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Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge 2023

Foto: H.S.

22.07.2023 - von Herausgeber: Fokusgruppe private Altersvorsorge c/o Bundesministerium der Finanzen, Hanne Schweitzer

"es ist daher niemand für die pAV verloren," heißt es hoffnungsfroh im Bericht der ca. 20 Personen, die vom Bundesfinanzminsterium den Auftrag bekommen hatten, sich einerseits Finanzprodukte für die private Altersvorsorge in der Bundesrepublik auszudenken, andererseits die gesetzliche Anerkennung privater Finanzprodukte zu prüfen, und außerdem die Angebote auf dem internationalen Markt auf ihre Verwertbarkeit zu prüfen.
Die Fokusgruppe tagte sechsmal,es gelang ihr, 131 Seiten mit verkaufsfördernden Ideen, Zielgruppen, Hemmnissen, Beseitigung der Schriftform und weiteren Überlegungen zum Füllen der Kassen der Versicherungswirtschaft zu präsentieren, auf dass der miserable Ruf von Riesterrente, Betriebsrente oder gar Direktversicherungen sich in Luft auflöse, nicht mehr zu hören ist, und stattdessen neue Versprechen über ach so großartige Altersvorsorgeprodukte zu einem run auf bessere, erfolgversprechendere, günstigere, lohnendere, nützlichere, vorteilhaftere und ein sorgenfreies Alter ermöglichende Finanzprodukte führen sollen.

Eine gute Woche, nachdem Christian Lindner harte Einsparungen bei Rente, Pflege
und Kindergrundsicherung durchgesetzt hat nimmt unser Finanzminister bei den Armen
und gibt den Reichen. Sein neuester Coup: Er möchte den Unternehmen sechs Milliarden Euro Steuern schenken.*

Aus dem Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge
Stand: 18. Juli 2023

- "Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode sieht vor, das bisherige System der
geförderten pAV grundlegend zu reformieren. Eine Reform der geförderten pAV soll die
Verbreitung, Effizienz und Attraktivität der pAV insgesamt stärken."

- Die Fokusgruppe setzte sich aus folgenden Vertreterinnen und Vertretern zusammen:
• Bundesministerien (Bundesministerium der Finanzen (BMF), Bundesministerium für
Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und Bundesministerium für Arbeit und Soziales
(BMAS))
• Anbieterverbände (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV)
und Bundesverband Investment und Asset Management e.V.(BVI))
• Verbraucherschutz (Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.(vzbv) und Stiftung
Warentest)
• Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. (aba)
• Sozialpartner (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB))
• Wissenschaft (Prof. Dr. Tabea Bucher-Koenen (Universität Mannheim und ZEW),
Prof. Dr. Oskar Goecke (TH Köln), Prof. Dr. Marlene Haupt (Hochschule Ravensburg-
Weingarten), Prof. Dr. Constanze Janda (Deutsche Universität für
Verwaltungswissenschaften Speyer), Prof. Dr. Raimond Maurer (Goethe-Universität
Frankfurt) und Prof. Dr. Markus Roth (Philipps-Universität Marburg))

Vertreterinnen und Vertreter des Bundeskanzleramtes (BKAmt), der Deutschen Bundesbank
(BBk), der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen
Rentenversicherung Bund (DRV Bund) nahmen als ständige Gäste der Fokusgruppe an den
Sitzungen teil. Die Fokusgruppe tagte unter dem Vorsitz des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Finanzen, Dr. Florian Toncar.


- 5. Rendite, Risiken und Garantien:
Um höhere Renditen für die Altersvorsorge in der Ansparphase zu erzielen, ist neben geringeren Kosten eine mit entsprechenden Chancen und Risikenverbundene realwertorientierte Kapitalanlage (insbesondere Aktien, aber auch Beteiligungen
und Immobilien) sinnvoll. Die damit verbundenen Verlustrisiken können z. B. dadurch reduziert werden, dass frühzeitig mit der Altersvorsorge begonnen wird und lange Anlagezeiträume erreicht werden. Künftig soll daher zusätzlich auch ein förderfähiges und zertifiziertes Altersvorsorgedepot zugelassen werden, in dessen Rahmen in Fonds, aber auch in andere geeignete realwertorientierte Anlageklassen investiert werden kann, um eine private Altersvorsorge mit höheren Renditen als bei den bisherigen Riester-Verträgen zu ermöglichen.

Gerade bei einem langem Vorsorgezeitraum bergen Garantien den Nachteil, dass sie Anbieter
vorrangig zu einer sicherheitsorientierten Anlage verpflichten und dadurch geringere
Renditechancen bieten („implizite Kosten der Garantien“). Die Garantieanforderung bei
Fondsprodukten sowie reinen fondsgebundenen Versicherungsprodukten sollte daher entfallen.
Die verpflichtende Beitragserhaltungszusage bei klassischen versicherungsförmigen und
hybriden Produkten in der Ansparphase sollte reduziert werden (Dissens: vzbv, Begründung siehe Minderheitsvotum in Anlage 2). Die durch Garantiereduktion entstehenden Renditevorteile sind uneingeschränkt an die Vorsorgenden weiterzugeben und dürfen nicht durch höhere Kosten aufgezehrt werden. Für diejenigen, die einen hohen Wert auf Sicherheit legen, sollen aber auch weiterhin Produkte mit Garantien angeboten werden können (Dissens: vzbv, Begründung siehe Minderheitsvotum in Anlage 2). Risikominderungstechniken wie Lebenszykluskonzepte, die das Anlagerisiko mit steigendem Alter reduzieren oder kollektive Sparmodelle, bei denen Kapitalmarktschwankungen in der Zeit ausgeglichen werden, können zeitpunktbezogene Risiken reduzieren und die Planbarkeit von Alterseinkünften verbessern.


- 9 Auszahlungsphase:[/b]
Vorsorgende sollten auch künftig vor Beginn der Auszahlungsphase innerhalb eines gewissen Spielraums über ihr Altersvorsorgevermögen entscheiden können. Um mehr Flexibilität in der Verwendung der privaten Altersvorsorge und befristet höhere Auszahlungsbeträge zu ermöglichen, könnte auf eine verpflichtende, in der Höhe konstante oder steigende Absicherung des Langlebigkeitsrisikos z. B. ab der Regelaltersgrenze verzichtet werden,
und höhere Teilauszahlungen sowie Auszahlungspläne ohne Restverrentung könnten
ermöglicht werden. Dabei sollte die Länge der Auszahlungsphase so bemessen sein, dass sie in der Regel einen hohen Anteil der erwarteten Rentenzeit abdeckt. Die Fokusgruppe empfiehlt zudem, die Möglichkeiten der kompletten Auszahlung von Altersvorsorgevermögen zu Beginn der Auszahlungsphase für eine selbstgenutzte Immobilie zu ermöglichen, sei es zur Sanierung, zum altersgerechten Umbau oder zur Tilgung einer Immobilienfinanzierung. Zudem sollte die Möglichkeit geschaffen werden, das gesamte Altersvorsorgevermögen zu Beginn des Ruhestands dafür zu nutzen, den Vollrentenbezug der gesetzlichen Altersrente aufzuschieben oder andere Leibrenten (möglicherweise auch über den Erwerb von Entgeltpunkten in der Gesetzlichen Rentenversicherung) zu erwerben. Die Fokusgruppe empfiehlt dazu nähergehende Prüfung. Vorsorgende sollten insofern natürlich weiterhin die Möglichkeit haben, sich vor Rentenbeginn für eine lebenslange Rente zu entscheiden. (Dissens für den Absatz: GDV, Begründung siehe Minderheitsvotum in Anlage 2)


- 11. Öffentlich verantworteter Fonds:[/b]
Nach kontroverser Diskussion empfahl eine Mehrheit von zwölf Mitgliedern der Fokusgruppe, das Modell eines öffentlich verantworteten Fonds mit Abwahlmöglichkeit nicht weiterzuverfolgen. Demgegenüber votierten fünf Mitglieder (darunter BMWK, Begründung siehe Minderheitsvotum in Anlage 2) dafür, einen öffentlich verantworteten Altersvorsorgefonds einzurichten, auf den die Altersvorsorgenden über ihren Arbeitgeber voreingestellt werden und bei dem eine Abwahlmöglichkeit besteht. Zwei Mitglieder enthielten
sich der Stimme.


- 25. Eine weitere Herausforderung für den Aufbau der zusätzlichen Altersvorsorge stellen die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Corona-Krise, den russischen Überfall auf die Ukraine und die hohe Inflation dar. Bucher-Koenen et al. (2023) analysieren drei bevölkerungsrepräsentative Befragungen zwischen 2020/21, 2021/22 und 2022/23.9 Während im ersten Pandemiejahr 17,5 % der Erwerbsbevölkerung angaben, weniger für die Altersvorsorge gespart zu haben als vor der Pandemie, stieg dieser Anteil 2021 auf 21,2 % und erreichte 2022 31,1 %. Insbesondere Personen mit geringerem Einkommen reduzierten ihr Sparen für das Alter.
Neben verringerten Sparraten musste außerdem ein zunehmender Anteil der Befragten auf
bestehendes Vermögen zurückgreifen, um die Ausgaben des Haushalts zu decken. In den Jahren
2020 und 2021 traf dies auf etwa jeden fünften Haushalt zu (19,2 % bzw. 22,5 %), 2022 gaben hingegen fast doppelt so viele (39,3 %) an, dass sie auf Ersparnisse und Vermögen zurückgegriffen haben, um tägliche Ausgaben zu decken. Acht von zehn dieser Personen konnten zwar auf liquide, finanzielle Rücklagen zurückgreifen. Dennoch gaben 14,2 % an, im Jahr 2022 Finanzanlagen wie Fonds, Aktien und andere Wertpapiere veräußert zu haben, und 11,5 % lösten bestehende Altersvorsorgeverträge wie Lebensversicherungen und Riester - Renten auf.

Den kompletten Bericht der Fokusgruppe gibt`s beim Bundesfinanzminsterium unter: Link

Attac über Christian Lindners Reichenfürsorge unter: Link

Quelle: Bundesfinanzminsterium