Diskriminierung melden
Suchen:

Der DGB möge beschliessen: Senioren in die Satzung + ihre Interessenvertretung stärken

Foto: H.S.

10.06.2018 - von DGB

Antrag S003: "Wir sind dabei – Seniorinnen und Senioren innerhalb des DGB" Laufende Nummer: 86 Antragsteller/in: EVG Sachgebiet: S - Satzungsanträge Begründung für die ABK.

Der Antragsteller begehrt die Aufnahme einer gesonderten Punktes "Seniorenpolitik" unter die in § 2 Ziffer 3 der DGB-Satzung beschriebenen Aufgaben des Bundes.
Empfohlen wird eine Ablehnung des Antrags.
1. Inhaltliche Gründe:
Bisher ist die Vertretung der Interessen der Senior/innen als Teilaufgabe der Sozialpolitik in der DGB-Satzung verankert (§ 2 Ziffer 3 c Spiegelstrich 2). Mit der Aufnahme eines Punktes „Seniorenpolitik“ unter die Aufgaben des DGB wäre formal ein neues Politikfeld für den DGB geschaffen, das dann in der DGB-Satzung auf einer Rangstufe mit Politikfeldern, wie Wirtschafts- oder Sozialpolitik und anderen Politikfeldern stünde. Insbesondere durch die angestrebte Positionierung des beantragten Passus in der Nachbarschaft zur Gleichstellungs- und Frauenpolitik und direkt hinter der Jugendpolitik, liegt eine Gleichstellung der Senior/innenpolitik insbesondere mit diesen personengruppengebundenen Politikfeldern nahe.
Aus einem solchen Satzungspassus könnten zukünftig, mit dem Verweis auf die dann vergleichbaren Passus, weitergehende Ansprüche auf eine Verankerung von stimmberechtigten Senior/innenstrukturen in der DGB-Satzung begründet werden, auch wenn der vorliegende Antrag selbst diese Strukturen nicht erwähnt (im Gegensatz zu verschiedenen früheren Satzungsanträgen im Senior/innenbereich).

Der Schaffung eines eigenen Aufgabenfeldes „Seniorenpolitik“ und dessen Gleichstellung mit den anderen Politikfeldern des DGB stehen auch wie bisher folgende grundsätzliche Erwägungen entgegen:
Der DGB als Bund und als Dachverband der in ihm vereinigten Gewerkschaften versteht sich in erster Linie als Vertretung der Arbeitnehmer/innen in Deutschland. Hieraus beziehen die Gewerkschaften ihre Kampfkraft und ihre Stärke. Aus dieser Grundhaltung begründet auch der DGB sein Mandat als „Stimme der Arbeit“ und seine Glaubwürdigkeit als gesellschaftliche Kraft.
Dies kommt in der DGB-Satzung prominent zum Ausdruck, wenn in § 2 als erstes Ziel des DGB beschrieben wird:
„Der Bund und die in ihm vereinigten Gewerkschaften – vertreten die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer“.
Ein umfassender gesellschaftlicher Vertretungsanspruch für Senior/innen, wie er aus dem Text der beantragten Satzungsänderung interpretiert werden kann, könnte diesen klar umrissenen Vertretungsanspruch zumindest in Frage stellen.

21. Parlament der Arbeit – DGB-Bundeskongress
Berlin, 13. - 17. Mai 2018
1 / 5

Gleichzeitig kann auch auf der Grundlage der schon bestehenden Beschlusslage kein Zweifel am Anspruch des DGB und der Gewerkschaften bestehen, sich für die Senior/innen und ihre Belange mit voller Kraft einzusetzen. So sind die Senior/innen und die Senior/innenpolitik in der geltenden DGB-Satzung bereits prominent vertreten: Vor allem in § 2 (Grundsätze, Ziele und Aufgaben) wendet sich der DGB gegen Altersdiskriminierung (Ziffer 2 Spiegelstrich 5), ist mit der „Wahrnehmung der gemeinsamen Aufgaben der Gewerkschaften […] in der Seniorenpolitik“ beauftragt (Ziffer 3 a Spiegelstrich 4) und bekennt sich in Ziffer 3 c Spiegelstrich 2 klar zur Vertretung der Senior/innen-Interessen:
„in der Sozialpolitik: […] - die Vertretung der Interessen der Seniorinnen und Senioren und die Wahrung ihrer Mitwirkung bei der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens, in der Sicherung und Entwicklung ihrer ökonomischen und sozialen Belange“.

In diesem Zusammenhang soll auch darauf hingewiesen werden, dass die beantragte Formulierung in Teilen eine Doppelung mit der Satzungspassus in § 2 Ziffer Spiegelstrich 2 darstellt, ohne dass eine Streichung oder Änderung der bisherigen Formulierung beantragt wird.

Weiterhin bleibt in der beantragten Formulierung unklar, auf welchen Bereich sich das „Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Senioren“ bezieht – auf die Gesellschaft als Ganzes, auf die sozial-ökonomische Sphäre oder auf die Organisationsstrukturen des DGB?

Mit einer Annahme der beantragten Satzungsänderung entstünde in der DGB-Satzung an dieser Stelle eine große Unschärfe, die Auswirkungen auf die Umsetzbarkeit und Handhabbarkeit hätte.
2. Formale Gründe:
An zwei Stellen vernachlässigt der beantragte Satzungstext den Genderaspekt: in Zeile 18 heißt es „Seniorenpolitik“ und in Zeile 20 „Teilhabe von Senioren“.
3. Hintergründe:
3.1 Fakten zu Senior/innen
Derzeit (per 31.12.2017) sind 1,25 Mio Renter/innen und Pensionär/innen Mitglied in einer der Gewerkschaften im DGB.
Damit beträgt der Anteil der Rentner/innen und Pensionär/innen an der Gesamtmitgliedschaft derzeit bei 21,1% und bewegt sich seit 1999 um 21% herum (Spitzenwert: 21,8% in 2010).
Für die einzelnen Mitgliedsgewerkschaften ist dieser Wert allerdings sehr unterschiedlich ausgeprägt: er liegt zwischen 14,5% (NGG) und 43,1% (EVG).
Der neueste Wert, den das Statistische Bundesamt für den Anteil der über 65jährigen an der Gesamtbevölkerung angibt, liegt bei 21,2% (2016).
Die Vertretungs- und Arbeitsstrukturen für Senior/innen sind in den Gewerkschaften des DGB vielfältig und unterschiedlich ausgestaltet (siehe Übersicht in der Anlage).
3.2 Anträge und Beschlüsse zum Thema Senior/innen im DGB auf den Bundeskongressen sowie im Bundesvorstand Diskussionen um die Interessenvertretung für Senior/innen und ihre Verankerung in der DGB-Satzung hat es in den vergangenen 20 Jahren häufiger gegeben. Der 16. OBK 1998 hatte 9 Satzungsanträge zu Senior/innen-Strukturen im DGB als Material an den Bundesvorstand beschlossen. Aus den Diskussionen im Bundesvorstand waren u.a. die Zuordnung der Senior/innenpolitik zur Sozialpolitik und die Schaffung eines Arbeitskreises Senior/innenpolitik auf DGB-Bundesebene hervorgegangen. Zum 17. OBK 2002 wurden 9 Satzungsanträge zum Bereich Senior/innen gestellt, die größtenteils wortgleich mit denen des 16. OBK waren und alle abgelehnt wurden. Ein zehnter Antrag (der GEW) wurde angenommen.
Er verankerte die „Seniorenpolitik“ in der DGB-Satzung und bildet im Kern den heute unter § 2 Ziffer 3 c Spiegelstrich 2 stehenden Passus. 2006 hat sich der 18. OBK wieder mit dem Status der Senior/innen im DGB auseinandergesetzt und dazu eine klare Beschlusslage geschaffen: In seinem Beschluss A001 bekennt sich der DGB zu den 2004 geschaffenen Koordinierungsstrukturen in der Senior/innenpolitik und wendet sich – auf Antrag des Bezirksvorstandes Baden-Württemberg - im Beschluss A012 ausdrücklich gegen einen eigenständigen, „in der Satzung des DGB verankerten Status“ (sh. Ziffer 4.2). Zwei Satzungsanträge, die DGB-Senior/innengremien einführen wollten, wurden vom Kongress abgelehnt und ein entsprechender Änderungsantrag (der Transnet) zurückgezogen.
Der 19. OBK 2010 hat dann in seinem Begleitbeschluss K001 zur Neufassung der DGB-Satzung die Möglichkeit der seniorenpolitischen Vertretung auf Bezirks- und Kreis-/Stadtverbandsebene geschaffen (sh. Ziffer 4.3). Satzungsanträge wurden zum 19. OBK für den Senior/innenbereich nicht gestellt.
In 2012 hat der DGB-Bundesvorstand seinen Beschluss zur Koordinierung der Senior/innenpolitik auf Bundesebene erneuert (sh. Ziffer 4.4).
Zum 20. OBK in 2014 standen 6 Satzungsanträge zu Senior/innen im DGB zur Abstimmung, die alle vom Kongress deutlich abgelehnt wurden. Am deutlichsten zeigte sich die Ablehnung beim umfangreichen Antrag S004 („Wir sind dabei – Senioren im DGB“; Antragstellerin: EVG), der die DGB-Satzung an vielen Stellen ändern wollte und unter anderem „Seniorenausschüsse“ auf allen DGB-Ebenen beinhaltete. Der ABK-Empfehlung auf Ablehnung des Antrags wurde in geheimer Abstimmung mit 294 Ja- zu 61 Neinstimmen (5 Enthaltung, 1 ungültig) gefolgt.
4. Beschlusslage des DGB zur Senior/innenpolitik in Auszügen:
4.1 Auszug aus Beschluss A001 des 18. OBK 2006
Organisationspolitik und Weiterentwicklung des DGB
„[…] 4. Gewerkschafter/-innen nach der Erwerbsarbeit
In einer Gesellschaft, in der die Zahl älterer Menschen zunimmt, ist für die Gewerkschaften Seniorenarbeit eine wichtige Querschnittsaufgabe. Mitglieder, die in Altersteilzeit, im Vorruhestand oder im Renten- bzw. Pensionsalter sind, haben einen vitalen Erfahrungsschatz und Zeitreserven für aktive Gewerkschaftsarbeit. Diese beiden Ressourcen gilt es weiterhin für die allgemeine Gewerkschaftsarbeit zu nutzen. Die Gewerkschaften reagieren auf den steigenden Anteil der Senioren an der Mitgliedschaft mit unterschiedlichen Konzepten (z.B. die außerbetriebliche Gewerkschaftsarbeit bei der IG Metall oder das Projekt „55+“ in der GEW). Der DGB wird auch weiterhin diese neueren gewerkschaftlichen Aktivitäten koordinieren und unterstützen. Damit die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften in der Seniorenarbeit noch besser wird, verstärkt der DGB seine Aktivitäten in der seniorenpolitischen Interessenvertretung und betreibt in diesem Feld eine offensive Öffentlichkeitsarbeit als „gewerkschaftliche, politische Stimme nach außen“. Der DGB intensiviert die Arbeit des 2004 neu geschaffenen bundesweiten Koordinierungskreises Seniorenarbeit. Darin informieren sich die Gewerkschaften über ihre vielfältigen Aktivitäten in ihrer Seniorenarbeit und tauschen praktische Erfahrungen auf Bundesebene aus. Die 21. Parlament der Arbeit – DGB-Arbeit des Koordinierungskreises soll in der beschlossenen Form fortgesetzt werden. Ergänzend sollen Formen für einen bundesweiten und gewerkschaftsübergreifenden Erfahrungstransfer (z.B. Themenforen) auf allen Organisationsebenen entwickelt werden. Dazu zählen auch zentrale Angebote zur Qualifizierung in den DGB-Regionen und die Koordinierung der Aktivitäten vor Ort. Dadurch sollen auch stärker als bisher Mitglieder außerhalb der betrieblichen Organisationsstrukturen zur aktiven Mitarbeit motiviert werden. Die Senioren sollen sich an der Arbeit der ehrenamtlichen Binnenstrukturen der Regionen (Orts- und Kreisverbände) beteiligen. So kann die außerbetriebliche Gewerkschaftsarbeit gestärkt werden. Die Erfahrungen aus den ehrenamtlichen Projekten in den DGB-Regionen ermutigen dazu.
Senioren bleiben für den Bestand der Gewerkschaften und die Umsetzung allgemeiner Politik unverzichtbar. Ihre berechtigten Anliegen in der Gesundheits-, Renten-, Verkehrs- und Familienpolitik werden in den jeweiligen Politikbereichen der Gewerkschaften und des DGB vertreten. […]“
4.2 Beschluss A012 des 18. OBK 2006
„Stärkung der Arbeit mit und für Seniorinnen und Senioren

Der 18. Ordentliche DGB-Bundeskongress möge beschließen:
Der DGB wird ein Konzept erarbeiten, um die Der DBG m?ge beschliessen: Dir Ziel ist eine verbesserte und gestärkte Koordinierung und Zusammenarbeit bei politischen Themen, die die Seniorinnen und Senioren betreffen. Ein eigenständiger, in der Satzung des DGB verankerter Status, ist dafür nicht erforderlich.“
4.3 Auszug aus Beschluss K001 (Begleitbeschluss zur Neufassung der DGB-Satzung) des 19. OBK 2010 Ziffer 1.2 Absatz 5:
„Die Vorstände der [Kreis- und Stadtverbände] können die Vertretung der Seniorenarbeit beratend zu ihren Sitzungen hinzuziehen, wenn es entsprechende arbeitsfähige Strukturen auf der Ebene der Kreis- und Stadtverbände gibt.“
Ziffer 1.4 Absatz 7: „Soweit Seniorenpolitik auf der Ebene der Bezirke koordiniert wird, sollen Seniorenvertreter/innen zu den Sitzungen [des Bezirksvorstandes] beratend hinzugezogen werden.“
Ziffer 1.4 Absatz 10:
„Für die seniorenpolitische Arbeit des DGB gelten die bisherigen Beschlüsse (insbes. die Seniorenpolitischen Eckpunkte) weiterhin.“
4.4 Beschluss des Bundesvorstandes zur Koordinierung der Seniorenpolitik vom 05.06.2012:
„Der Bundesvorstand beruft einen „Koordinierungskreis Seniorenpolitik“ auf Bundesebene ein. Dadurch wird der Beschluss des Bundesvorstandes vom 03.02.2004 abgelöst.
1. Aufgabe
Der Koordinierungskreis Seniorenpolitik dient der Abstimmung der gewerkschaftlichen Seniorenpolitik zwischen DGB und Mitgliedsgewerkschaften. Dazu erfolgt seitens des DGB auch die regelmäßige Information über aktuelle, seniorenpolitisch relevante Themen aus der Arbeit der Fachabteilungen des DGB-Bundesvorstandes.
2. Mitglieder Mitglieder des Koordinierungskreises sind die für Seniorinnen und Senioren Verantwortlichen bei den Hauptvorständen der Gewerkschaften sowie der/die verantwortliche Mitarbeiter/in der Abteilung Sozialpolitik beim DGB-Bundesvorstand. Die bei den DGB-Bezirken für Seniorenpolitik Verantwortlichen können an den Sitzungen beratend teilnehmen. Zu einzelnen Themen können Vertreter/innen der Fachabteilungen des Bundesvorstands hinzugezogen werden.
3. Verantwortung
Die Zuständigkeit für den Koordinierungskreis liegt bei der Abteilung Sozialpolitik.
Koordinierungstreffen sollen wenigstens zweimal jährlich in der o.g. Besetzung erfolgen.“

Quelle: DGB