Diskriminierung melden
Suchen:

Zum Rentenkonzept der Linken

Joshua Tree National Park. Foto: H.S.

27.07.2017 - von H. Jürgen Zaun

Als Vertreter des Betriebsrentner e.V., dem Mitinitiator der IgA „Initiative gegen Altersarmut“ und Gründungsmitglied der Kooperation „Soziale Sicherung In Deutschland“, habe ich die Veranstaltung der Partei DIE LINKE im DGB-Haus in München besucht und mit Interesse die Vorträge und die anschließende Frage- und Antwortrunde verfolgt.

Auf das von Ihnen, Herr Birkwald, vorgestellte Rentenkonzept will ich nachfolgend gern noch eingehen, doch möchte an dieser Stelle zunächst kurz die Vorträge Ihrer Mitreferenten kommentieren, die leider nicht sehr überzeugten. Die beiden Redner haben leider nur Teilaspekte der heutigen Rentenproblematik und der wachsenden Altersarmut aufgegriffen und dazu Forderungen aus der Sicht der jeweiligen Organisation vorgestellt. Zwar weist das Rentenkonzept des DGB in die richtige Richtung, doch fehlte auch hier der Ansatz für die aktive Umsetzung. Gegen eine Verbandssicht ist primär sicher nichts einzuwenden, doch wird man damit auch noch denen gerecht, die sowohl den DGB als auch die AWO ausmachen, d.h. ihren Mitgliedern? Beides sind mächtige Organisationen, die sich auch zu freiheitlich-demokratischen Werten bekennen, doch steht bei ihnen immer noch das Wohl in allen Lebensphasen derer im Fokus, die ihnen durch ihre Mitgliedschaft erst diese Macht verleihen? Sind sie nicht doch schon zu sehr Arbeitgeber und damit im permanenten Zwiespalt mit den Interessen der Mitglieder, den heutigen und zukünftigen Rentnern? Reihen Sie sich nicht schon in die Phalanx derer ein, die, wie z.B. auch der VdK, sich gern als sozial engagiert präsentieren, aber gegen eine unsoziale Politik allenfalls Verbalattacken in Richtung der politisch Verantwortlichen reiten?

Alle diese mitgliedermächtigen Organisationen müssten heute noch den ersten bundesweiten Streik oder den zivilen Ungehorsam gegen eine unsoziale oder falsche Rentenpolitik ausrufen und organisieren. Wenn stattdessen auf die „tolle Arbeit“ der Gewerkschafts-Senioren unter dem Synonym „Seniorenaufstand“ verwiesen wird, zu deren Netzwerk im Übrigen auch wir als BRV gehören (siehe LINKS auf deren Website), dann klingt der Hinweis allenfalls wie Hohn, dass den Aufrufen zu öffentlichen Kundgebungen leider kaum jemand folgt. Wir sind alle Rentner und kämpfen wahrlich nicht für uns, sondern für eine auskömmliche und menschenwürdige Altersversorgung der Generationen unserer Kinder und Enkelkinder, müssen aber konstatieren, dass die meisten unserer Altersgenossen gern im gemütlichen Hier und Heute verharren, als sich sozial zu engagieren und kritisch in die Zukunft zu blicken.

Fakt ist aber auch, dass weder der DGB noch einer dieser großen „Sozialverbände“ bereit ist, aktiver und deutlicher Flagge zu zeigen, auch keine wie auch immer geartete, öffentlich wahrnehmbare Unterstützung dieser, meist nur privat und von kleinen, engagierten Gruppen angestoßenen Initiativen zu leisten. Statt klar gegen die oft unerträgliche Arroganz einiger finanzpolitischer „Lautsprecher“ zu opponieren, die unsere Rente bis 2030 als auskömmlich und solide aufgestellt, sowie eine Rentenanhebung als unfinanzierbar propagieren, lässt man es nicht nur zu, dass mit dem neu beschlossenen Betriebsrentenstärkungsgesetz ein vielleicht gerade noch verzichtbarer Lohnanteil der Arbeitnehmer erneut in die Versicherungswirtschaft fließt, sondern macht sich als Sachwalter dieser auch noch die Sozialrente schmälernden „Pseudo-Betriebsrente“ sogar mit diesen „Wohlalimentierten“ in Politik und Wirtschaft gemein.

Das Rentenkonzept 2017 der Partei und Bundestagsfraktion DIE LINKE klingt ja durchaus schlüssig und ist vielleicht auch finanzierbar, doch sollte es dem Wähler schon seriös und auch so präsentiert werden, dass er nicht nur das Konzept versteht, sondern auch, wie man es in Ihrer Partei gedenkt zeitnah durch- und umzusetzen. Ich nehme an, dass gestern mehrheitlich Menschen anwesend waren, die nicht auf der Gewinnerseite des Lebens stehen und, wenn überhaupt, sich allenfalls nur ein kleines Stück des in unserer Gesellschaft durchaus großen Erfolgskuchens haben sichern können. Das haben besonders die Frage- und Antwortrunde, aber auch so mancher Zwischenrufer sehr deutlich gemacht. Sind das mehrheitlich die Wähler, die Sie ansprechen und begeistern wollen?

Falls nicht, dann wird es Ihnen und Ihren Parteigenossen nicht erspart bleiben auch die Aufmerksamkeit derjenigen zu gewinnen, die bislang ihr Kreuz bei den Wahlen eher konservativ als progressiv gemacht haben. Die findet man aber nicht nur an den Rändern unserer Gesellschaft, sondern vermehrt in oder in der Nähe der Mitte. Das gilt auch für die heutigen, noch mit auskömmlichen Renten ausgestatteten Senioren. Wenn DIE LINKE eine ernst zu nehmende politische Kraft in der Parteienlandschaft werden will, dann muss sie sich auch um diese Menschen bemühen, sie muss sich mehr realpolitisch ausrichten und deutlich machen, dass sie auch für eine Koalition mit anderen Parteien aus dem heutigen politischen Spektrum zur Verfügung steht. Wenn aber z.B. Frau Wagenknecht, die ich für eine sehr kluge Frau und eine Ausnahmepolitikerin halte, die Partei lieber in der Opposition als in der Regierungsverantwortung sieht, dann bleibt auch ihr schönes neues Rentenkonzept leider nur Makulatur.

Sehen Sie mir bitte meine kritischen Anmerkungen nach, die ich trotz der Sympathie für das 2017er Rentenkonzept loswerden muss. Ich schätze Sie als Person und Ihre offene Art zu kommunizieren, auch als Co-Autor von Prof. Bosbach und ihren lesenswerten Sachbüchern. Sie alle aber, die sie gestern am Tisch der Moderatorin, Frau Gohlke Platz genommen haben, sollten sich stets dessen bewusst sein, dass sie in Ihren Funktionen zu den Privilegierten unserer Gesellschaft gehören. Sie zahlen u.U. auch keine Beiträge in die DRV ein, sind also keine Betroffenen, und müssen daher wohl kaum befürchten, einst in die Altersarmut abzurutschen. Sie alle werden ggf. erhaltenes Vertrauen aber nur dann rechtfertigen und behalten können, wenn sie Gesagtes eines nicht allzu fernen Tages auch umsetzen (wollen).

Mit freundlichen Grüßen
Betriebsrentner e.V. Link
Im Auftrag

Quelle: Betriebsrentner e.V.