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Einsturz des Kölner Stadtarchivs: 7. Jahrestag

U-Bahnhaltestelle in Lissabon, 2015 Foto: H.S.

03.03.2016 - von H.S. + Köln kann auch anders

Sieben Jahre nach dem Einsturz des bedeutendsten deutschen Kommunalarchivs, des Historischen Kölner Stadtarchivs, der am 3. März 2009 von 13:15 bis 13:58 dauerte und bei dem die beiden jungen Männer Kalil, 23 und Kevin, 17 Jahre alt gestoben sind, ist noch immer nichts geklärt. Die Beweisaufnahme zur Klärung der Einsturzursache soll erst 2018 abgeschlossen sein. Kein Gerichtsverfahren ist eröffnet. Mit dem geplanten Neubau, der im Kölner Stadtrat am 25.8.2015 genehmigt worden war, ist noch nicht begonnen worden.

Am 21. Dezember 2009, also 9 Monate nach dem Einsturz des Historischen Archivs meldete AP: Die Stadt Köln bekommt für den entstandenen Schaden Geld von der Provinzial-Versicherung. Diese werde dem Stadtkämmerer im Zuge der Schadensregulierung noch 2009 insgesamt 61,5 Milliarden Euro überweisen. Für die Beseitigung der Schäden wird das Geld nicht reichen. Die Stadt Köln schätzt den Gesamtschaden auf ca. eine halbe Milliarde Euro.

2014 leitete die Kölner Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen 89 Verantwortliche der Baufirmen und Kölner Verkehrsbetriebe ein. Der Vorwurf lautet: Fahrlässige Tötung in zwei Fällen; Fahrlässige Körperverletzung; Baugefährdung. Die Ermittlungen richten sich gegen Verantwortliche in den Baufirmen und Subunternehmen und gegen die verantwortlichen Mitarbeiter der Kölner Verkehrsbetriebe, die Bauherrin des Kölner U-Bahnbaus ist. Gegen städtische Mitarbeiter wird nicht ermittelt. Sie trugen keine Verantwortung, haben folglich auch keine Schuld.

Anfang 2015 gab die Bürgerinitiative "Köln kann auch anders" als Ziel aus, den 3. März fortan als Tag des Gedenkens, aber darüber hinaus auch als Tag des Dialogs zu etablieren, an dem der Stadtvorstand den interessierten Bürgern Fortschritte und Hindernisse auf dem Weg zu einer „besseren Regierung der Stadt“ erläutert. Dialog?? Fehlanzeige.

Als am 12. Dezember 2015 die "Teilinbetriebnahme" der U-Bahnlinie gefeiert wurde, deren Bau den Einsturz des Kölner Stadtarchivs und der Wohnhäuser bewirkt hatte, gehörte neben einer Delegation der Ratsfraktion der Grünen, die sich fröhlich lachend mit einem KVB-Vorstand ablichten ließen, auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu den geladenen Gästen, welche der blumengeschmückten Straßenbahn "17" und den vier Haltestellen im BrutaloBetonKlaustrophobieBeförderungssstil bewundernde Blick zuwarfen. „Die Stadt stand still, als am 3. März 2009 das Stadtarchiv und zwei weitere Häuser am Gleiswechselbauwerk Waidmarkt einstürzten“*, sagte Henriette Reker. Die Kölner Oberbürgermeisterin nannte den Ort des Unglücks tatsächlich "Gleiswechselbauwerk Waidmarkt". So sprechen Technokraten - und Technokratinnen!

Am 3.3. gibt es eine Gedenkveranstaltung.
13:20 an der Einsturzstelle
13:30 Nach Begrüßung durch „Köln kann auch anders“: Darstellung des Sachstandes zum Archiveinsturz durch Stadtdirektor Guido Kahlen
13:45: Wann lernen die Verantwortlichen aus großen und kleinen Katastrophen? Ein kritischer Blick nach vorn durch „Köln kann auch anders“
13:58 (Zeitpunkt der Katastrophe): Schweigeminute (einige Südstadtkirchen werden ihre Glocken läuten)
14:00: Kunstaktion der Initiative ArchivKomplex.

* zit. nach: Kölner Stadt-Anzeiger, 12.12.2015

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Pressemitteilung von "Köln kann auch anders"
Die Bürgerplattform „Köln kann auch anders (K2A2)“ nimmt den 7.
Jahrestag der Archivkatastrophe zum Anlass, nicht nur der Opfer zu gedenken, sondern den Blick auch nach vorn zu richten. Stadtdirektor Guido Kahlen berichtet über den Stand der Ermittlungen und die nächsten Schritte der Stadt, K2A2-Sprecher
Frank Deja formuliert Erwartungen an die neue Oberbürgermeisterin zur Überwindung des „Kölner Grundübels“ und die Initiative ArchivKomplex enthüllt ein auf den Katastrophenort bezogenes Kunstwerk für den öffentlichen Raum.

K2A2 betrachtet die Zerstörung des Stadtarchivs als die schmerzhafteste, nicht aber die einzige Folge von Versäumnissen und Organisationsmängeln in den Spitzen von Politik, Verwaltung und kommunalen Betrieben. Sie alle lassen sich als das „Kölner
Grundübel“ zusammenfassen: möglichst viele sind zuständig, möglichst niemand verantwortlich!

Die Folgen haben wir alle zu tragen: durch einen Verlust an urbaner Lebensqualität, durch Verschwendung von Steuergeldern und im Fall des Stadtarchivs sogar durch den Verlust von Menschenleben.

„Wenn Frau Reker nach der Silvesternacht sagte ‚Ich habe schon den Eindruck, dass Leute nach Köln kommen, die denken, man könne sich hier so schlecht benehmen, wie man will’, dann habe ich den Eindruck (so Frank Deja): das gilt nicht nur für kleinkriminelle Banden aus dem Maghreb sondern auch für Baufirmen mit teilweise kriminellem Geschäftsmodell, die wittern, dass sie sich hier auf Kosten der Allgemeinheit bereichern können“.

Wir fragen: was tragen die Verwahrlosung des öffentlichen Raums und die „Verwahrlosung“ bestimmter Führungs- und Kontrollstrukturen (zum Beispiel durch Arbeitsüberlastung und Kompetenzverlust in einer seit Jahren „verschlankten“ und unter Personalmangel leidenden Verwaltung) dazu bei, dass dies möglich ist? In diesem Sinne ruft K2A2 dazu auf, sich am 3. März aus Anlass des Gedenkens zu einer Kundgebung für den Wandel der politischen Kultur in Köln zu versammeln.
Programm:
13:20: Sammeln am Einsturzort mit Musikbegleitung
13:30: Stadtdirektor Guido Kahlen zum Stand der Entwicklung
13:45: „Köln kann auch anders“ zur „Zeitachse des Kölner Grundübels“
13:58: Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer
14:00: Kunstaktion der Initiative ArchivKomplex
Link

Link: Einsturz des Kölner Stadtarchivs: Fünfter Jahrestag