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Viele Ältere fühlen sich nicht sicher im Öffentlichen Raum

Köln, 2013 Foto: H.S.

04.03.2014 - von Gerd Feller

Sicherheit ist, wie Unsicherheit auch, ein subjektives Empfinden. Unter der Überschrift „Appell für mehr Sicherheit“ berichtete die Zeitung Weserkurier am 28.01.14, S.2 in einem Artikel, dass die Polizeigewerkschaft und der Deutsche Städte- und Gemeindebund ein gesamtgesellschaftliches „Bündnis für Sicherheit“ fordern. Dazu wurden auch Reaktionen aus dem Haus des Bremer Innensenators eingeblendet. Na klar, die Situation wurde mit Hinweisen auf Kriminalstatistiken heruntergespielt. „Die polizeiliche Personalausstattung“ in Bremen sei „im Verhältnis der letzten fünf Jahre aufgrund der hohen Einstellungsjahrgänge noch nie so hoch wie aktuell gewesen“, hieß es.

Das mag sein, sagt aber nichts darüber aus, wie groß die in den letzten beiden Jahrzehnten gerissenen Löcher im Personalbestand der Polizei sind, wie groß der Anteil des Innendienstes ist und ob der augenblickliche Bestand für eine die Bürger/- innen beruhigende Repräsentanz der Polizei im öffentlichen Raum und auch für eine effektive Polizeiarbeit ausreicht.

Ebenso unbefriedigend bleibt der Hinweis darauf, dass täglich 35 Streifenwagen im Einsatz sind. Wie oft können denn Kontrollfahrten auch in stilleren Wohnstraßen eines Stadtgebietes von ca. 32.700 ha stattfinden? Wieviel Zeit bleibt überhaupt neben anderen, dringenderen Einsätzen dafür übrig? Selbstverständlich leisten die Kontaktbeamten wertvolle Arbeit, das bezweifelt niemand, aber sind von ihnen genug unterwegs, um den Seniorinnen/Senioren ein Gefühl der Sicherheit vermitteln zu können?

Die Seniorenvertrretung Bremen hat jedenfalls festgestellt, dass sich viele Seniorinnen/Senioren trotz aller polizeilichen Bemühungen nicht sicher fühlen. Die Tatsache bleibt, dass fast jede Woche in den Bremer Tageszeitungen von Überfällen, Einbrüchen, Betrügereien und Gewaltakten berichtet wird, und nicht selten sind auch ältere Menschen die Opfer. Das ist kein Wunder, sind doch wegen Rationalisierungsmaßnahmen in der Vergangenheit etliche Reviere geschlossen und Revierbereiche vergrößert worden. Im Bremer Nordosten z.B. ist das neue Revier an der Lilienthaler Heerstraße zuständig für Horn, Horn-Lehe, Borgfeld, Timmersloh und Oberneuland. Dort sind nur ein Streifenwagen und sechs Kontaktbeamte positioniert. Sicher,es können im Notfall von der Zentrale an der Vahrer Straße weitere Wagen zur Unterstützung geschickt werden, aber zur Freude mancher Gauner schenkt ihnen diese Strategie mehr Zeit, ihr Werk zu vollenden oder zu verschwinden. Und selbst wenn alle Kontaktbeamten gleichzeitig im Einsatz wären, fielen sie im Revier kaum jemand auf.

Gewiss, hier und da darf man kleine Erfolge, z.B. bei der Abwehr von Einbruchsdelikten, verzeichnen. Aber bei der Flächengröße unserer Stadt handelt es sich zu oft auch nur um die Verlagerung potentieller Tatorte in andere Ortsteile.

Zur knappen Personallage kommt hinzu, dass die Justiz manchmal unverständlich zurückhaltend bei der Strafverfolgung und Strafahndung bleibt. Wer soll sich denn sicher fühlen, wenn bekannte Intensivtäter kurz nach einer neuen Straftat wieder auf freien Fuß gesetzt werden?
Die Seniorenvertretung befindet sich zwar im Dialog mit der Dienststelle „Kriminalprävention“, aber die bisher in Informationsveranstaltungen angesprochenen Maßnahmen lassen sich gerade bei älteren Menschen nicht immer effektiv umsetzen. Viele von ihnen haben auch keine Mittel und keine Lust, ihre Wohnungen und Häuser zu Hochsicherheitstrakten auszubauen.

Noch hat der Staat die Gewalthoheit und die Pflicht, für Sicherheit zu sorgen. Klar, dass es keine 100%ige Sicherheit geben kann, aber eine stärkere Polizeipräsenz im öffentlichen Raum wäre ein geeigneteres, unerlässliches Mittel, das Gefühl der Unsicherheit zu beseitigen, vielleicht auch mehr Straftaten zu verhindern.

Die heutigen Schwierigkeiten verdanken wir wohl auch unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Eigentlich brauchte sich niemand am Eigentum anderer zu vergreifen oder jemand Gewalt anzutun. Aber mit dem wachsenden Wohlstand wächst die Gier nach Mehr, vor allem, wenn er ungleich verteilt ist, und falsch verstandene Freiheit und Individualität setzen Verantwortung und Solidarität außer Kraft, vor allem wenn man glaubt, jeder könne sich seine
eigenen Gesetze machen. Wenn wir Rechtsstaat bleiben wollen, müssen alle vor dem Gesetz auch gleich behandelt werden. Verbarrikadierte Wohnungen, Häuser und Grundstücke sowie Bürgerangst im öffentlichen Raum könnten als Zeichen dafür verstanden werden, dass der demokratische Rechtsstaat auf seine Aufgaben verzichtet. Wollen wir das? Wenn nicht, sollten wir Einsparungen von Steuergeldern an anderer Stelle billigen, damit Sicherheit ausgebaut werden kann.

Link: SeniorInnen + kriminalpräventive Maßnahmen
Quelle: Durchblick 170. März 2014

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