. Zum Schluss stand wie 1996 die Zukunft der ganzen Gießerei in Frage.
Die Forderungen waren die immer gleichen. „Flexible“ Arbeitszeiten mit Einbeziehung des Samstag als Regelarbeitstag,
Verkürzung der Pausen, Streichung der Waschzeiten.

2011/12: Neue Angriffswelle rollt an unterm Namen „HPU“
7 Milliarden Profit reichen dem Unternehmen nicht. Also sollen in den nächsten drei Jahre durch Einsparungen von 20 % 1570 Arbeitsplätzein Untertürkheim vernichtet werden.
Diesmal heißt das Instrument nicht Core, Shopfloor, Stabeg, WOB,
TQM, sondern „HPU 9,5“. HPU steht für Hours Per Unit, zu
deutsch: Stunden pro Einheit. Mit diesem Projekt soll die benötigte Produktionszeit für einen Antriebsstrang von derzeit 11,7 Std. auf 9,5 Std. runtergedrückt werden. Und damit ein weiteres mal die Leistung verdichtet, die Arbeitsbedingungen
verschlechtert und die Konkurrenz zu unseren Kollegen in den anderen Autofabriken verschärft werden. Am Ende dieser Abwärtsspirale wären wir alle Verlierer. Nicht nur bei uns
stünden immer mehr Arbeitsplätze auf der Kippe. Gewinnen würden nur Großaktionäre und ihre hoch bezahlten Vollstrecker in den Vorständen.

Jetzt hat Dr. Dieter Zetsche angekündigt, um seine Renditeziele zu erreichen, weitere 4 Milliarden Euro bis Ende 2014 konzernweit einzusparen. Weil er anders die Renditevorstellungen
der Aktionäre nicht erreichen kann. Wie lange wollen wir uns das noch gefallen lassen? Uns reicht‘s schon lange! Nicht
erst jetzt!

Link: Daimler: Vor + nach der Hauptversammlung
Quelle: Alternative-Ausgabe 118