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09.02.2017 - von B.S.
Mit dem Referentenentwurf des "EM-Leistungsverbesserungsgesetz, vom 12.1.2017", bahnt sich ein weiteres  Mehrklassenmodell für Erwerbsgeminderte an, obwohl alle die gleichen Voraussetzung erfüllen: Die Bestandserwerbsminderungsrentner gehen wieder leer aus! Wer eine Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen muss, tut dies aber nicht als freiwillig gewählte Entscheidung, sondern aufgrund massiver gesundheitlicher Einschränkungen.
Bisher galt:
1. Bis 31.12.2000  Erwerbsunfähigkeitsrente
2. ab 2001 Erwerbsminderungsrente + Rentenabschläge von 10,8 %, Zurechnungszeit bis 60 Jahre
3. ab 1.7.2014 Zurechnungszeit bis 62 Jahre + Günstigerprüfung
Demnächst soll gelten:
EM-Leistungsverbesserungsgesetz Referentenentwurf 12.1.2017:
Ab 1.Januar 2018 soll für Neurentner (!) die Zurechnungszeit um drei Monate verlängert werden bis auf 62 Jahre und drei Monate, ab Januar 2019 dann um weitere drei Monate. In den folgenden vier Jahren soll sich die finanzielle Lage der Betroffenen aber schneller verbessern durch eine um jeweils sechs Monate pro Jahr verlängerte Zurechnungszeit. Ab dem 1. Januar 2024 sollen neu Erwerbsgeminderte dann so gestellt sein, als hätten sie mit ihrem bisherigen im Lebensdurchschnitt erzielten Einkommen bis zu ihrem 65. Lebensjahr weitergearbeitet. 
Referentenentwurf des SPD geführten Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer  Gesetze (EM-Leistungsverbesserungsgesetz) 
A. Problem und Ziel 
Jedes Jahr müssen mehr als 170 000 Arbeitnehmerinnen und  Arbeitnehmer eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in  Anspruch nehmen, weil sie nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner sind in dieser schwierigen Situation nicht ausreichend abgesichert. Denn ein erheblicher Teil derjenigen, die krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, bezieht Leistungen der  Grundsicherung. Hinzu kommt, dass im  Rahmen der zusätzlichen  Altersvorsorge der Fokus oftmals nicht auf der Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos, sondern auf der Absicherung im Alter liegt. Erwerbsgeminderte Menschen sind deshalb in besonderem  Maß auf die Solidarität der Versichertengemeinschaft  angewiesen und  müssen auf diese Solidarität vertrauen können. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Gesundheitsprüfung nicht erforderlich ist und die Beiträge nicht risikoabhängig sind.  
Die Vorschriften über die Mitteilungen der Handwerkskammern aus der Handwerksrolle an die Rentenversicherungsträger in der derzeitigen Fassung entsprechen nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten und Erfordernissen. 
Weiterhin sind redaktionelle Änderungen und Änderungen im Nachgang zum Flexirentengesetz vom 8. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2838) erforderlich. Außerdem ergibt sich die Möglichkeit, abgelaufene (Übergangs-)Bestimmungen zur Rechtsbereinigung aufzuheben.
B. Lösung 
Menschen mit verminderter Erwerbsfähigkeit werden besser abgesichert, indem die Zurechnungszeit für Rentenzugänge  schrittweise auf das vollendete 65. Lebensjahr verlängert wird. Erwerbsgeminderte werden langfristig so gestellt, als ob sie - entsprechend der Bewertung ihrer Zurechnungszeit - drei Jahre länger als bisher gearbeitet hätten. 
Diese  Verlängerung der Zurechnungszeit wird auch in der  Alterssicherung der Landwirte eingeführt.  
Das Verfahren zur Meldung von versicherungspflichtigen Handwerkern wird optimiert. 
C. Alternativen 
Die Abschaffung der Abschläge bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist abzulehnen. Sie verhindern, dass die  Erwerbsminderungsrente im Hinblick auf die Höhe der Abschläge als günstigere Alternative zu einer vorzeitigen Altersrente in Betracht kommt. 
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand 
Durch die bessere Absicherung bei Erwerbsminderung entstehen in der gesetzlichen Rentenversicherung steigende Mehrausgaben. Die Verlängerung der Zurechnungszeit erfolgt stufenweise für Rentenzugänge ab dem 1.Januar 2018, sodass sich im Zeitverlauf immer mehr Rentenzugänge mit höheren Erwerbsminderungsrenten im Rentenbestand befinden. 
Im Jahr der Einführung ergeben sich in der gesetzlichen Rentenversicherung zunächst geringe  Mehrausgaben, die bis zum  Ende des mittelfristigen Finanzplanungszeitraums im Jahr 2021 auf 140 Millionen Euro aufwachsen. Auswirkungen auf den Beitragssatz und auf die Höhe der Bundesmittel an die gesetzliche Rentenversicherung sind damit nicht verbunden. 
Durch den sich im Zeitverlauf aufbauenden Rentenbestand mit  verbesserten Leistungen steigen die Mehrausgaben längerfristig auf rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2030 und auf rund 3,2 Milliarden Euro im Jahr 2045 an. 
Die  Mehrausgaben in der gesetzlichen Rentenversicherung führen  über höhere Beiträge der Rentnerinnen und Rentner zu Mehreinnahmen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, die  bis  zum  Ende  des  mittelfristigen  Finanzplanungszeitraums  im  Jahr 2021 auf 23 Millionen Euro in der Krankenversicherung und 4 Millionen Euro in der Pflegeversicherung zunehmen. 
In der Alterssicherung der Landwirte ergeben sich Mehrausgaben,die bis 2040 nicht über einen einstelligen Millionenbetrag hinausgehen und nach § 78 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) im Rahmen der Defizitdeckung vom Bund getragen und im Einzelplan 10 aufgefangen werden.  
Durch die Neuregelung der Meldepflicht von Handwerkskammern sind  Finanzwirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung nur in geringem, nicht näher quantifizierbarem Umfang zu erwarten.  Soweit es durch die Regelung zu einer umfassenderen Erfassung der versicherungspflichtigen selbstständigen Handwerker  kommt,  würden Beitragsmehreinnahmen entstehen,  denen entsprechende Mehrausgaben in der Zukunft gegenüberstünden. 
E. Erfüllungsaufwand 
E.1 
Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger 
Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand. 
E.2 
Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft 
Der Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand,  insbesondere werden keine neuen Informationspflichten eingeführt.  
Durch die Selbstmeldeverpflichtung zur Feststellung der  Rentenversicherungspflicht fürselbstständig tätige Handwerker in  Fallgestaltungen, die von der Meldepflicht der Handwerkskammern nicht erfasst werden, entsteht Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft insofern, als dass die betreffenden Handwerker dazu verpflichtet werden, sich bei ihrem Rentenversicherungsträger im Hinblick auf eine möglicherweise eingetretene Versicherungspflicht zu melden. Dies betrifft nur eine geringe, jedoch nicht bezifferbare Anzahl an Fällen. Für jeden Betroffenen entsteht ein einmaliger zeitlicher Aufwand von ca. drei Minuten. Dies entspricht einem finanziellen Aufwand von etwa drei Euro pro Fall. 
E.3 
Erfüllungsaufwand der Verwaltung 
Durch die Umsetzung der Verbesserungen bei den Renten wegen ve
rminderter Erwerbsfähigkeit entsteht den Trägern der Deutschen Rentenversicherung ein einmaliger Umstellungsaufwand in Höhe von rund 90 000 Euro. 
Der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau  (SVLFG) entsteht ein einmaliger Umstellungsaufwand von rund 70 000  Euro, beziehungsweise bei externer Dienstleistung von rund 220 000 Euro.  
Im Zusammenhang mit der Neuregelung der von den Handwerkskammern zu erstattenden Meldungen entsteht für die Rentenversicherungsträger einmaliger Erfüllungsaufwand  für 
die übergangsweise Bereitstellung einer Webanwendung, Implementierungen und Registrierungen für den eXTra-Standard und erste Anpassungen im Programmsystem der Rentenversicherungsträger zur Verarbeitung der Meldungen in Höhe von etwa 550 000 Euro. 
Darüber hinaus ergeben sich laufende Verwaltungskosten für  Anpassungen,  Wartungen und Betrieb der Webanwendung und des eXTra-Standard-Verfahrens von ca. 105 000 Euro jährlich.  Langfristig sind durch die Einführung einer effizienteren,  einheitlichen Form  der Meldungen Einsparungen zu erwarten, deren Höhe jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden kann.  
Auch für die Handwerkskammern entsteht durch die Vorgabe einer einheitlichen Form der von  diesen abzugebenden Meldungen  einmaliger  Erfüllungsaufwand in geringerem  Umfang aufgrund  von  Softwareanpassungen.  Die Höhe der Kosten hängt vom Umfang der jeweils erforderlichen Anpassungen ab und kann nicht konkret beziffert werden.  
F. Weitere Kosten 
Durch das Gesetz wird das verfügbare Einkommen der Rentnerhaushalte erhöht. Den möglichen geringen preiserhöhenden Wirkungen höherer Arbeitskosten und einer höheren Konsumnachfrage der Rentnerhaushalte steht eine mögliche geringe preisdämpfende Wirkung einer geringeren Konsumnachfrage seitens der Arbeitnehmer
innen und Arbeitnehmer sowie der Selbständigen gegenüber, sofern mit den Regelungen Beitragsmehreinnahmen der Rentenversicherung  verbunden  sind. Nennenswerte  Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind somit nicht zu erwarten. 
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