Athen, Foto: H.S.
20.02.2017 - von Otto W. Teufel
Bei der derzeitigen Rentendebatte bleiben wieder einmal wesentliche Punkte unberücksichtigt, die letztendlich zur heutigen Rentenmisere geführt haben.
Erstens:
Die Umstellung vom Kapitaldeckungs- auf das Umlageverfahren im Jahr 1957 war eine politische Entscheidung der Bundesregierung, u.a. um ihre Schulden bei der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) nicht zurückzahlen zu müssen (Bundestagsdrucksache 1659 vom 8.9.1955, S. 67).
Zweitens:
Bis heute werden der GRV vom Gesetzgeber gesamtgesellschaftliche Aufgaben übertragen, ohne die dafür anfallenden Kosten in vollem Umfang zu ersetzen. Nicht umsonst weigern sich die Verantwortlichen, die Höhe dieser versicherungsfremden Leistungen offenzulegen. In keinem Jahr seit 1957 hat der sogenannte Bundeszuschuss ausgereicht, diese versicherungsfremden Leistungen in vollem Umfang zu finanzieren.
Drittens:
Schon 1994 hat der Präsident des VDR (Verband Deutscher Versicherungsträger) darauf hin gewiesen, dass die nicht durch Bundeszahlungen ersetzten Fremdleistungen in Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung 100 Milliarden DM betragen. Am 24. Mai 1996 wurde Finanzminister Theo Waigel von der SZ folgendermaßen zitiert: „Wenn die Sozialversicherungssysteme von den Fremdleistungen entlastet werden, findet keine Reform der Sozialsysteme statt, weil dann der Druck fehlt, die Ausgaben zu senken.“
In der Bundestagsdrucksache 16/65 vom 10.11.2005 (S. 331) hat die Bundesregierung diesen Betrag mit 65 Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Mit anderen Worten, Arbeitnehmer und Rentner müssen mit ihren Beiträgen Jahr für Jahr den Bundeshaushalt subventionieren, nicht umgekehrt, wovon diejenigen profitieren, die keine Beiträge zahlen müssen, vor allem auch Politiker, höhere Beamte und Richter. Deshalb ist es auch so schwierig, hier eine Änderung zu erreichen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Viertens:
Alle Maßnahmen, die heute zu Rentenkürzungen führen, treffen die zukünftigen Rentner eines Tages gleichermaßen.
Fünftens:
Die demografische Entwicklung für die Rentenentwicklung verantwortlich zu machen, ist nicht nur schäbig, sondern auch falsch. Schließlich kommt die arbeitende Bevölkerung nicht nur für die Renten, sondern auch für die Pensionen von Politikern, Beamten und Richtern auf, sowie für die Ausbildung junger Leute. Eine Volkswirtschaft kann das verteilen, was die arbeitende Bevölkerung erwirtschaftet, unabhängig von der demografischen Entwicklung.
Fazit:
Die Probleme der Rentenversicherung und die damit wachsende Altersarmut sind politisch so gewollt, sie sind das Ergebnis von 60 Jahren politischer Gestaltung. Deshalb muss die Forderung an die Politik lauten: Endlich gleiches Recht für alle Bürger bei der Altersversorgung und Krankenversicherung, entsprechend Artikel 3 GG, so wie es in allen anderen Ländern Europas der Fall ist.
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