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Bundesfreiwilligendienst: 32 Prozent brechen ab

Foto: H.S.

11.05.2018

Seit Juli 2011 gibt es als Ersatz für den Zivildienst denBundesfreiwilligendienst. Der Bundesfreiwilligendienst sollte die Folgen der Aussetzung des Zivildienstes ausgleichen. Weiteres Ziel sollte sein, möglichst viele Menschen, altersunabhängig, zu sozialem Engagement zu bewegen. Als 2015 viele Geflüchtete in Deutschland ankamen, zeigte sich ein großes soziales Engagement. Das BMFSFJ stockte kurzfristig die Plätze des Bundesfreiwilligendienstes um weitere 10.000 Stellen auf. Die Linksfraktion im Bundestag wollte von der Bundesregierung Näheres wissen. Aus diesem Anlass stellte sie 31 präzise Fragen zum Bundesfreiwillgendienst, siehe unten.

Eine Zusammenfassung und Interpretation dieser Antworten der Bundesregierung durch die Linksfraktion im Bundestag liest sich so:
Seit 2011 bis zum ersten Quartal 2018 haben 307.372 Menschen einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) begonnen. Circa 53 Prozent davon waren Frauen, rund 47 Prozent Männer.

69 Prozent der Bundesfreiwilligendienstleistenden haben ihren Dienst in Westdeutschland begonnen. 31 Prozent haben ihren Dienst in Ostdeutschland aufgenommen.

Im Westen ist die Mehrheit der Dienstleistenden unter 27 Jahre alt. Im Osten ist dieses Verhältnis umgekehrt. Die Mehrheit der Dienstleistenden ist hier über 27 Jahre alt.

Im Osten werde der Dienst häufig als Alternative zur Erwerbstätigkeit gesehen, erklärt Katrin Werner, Sprecherin für bürgerschaftliches Engagement der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, dazu. "Das stellt den Bildungscharakter des Dienstes in Frage und macht ihn zur arbeitsmarktpolitischen Maßnahme."

98.633 und damit 32 Prozent aller Menschen, die von 2011 bis zum 1. Quartal 2018 einen Dienst begonnen haben, haben diesen vorzeitig beendet. Häufige Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Dienstes nennt die Bundesregierung nicht.

80 Prozent aller Menschen, die ihren Dienst vorzeitig abgebrochen haben, sind unter 27 Jahre alt. Am häufigsten brechen Frauen unter 27 Jahren den Dienst ab. Ihre Abbruchrate liegt bei circa 38 Prozent. 76 Prozent der AbbrecherInnen kommen aus Westdeutschland. Im Westen liegt die Abbruchrate mit 35 Prozent deutlich höher als im Osten (26 Prozent). Am seltensten wird der Freiwilligendienst von den über 61Jährigen abgebrochen.

„Die Gründe einen Dienst abzubrechen sind immer individuell, beispielsweise ein Studienplatz oder eine Ausbildungsstelle", sagt Katrin Werner. "Wenn jedoch fast ein Drittel der Dienstleistenden ihren Dienst vorzeitig beenden, muss nach weiteren Ursachen gefragt werden. Dann muss auch die Qualität des Dienstes, der Arbeitsbedingungen und des Bildungsprogramms auf den Prüfstand gestellt werden.“

Zu Verstößen gegen Arbeitsmarktneutralität verfügt die Bundesregierung über keine Zahlen. Ebenso ist es ihr nicht bekannt, wie viele Menschen vor Dienstbeginn arbeitssuchend gemeldet waren. Dass die Bundesregierung keine Zahlen zu Verstößen gegen die Arbeitsmarktneutralität vorlegen kann, findet Katrin Werner nicht hinnehmbar. "Es ist elementar für den Bundesfreiwilligendienst, dass die Dienstleistenden keine regulären Arbeitsplätze in den Dienststellen ersetzen. Das muss sichergestellt, überprüft, dokumentiert und bei Verstößen sanktioniert werden. Dazu wäre eine unabhängige Stelle, an die Beschwerden gerichtet werden können, unerlässlich."

Insgesamt sind 42 Beraterinnen und Berater regional für das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BaFzA) tätig, um Bundesfreiwilligendienstleistende sowie Einsatzstellen hinsichtlich des Dienstes und der pädagogischen Begleitung im BFD zu betreuen und zu beraten.

Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums ist ein_e BeraterIn durchschnittlich für 321 Bundesfreiwilligendienstleistende zuständig. "Hier kann man wohl kaum von einem angemessenen Betreuungsschlüssel sprechen", meint Katrin Werner. "Zur Qualitätsverbesserung und zur Reduzierung der hohen Abbruchrate, wäre ein besserer Betreuungsschlüssel ein erster Schritt.“

Fragenkatalog der Linksfraktion im Bundestag zum Bundesfreiwilligendienst an die Bundesregierung
Wir fragen die Bundesregierung:
1.
Wie viele Bundesfreiwilligendienstleistende gibt es derzeit (bitte nach Bundesländern, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
2.
Wie viele Bundesfreiwilligendienstleistende waren seit 2015 imBundesfreiwilligendienst aktiv (bitte nach Quartalen, nach Bundesländern, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
3.
Wie hat sich die Zahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden seit 2015 entwickelt (bitte aufschlüsseln nach Jahren)?
4.
Wie viele Bundesfreiwilligendienstleistende über 27 Jahren haben ihren Dienst auf 18 Monate seit 2015 verlängert?
5.
Wie viele Bundesfreiwilligendienstleistende unter 27 Jahren haben ihren Dienst auf 18 Monate verlängert (jeweils bitte nach Bundesländern, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
6.
Wie viele Bundesfreiwilligendienstleistende waren seit 2011 vor dem Bundesfreiwilligendienst arbeitssuchend (bitte nach Jahren, Bundesländern, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
7.
Wie viele Bundesfreiwilligendienstleistenden haben nach Kenntnis der Bundesregierung nach ihrem Dienst eine reguläre Beschäftigung bei ihrer Dienststelle aufgenommen (bitte nach Jahren, Bundesländern, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
8.
Wie viele Bundesfreiwilligendienstleistende, die vom BAFzA verwaltet werden, haben seit 2015 an Bildungsseminaren teilgenommen?
9.
Wie viele haben nicht teilgenommen, und warum nicht (bitte nach Bundesländern, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bi 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
10.
Wie viele Einsatzstellen gibt es bundesweit (bitte aufschlüsseln nach Bundesländern)?
11.
Wie hat sich die Wahlbeteiligung bei der Wahl der Sprecherinnen und Sprecher für den Bundesfreiwilligendienst seit 2011 entwickelt (bitte aufschlüsseln nach Jahren und Bundesländern)?
12.
Wie viele Regionalbetreuerinnen und Regionalbetreuer gibt es derzeit (bitte nach betreuten Bereichen aufschlüsseln)?
13.
Wie viele Bundesfreiwilligendienstleistende betreut eine Regionalbetreuerin bzw. ein Regionalbetreuer durchschnittlich?
14.
Wie viele Freiwillige nehmen an dem Bundesfreiwilligendienst mit Geflüchtetenbezug teil (bitte nach Bundesländern, Frauen und Männern, Altersspan-nen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
15.
Wie hat sich die Zahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden die auf Stellen mit Geflüchtetenbezug arbeiten, seit 2015 entwickelt (bitte nach Betätigungsfeld, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen in Bezug auf Gesamtzahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden aufschlüsseln)?
16.
Gibt es in den Mehrgenerationenhäusern Bundesfreiwilligendienstleistende (wenn ja bitte nach Bundesland, Projekt, Landkreis und kreisfreien Städten sowie nach Alter und Geschlecht aufschlüsseln)?
17.
Wie viele Beschwerden über das Nichteinhalten von Arbeitsmarktneutralität gab es seit 2015 beim BAFzA?
18.
In wie vielen Fälle hat das BAFzA Konsequenzen gezogen, wenn festgestellt wurde, dass gegen die Arbeitsmarktneutralität verstoßen wurde und welche Konsequenzen waren das?
19.
Wie viele Bundesfreiwilligendienstleistende haben ihren Dienst vorzeitig abgebrochen (bitte nach Bundesländern, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
20.
In welchen sozialen Bereichen sind Bundesfreiwilligendienstleistende eingesetzt (bitte nach Betätigungsfeld, Frauen und Männern, Altersspannen un-ter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
21.
Wie hat sich die Zahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden, die in sozialen Bereichen eingesetzt werden seit 2011 entwickelt (bitte nach Jahren, Betätigungsfeld, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen in Bezug auf Gesamtzahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden aufschlüsseln)?
22.
Wie hat sich die Zahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden, die in Gesundheits- oder Altenpflege tätig sind seit 2011 entwickelt (bitte nach Jahren, Betätigungsfeld, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen in Bezug auf Gesamtzahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden aufschlüsseln)?
23.
Wie hat sich die Zahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden, die in Wohlfahrtspflege eingesetzt werden seit 2011 entwickelt (bitte nach Jahren, Betätigungsfeld, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen in Bezug auf Gesamtzahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden aufschlüsseln)?
24.
Wie hat sich die Zahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden, die in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen tätig sind seit 2011 entwickelt (bitte nach Jahren, Betätigungsfeld, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen in Bezug auf Gesamtzahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden aufschlüsseln)?
25.
Wie hat sich die Zahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden, die ihren Dienst bei einer Tafel leisten seit 2011 entwickelt (bitte nach Jahren, Betäti-gungsfeld, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen in Bezug auf Gesamtzahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden aufschlüsseln)?
26.
Wie hat sich die Zahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden, die ihren Dienst in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe leisten seit 2011 entwi-ckelt (bitte nach Jahren, Betätigungsfeld, Frauen und Männern, Altersspan-nen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen in Bezug auf Gesamtzahl der Bundesfreiwilligendienstleistenden aufschlüsseln)?
27.
Wie viele Personen, die sich im Bundesfreiwilligendienst engagieren, beziehen Leistungen nach SGB II (bitte nach Betätigungsfeld, Frauen und Männern, Altersspannen unter 27 Jahren, 27 bis 30 Jahren, 31 bis 40 Jahren, 41 bis 50 Jahren, 51 bis 60 Jahren, 61 bis 65 Jahren, älter als 65 Jahre, in absoluten und relativen Zahlen aufschlüsseln)?
28.
Wie hoch ist das durchschnittliche Taschengeld, das Bundesfreiwilligendienstleistende erhalten (bitte aufschlüsseln nach Jahren seit 2011, Frauen und Männern sowie Ost und West)?
29.
Wie hoch sind die durchschnittlichen Geldersatzleistungen, die Bundesfreiwilligendienstleistende durchschnittlich erhalten (bitte aufschlüsseln nach Jahren seit 2011, Frauen und Männern sowie Ost und West)?
30.
Wie hoch waren die Kostenerstattungen des Bundes an die Einsatzstellen seit 2011 (bitte aufschlüsseln nach Jahren und Erstattung für Taschengeld,
Sozialversicherungsbeiträge sowie pädagogische Begleitung)?
31.
Inwieweit plant die Bundesregierung die Bundesfreiwilligendienststellen mit Geflüchtetenbezug auch nach 2018 weiter zu erhalten?

Berlin, den 18. April 2018
Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion Die Linke im Bundestag

Die Antworten der Regierung vom 11.5.2018 finden sich en detail und in Tabellen unter Link

Link: Krankenkassenbeitrag steigt durch Bundesfreiwilligendienst
Quelle: Fraktion die Linke im Bundestag